Robert Strauss schüttelt den Kopf. Er kann das immer noch nicht fassen: Am Abend des 12. September, einem Freitag, um 19 Uhr, stürmte die Polizei seine Wohnung. Vier Bewaffnete in Uniform und ein Drogenfahnder. Sie marschierten zur Haustür herein, schoben Strauss zur Seite, rissen Schubladen auf, warfen Schränke um und durchwühlten seine Klamotten. Dann legten sie ihm Handschellen an und brachten ihn aufs Revier. Erst nach drei Stunden durfte er wieder gehen. Alles wegen ein bisschen Cannabis.
"Ich bin doch kein Schwerverbrecher", sagt Strauss. Seine Augen werden groß und wütend, wenn er vom 12. September spricht. "Ich habe das Gefühl, es gibt hier eine Lücke zwischen Gesetz und Medizin." Der 50-Jährige hat lichtes, zerzaustes Haar, unter seiner Lederjacke trägt er ein bedrucktes T-Shirt, er ist unrasiert, seine Haut gerötet. Er sieht fertig aus. Mit gebücktem Rücken sitzt er auf einer Holzbank in seiner Lieblingspizzeria in Augsburg - "Bob's", der Laden gehört einem Amerikaner.
Lizenz zum Kiffen
Hier erzählt Robert Strauss seine Geschichte. Hier fühlt er sich ein bisschen wie zu Hause in den USA. Man hört das Knallen von Bowlingkugeln in der Nähe der Bar, es riecht nach Pizza und Käse. Robert Strauss kam vor 28 Jahren von New Jersey nach Augsburg, er hat hier eine deutsche Frau geheiratet und eine Familie gegründet. Seit einigen Jahren ist er geschieden und lebt alleine mit seiner Krankheit. "Ich habe immer gerne in Bayern gelebt", sagt Strauss. Aber seit der Hausdurchsuchung fühle er sich nicht mehr sicher. "Ich habe das Gefühl, die können machen, was sie wollen."
Die - das sind die Polizisten. Strauss darf legal machen, was für andere Menschen in Bayern strafbar ist: Er zählt zu den wenigen Patienten mit der offiziellen Erlaubnis zum Gras-Rauchen. Gras, das ist seine Schmerzmedizin. Seit 4. Februar 2014 hat Strauss eine Genehmigung von der Bundesopiumstelle. "Und seit diesem Tag macht die Polizei mir in Augsburg das Leben zur Hölle", sagt er. Ständig werde er auf der Straße von Beamten angehalten und müsse alle seine Taschen leeren.
"Das ist Schikane."
Die Beamten wüssten, wer er sei, und hielten ihn trotzdem immer wieder fest, wenn sie ihn auf der Straße sehen. "Das ist Schikane. Die wissen ganz genau, dass ich eine Erlaubnis habe", sagt Strauß. Nachts könne er nicht mehr schlafen, jeden Morgen wache er um fünf Uhr auf, weil er Angst habe, die Polizei klingele wieder bei ihm.
Neben dem Gras aus der Apotheke fanden die Beamten im September auch eine Hanfpflanze in seiner Küche. Ihr Anbau ist verboten. Seitdem läuft ein Verfahren gegen Strauss wegen illegalen Besitzes und des Verdachts auf Drogenhandel. Strauss stellt ein gelbes Plastikdöschen auf den Tisch: "Cannabis Flos" steht auf dem Etikett und darunter in etwas kleinerer Schrift "Bedrocan". Strauss dreht am Deckel und öffnet: Zum Vorschein kommen fünf Gramm reine Marihuana-Blüten. Das reicht ihm für zweieinhalb Tage, er braucht zwei Gramm, um durch den Tag zu kommen.
Während Strauss erzählt, steht er hin und wieder auf. Er kann nicht lange sitzen bleiben, sonst tut es zu sehr weh im unteren Rücken. Seit September 2010 fühlt er diese Schmerzen. Zwei seiner Rückenwirbel waren von einem Tumor befallen, sie mussten ersetzt werden, die Wirbelsäule wurde mehrmals operiert. Nun ist sie stabilisiert, aber die Schmerzen sind geblieben. Deshalb raucht Strauss Cannabis. Er sagt: "Es ist das Einzige, was mir hilft."