Die Oberbürgermeister:Die Rathaus-Stürmer

Joachim Wolbergs und Florian Janik eroberten für die SPD langjährige CSU-Hochburgen und in Würzburg siegte ein CDU-Mann für die Christsozialen

Erfolgserlebnisse sind für Bayerns Sozialdemokraten bei Wahlen eher dünn gesät. Doch bei den Oberbürgermeisterwahlen vor einem Jahr sorgten die SPD-Kandidaten in Regensburg und Erlangen für eine handfeste Überraschung. In Würzburg aber löste ein CDU-Mann die bis dato regierende SPD an der Stadtspitze ab.

Regensburg

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(Foto: Armin Weigel/dpa)

Ein Sozi und das liebe Geld - wenn das mal keine klassische Angriffsfläche bietet. Und so überreichte die CSU-Fraktion dem neuen Oberbürgermeister in der ersten Haushaltsdebatte eine goldene Gießkanne. Sie sollte symbolisieren, dass Joachim Wolbergs (SPD) sich seine Beliebtheit in der Stadt nur erkaufe, da er jedem Wunsch nachgebe. Mit 70,1 Prozent hat der 44-jährige Wolbergs die 18 Jahre lang regierende CSU in der Stichwahl gedemütigt. Seitdem hat sich in Regensburg einiges verändert. Wolbergs hat der Stadt eine neue Willkommenskultur für Flüchtlinge verordnet, eine Erstaufnahmestelle für Asylbewerber initiiert, die Bezahlung städtischer Bediensteter nach Tarif durchgesetzt. Die Verwaltung baut er sukzessive nach seinen Vorstellungen um, allein die Hälfte der 90 neu eingestellten Mitarbeiter kümmert sich um soziale Belange. Das kostet Geld. Wolbergs ist der Ansicht, eine Stadt wie Regensburg könne sich das leisten. Er sagt: "Wir haben bewiesen, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Gerechtigkeit zusammen funktionieren." Doch selbst im reichen Regensburg gibt es Herausforderungen: Wohnraum etwa ist teuer und rar. Hauptaufgabe der bunten Rathaus-Koalition wird es sein, die Stadt auf diesem wirtschaftlichen Niveau zu halten und zugleich die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Wo es hakt, mischt sich der OB gerne persönlich ein - im Kleinen wie im Großen, derzeit beim Grundstücksstreit um die Ansiedlung eines BMW-Logistikzentrums mit 2000 Mitarbeitern. Seit der Wahl ist Wolbergs gelassener geworden, er hört aufmerksam zu, seine Angriffsfreude aber hat er behalten. Die Gießkanne reichte er umgehend ans städtische Gartenamt weiter, "im Sinne der Sparsamkeit". wiw

Erlangen

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(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Diesen Termin hätte die CSU gerne vollumfänglich aus den eigenen Reihen besetzt: Vorstellung des neuen Siemens-Campus in Erlangen, es soll nicht nur ein Stadtteil neu entstehen, es handelt sich auch um das weltweit größte Bauvorhaben des Konzerns. Im Januar kam dafür Konzernchef Joe Kaeser nach Erlangen, auf der Bühne stand auch Ministerpräsident Horst Seehofer, aber eben nicht Siegfried Balleis, der CSU-Mann, der 18 Jahre Oberbürgermeister war und den Siemens-Coup vorbereitet hatte. Den Feiertag beging stattdessen Florian Janik, SPD, der als 34-Jähriger die Stichwahl überraschend gegen Balleis gewonnen hatte. Janik machte bei der Vorstellung des Campus eine souveräne Figur, er scheint das Amt auch sonst im Griff zu haben. Beim kurz darauf angekündigten Siemens-Aderlass, 900 Stellen sollen in Erlangen gestrichen werden, agierte er ebenso besonnen wie zuvor bei einem Großeinsatz im Rathaus: Nachdem ein Mann ein Messer gezückt hatte, musste das Gebäude geräumt werden, der Einsatz verlief mustergültig. Ärger handelte sich Janik zwar auch ein, es ging dabei aber eher um Petitessen. Dass er sogleich den Stadtsprecher austauschte, hat ihm schon mancher übel genommen. Einen heftigen Sturm löste dagegen ein Spruch gegen den "Tag der Franken" aus, den der neue OB für verzichtbar erklärt hatte. Erlangen hat übersichtliche Sorgen. prz

Würzburg

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(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Von den Großstädten Bayerns dürfte Würzburg diejenige sein, die sich politisch am deutlichsten gewandelt hat in den vergangenen Jahrzehnten. 1990 war dort ein CSU-Abtrünniger zum OB gewählt worden, Triumphe von Parteifreien waren da noch alles andere als normal. Die Folge waren Verwerfungen, ein in Kleinfraktionen zersplitterter Stadtrat und Diskontinuität: Zuletzt wurden die Oberbürgermeister dreimal hintereinander nach nur einer Amtsperiode abgelöst. Auch die Wahl 2014 verlief ungewöhnlich in Würzburg. Zum OB gewählt wurde mit Christian Schuchardt ein CDU-Kandidat. Der hatte keinen perfekten Start: Der Bürgerentscheid über einen Autobahntunnel ging verloren, bei der Wahl zu seinem Stellvertreter gab es Ärger. Seither aber hat Schuchardt an Statur gewonnen und von Grabenkämpfen ist wenig zu spüren. Gegen die Pegida-Märsche setzte auch er sich entschieden zur Wehr, und ein Nazi-Aufmarsch schweißte die Stadt regelrecht zusammen. Zwei Dutzend Rechtsextreme standen 6000 Menschen gegenüber, die der Zerstörung der Stadt vor 70 Jahren gedachten. Von Parolen hält der CDU-Mann wenig. Auf Seehofers Satz "Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt" angesprochen, antwortete Schuchardt: "Urbajuwarische Vereinfachungen" finde er nicht so glücklich. prz

© SZ vom 10.04.2015 / wiw, prz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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