Edmund Stoiber:Vom Reisefieber gepackt

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Edmund Stoiber tourte bereits durch die ganze Welt - jetzt, am Ende seiner Amtszeit, ist er nochmal bei Putin in Moskau. Doch seine letzte Reise wird das sicherlich nicht sein.

Peter Fahrenholz

Er möchte es bis zum letzten Augenblick auskosten. Wenn Edmund Stoiber im Kreml mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammentrifft, wird er noch einmal das Gefühl genießen, mit den Großen der Welt auf vertrautem Fuß zu stehen.

Edmund Stoiber mit Frau Karin auf einer Indienreise im April 2007 (Foto: Foto: dpa)

Und wahrscheinlich wird er dabei dezent die Frage durchschimmern lassen, wer außer ihm in der CSU noch Zugang zu den ersten internationalen Adressen hat und die Antwort gleich mit andeuten: Keiner.

Auch wenn Stoiber im September nolens volens abdanken muss, wird der dreitägige Trip zu Putin wohl nicht seine letzte Reise werden. Stoiber möchte gerne nocheinmal seinem politischen Busenfreund Sarkozy in Paris die Hand schütteln, er würde gerne noch in die Ukraine fahren und die Führung in Prag hat er mit dem Wunsch nach einer Begegnung mit Ministerpräsident Topolanek förmlich überrumpelt.

Dabei hatte sich Stoiber vor der schwierigen Reise nach Prag in all den Jahren seiner Amtszeit immer gedrückt. Jetzt, im letzten Anfall von Reisefieber, ist das anders.

Dabei war Stoiber in der ersten Hälfte seiner langen politischen Laufbahn eher ein Stubenhocker. Das hing natürlich auch mit seinen politischen Aufgaben zusammen.

Spaßverderber unter Strauß

Als CSU-Generalsekretär waren allenfalls Kurzausflüge innerhalb Deutschlands drin, sei es zu Wahlkampfzwecken, oder um sich in Bonn mit der CDU herumzuärgern. Und als Leiter der Staatskanzlei unter Strauß war Stoiber ohnehin dazu verdonnert, den Hausmeister zu spielen.

Strauß, am bayerischen Kleinkram nur wenig interessiert, war viel lieber in der Weltgeschichte unterwegs und einer musste schließlich zu Hause die Akten lesen.

Wenn Stoiber in der sinnenfrohen Ära Strauß mal mit unterwegs war, dann meist als Spaßverderber. Stoiber war im Strauß-Tross immer derjenige, der einen günstigen Moment abpassen musste, um dem Chef die lästigen Unterschriftenmappen in die Hand zu drücken.

Eine spektakuläre Auslandsreise wird allerdings auch Stoiber kaum jemals vergessen: Als sich im Dezember 1987 endlich der Lebenstraum von FJS erfüllte und er eine Einladung von Michail Gorbatschow nach Moskau hatte, gehörte auch Stoiber zur CSU-Delegation. Hobbypilot Strauß landete damals im dichten Schneetreiben eigenhändig in Moskau. "Ein interessanter Flug, Sicht null'', verkündete Strauß damals nach geglückter Landung.

Auch als Innenminister hielt sich Stoibers Reisetätigkeit naturgemäß in Grenzen. Doch seitdem Stoiber 1993 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, nahm seine Reiselust ständig zu. Südamerika, China, Japan, Südafrika, die USA, Indien, Europa sowieso - Stoiber war praktisch überall.

Am Anfang hat ihm der "Strauß-Bonus" manche Tür geöffnet, die anderen deutschen Ministerpräsidenten verschlossen blieb, doch spätestens seit seiner Kanzlerkandidatur 2002 ist Stoiber aus eigener Kraft überall ein begehrter Gesprächspartner. "Work hard. I wish you the best", hat US-Präsident George W. Bush 2002 zu ihm gesagt, als Stoiber sich im Weißen Haus als möglicher neuer Kanzler präsentierte.

Vier Stunden Schlaf reichen ihm

Reisen mit Stoiber waren so anstrengend, wie man sich das mit einem Menschen vorstellen muss, der mit vier Stunden Schlaf täglich auskommt. Das Programm war von frühmorgens bis spätabends vollgepackt, die unvermeidlichen Sight-Seeing-Termine beschränkte der kulturell nur mäßig interessierte Stoiber stets auf das Allernotwendigste.

"Wer mit Edmund Stoiber reist, der muss wissen, auf was er sich einlässt. Morgens, wenn die Mitglieder der Delegation noch allerlei Tabletten in ihren Gläsern auflösen, schießt der Ministerpräsident schon im gestärkten Hemd durchs Frühstückszimmer", schrieb die SZ 1999 über die zwölftägige Nordamerika-Reise, in der Stoiber und sein 60-köpfiger Begleittross durch sechs Zeitzonen und sieben Städte jagten.

Während seine Begleiter am Ende immer fix und fertig waren, konnte es passieren, dass Stoiber bei der Rückkehr vom Flughafen gleich in seine Staatskanzlei fuhr. Oder ins Stadion.

Überhaupt der Begleittross. Der wurde im Laufe der Jahre immer größer. Reichten 1995 in China noch 16 Vertreter der Wirtschaft, ist bei Stoibers Abschiedsvisite in Moskau eine 70-köpfige Wirtschaftsdelegation unter Leitung von Wirtschaftsminister Erwin Huber dabei.

War Stoiber auf seinen Auslandsreisen auch so rastlos wie daheim - einen Unterschied gab es: Der zu Hause oft zänkisch und rechthaberisch auftretende Stoiber war im Ausland zumeist von wohltuender Bescheidenheit. "Ich komme als Lernender", hat Stoiber 2001 bei seiner Reise in den Nahen Osten gesagt.

Aber nicht alles wollte er immer ganz genau wissen. Als bei einer Japan-Reise einmal etwas Undefinierbares auf seinem Teller lag, hat er es diskret unters Salatblatt geschoben.

© SZ vom 4.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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