Edmund Stoiber:Der Tiger von Wolfratshausen

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Auf seiner Tour durch Asien demonstriert der bayerische Ministerpräsident seine Macht und erweckt den Eindruck, dass er noch länger im Amt bleiben möchte. Der designierte Nachfolger Beckstein darf sich nicht sicher fühlen.

Marc Beise

Als "Mister 150 Prozent" ist Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber bekannt, als einer, der immer im Dienst ist und alles im Griff behalten will. Bei seiner aktuellen Asienreise jedoch, die noch bis Dienstag dauert, laufen manche Dinge anders als geplant - und niemand genießt das mehr als ausgerechnet Stoiber selbst, der versprochen hat, im Herbst sein Staatsamt an Innenminister Günther Beckstein abzugeben.

Edmund Stoiber und seine Ehefrau Karin reiten in Bangalore in Südindien auf einem indischen Elefantenbullen. (Foto: Foto: ddp)

Selbst eine kurzfristige Programmänderung kann ihm dann richtig Spaß machen - so wie am Sonntag, als der Besuch in der südindischen Stadt Mysore ausfallen muss, weil es dort politische Unruhen mit Brandschatzung gibt und die Offiziellen die Lage als bedrohlich einstufen. Stattdessen geht der Tross in der Nähe von Bangalore, dem Hightech-Zentrum des Landes, auf Safari, was Stoiber schöne Fotos und die Gelegenheit zu einer seiner neuen süffisanten Kommentierungen beschert.

Am Wegrand liegen die Tiger, und am Ende der Tour steht ein Elefant bereit, das Ehepaar Stoiber aufzunehmen.

Kommt zwangsläufig die Frage, wer ihm denn lieber sei, der Tiger oder der Elefant? Worauf sich Stoiber ohne Zögern für das Raubtier entscheidet: Denn der Tiger hat "die Eigenschaften, die man zweifelsohne lieber haben möchte: Schnell, kräftig, mutig und auch mal zupackend, wenn man es braucht."

Was sich wiederum trefflich anfügt an ein Interview des designierten Nachfolgers Beckstein, das in Stoibers Truppe große Beachtung findet: Beckstein hatte die Abwesenheit des Chefs für einen Auftritt in Bild am Sonntag genutzt, bei dem er "über den einen oder anderen Augenblick" spekuliert, "in dem sich Edmund Stoiber fragt, ob es nicht auch anders gegangen wäre", um dann fast schon beschwörend, aber indirekt an den Nachfolger zu appellieren: "Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass seine Entscheidung nicht umkehrbar ist."

Wirklich? Es wäre eine nette Geste Stoibers gewesen, Beckstein die Sorgen zu nehmen. Stattdessen sagt er nur: "Wenn mein Innenminister jetzt auf 100-Prozent-Sicherheit im nächsten halben Jahr pocht, verstehe ich das. Gerade weil er als Innenminister weiß, wie schwierig das ist." Nein, Beckstein kann und soll sich nicht sicher fühlen.

Der Mann, der nach Ansicht des Stoiber-Lagers den Putsch von Kreuth organisiert hat, muss sich vorsehen. Noch ist der Alte im Amt, "bis zum letzten Tag". Selbstzufrieden spielt er die Erfahrungen des langjährigen Spitzenpolitikers aus, dem die Führungskräfte in den Power-Nationen des fernen Ostens auf Augenhöhe begegnen.

Immer lockerer

Aus der geplanten Abschiedstournee des Landeschefs ist eine Demonstration der Macht geworden. Mit seiner Rücktrittsankündigung ist Stoiber vom Gejagten zum Jäger geworden - und findet an der Rolle sichtlich Gefallen.

Er, der auch auf Reisen früher oft so angespannt und verbiestert wirken konnte, wird in der asiatischen Wärme immer lockerer. Seht her, soll das heißen, ich bin nicht mehr 150-, sondern nur noch 100-prozentig. Und es macht sogar richtig Spaß.

Stoiber hat seinen Rücktritt angekündigt, gewiss, aber es bedarf noch eines letzten Willensaktes. Was nun, wenn der neue Stoiber im Land gut ankäme, während die anderen nervös werden und patzen? Für Günther Beckstein und Erwin Huber, so sieht von Indien betrachtet aus, ist das längste halbe Jahr ihres Lebens angebrochen.

© SZ vom 2.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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