Die Woche:Held der Woche

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Der steinerne Löwe vor der Zentrale der BayernLB ist das wohl meistfotografierte Viech im Freistaat. (Foto: Hase/dpa)

Was musste er nicht alles über sich lesen: "Schlecht gebrüllt, Löwe!" Oder: "Stolzer Löwe ganz klein." Dabei misst er locker drei Meter und stellt jeden seiner lebenden Artgenossen in den Schatten. Und erst die ganzen Fotos: Ob Regen, Schnee oder Sonnenschein - er musste ungefragt herhalten, wieder und wieder. Der Anlass war völlig egal: Einmal wollten Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi angeblich die Kirch-Gruppe übernehmen. Ein anderes Mal wurden Bilanzzahlen präsentiert. Und dann natürlich das schier nicht enden wollende Debakel durch die Übernahme der Hypo Alpe Adria. Immer wieder musste der steinerne Löwe vor der BayernLB seinen Kopf dafür hinhalten, als hätte es für die Milliardenpleite nicht genügend andere Gesichter gegeben, die damit mehr zu tun hatten. Dabei war seine große Medienpräsenz nur als Auszeichnung zu verstehen: So ein Löwe ist eben schicker als irgendwelche Gebäudeteile oder das Antlitz von Politikern und Bankenchefs, von denen man schon nach dem ersten Mal das Gefühl hat, sie viel zu oft gesehen zu haben. Im Grunde wäre ein Bär in den vergangenen Jahren die bessere Symbolfigur vor der bayerischen Landesbank gewesen. Der steht in Finanzkreisen bekanntlich für fallende Kurse. Oder ein Geier, der gelegentlich mit einer Pleite in Verbindung gebracht wird. Doch der Löwe konnte ja schlecht flüchten. Einzementiert sitzt er vor der Zentrale der BayernLB. Heute weiß man, dass das arme Vieh mit seinem aufgerissenen Mund nie Schrecken auslösen wollte, sondern über die Vorgänge im Haus hinter sich nur selbst erschrocken war. Früher, als auf diesem Platz noch das Wittelsbacher Palais stand, zierten zwei Löwen diesen Ort - angefertigt im Auftrag König Ludwigs I. Auch wenn es sich bei dem jetzigen Exemplar um eine Replik handelt, war es stets ein willkommenes Motiv für alle Zeitungen dieser Welt. Dafür vielen Dank. Ruhe in Frieden in den ewigen Fotojagdgründen.

© SZ vom 11.07.2015 / wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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