Der Fall Riekofen vor dem Landgericht Regensburg:Ein Priester als Gefahr für die Allgemeinheit

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Peter K. muss wegen schweren sexuellen Missbrauchs an einem Ministranten für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Rolf Thym und Rudolf Neumaier

Nicht einmal bei einem bewusst formulierten Scherz des Vorsitzenden Richters Karl Iglhaut zeigt Peter K., der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagte katholische Priester, auch nur ein Anzeichen emotionaler Regung. "Wir haben schon überlegt, ob wir auf die Papstwiese gehen müssen angesichts des Andrangs", sagt der Richter zu Prozessbeginn. Zuschauer kichern, der Priester bleibt ungerührt.

Der Priester Peter K. wurde zum zweiten Mal wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. (Foto: Foto: Getty Images)

So nimmt der Geistliche am Abend auch das Urteil des Landgerichts Regensburgs entgegen: Drei Jahre Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs im Wiederholungsfall sowie die sofortige und zeitlich offene Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Dass ihn sein Dienstvorgesetzter, also die Diözese, wieder einsetzte und damit die Taten ermöglicht habe, habe sich bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten ausgewirkt, sagt der Richter.

Mit einem Geständnis hat der 40 Jahre alte Geistliche Peter K. seinem Opfer, einem Buben, der inzwischen 16 Jahre alt ist, ein Erscheinen vor Gericht erspart. So bleibt die Anklage der Staatsanwaltschaft unwidersprochen, die Peter K. schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes vorwirft. Etwa drei Jahre lang, zwischen 2003 und 2006 hat der Pfarrer, wie er nun eingesteht, 22 Mal sexuelle Handlungen an dem Buben vorgenommen, mal auf der Couch in der Wohnung des Pfarrers, mal bei einem Ausflug im Hotelzimmer.

Die zahlreichen Übergriffe des Geistlichen flogen im Sommer 2007 auf. Peter K. wurde am 30. August 2007 in Untersuchungshaft genommen.

Diözese wehrt sich

Der Geistliche war wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft: Im Juli 2000 hatte das Amtsgericht Viechtach einen Strafbefehl über zwölf Monate Haft, ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährung , gegen K. erlassen. Diese Vorstrafe wie auch ein Gutachten, das der Psychiater Bernd Ottermann im Auftrag des Viechtacher Amtsgerichts über Peter K. abgegeben hatte, spielen jetzt eine wesentliche Rolle bei schwerwiegenden Fragen, die erneut der Regensburger Diözesanverwaltung und dem Bischof Gerhard Ludwig Müller gestellt werden müssen. Während des Verfahrens gegen Peter K. haben sich deutliche Hinweise darauf ergeben, dass die Diözese im vergangenen Sommer nicht lückenlos und womöglich auch nicht wahrheitsgemäß über den Fall K. aufklärte.

Bischof Müller bestreitet bis heute, dass seine Bürokratie oder gar ihn selbst eine Schuld daran treffe, dass ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafter Pfarrer erneut Gelegenheit dazu hatte, sich an einem Ministranten zu vergreifen.

In einer Stellungnahme zur Verurteilung von K. drückt das Ordinariat sein "tiefstes Bedauern über das Geschehene aus und das damit entstandene leid" aus, es weist aber wie bisher jede Schuld von sich. In einer "beispiellosen bundesweiten Diffamierungskampagne" würden "die Fakten auf den Kopf gestellt" und der Vorgang "verzerrend dargestellt", heißt es.

Deutlich ist in dem Prozess durch die Zeugenaussage einer Polizistin jedoch durchaus geworden, dass K. noch während seiner Bewährungszeit seelsorgerlich gewirkt hat. Er verstieß dabei nachweislich gegen die Bewährungsauflage: Er unternahm zahlreiche Ministrantenausflüge, wie die Polizeikommissarin ermittelte.

In der Pfarrgemeinde wurde darüber Buch geführt, später fand die Polizei über die Ministrantenreisen etwa nach Rom, München und an die Nordsee, Zeitungsausschnitte in der Personalakte, die das Ordinariat über K. führte.

Zudem hat Gerichtsgutachter Ottermann bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass Peter K. eine "Kernpädophilie und homoerotische Veranlagung" habe. Laut Richter Iglhaut hätte sich die Diözese dieses Gutachten besorgen können, aus dem hervorgeht, dass K. keinesfalls mehr mit Kindern hätte arbeiten dürfen. Ein Vermerk auf dieses Gutachten fand die Polizei denn auch in K.s kirchlicher Personalakte. Und auf den Internetseiten der Diözese ist nachzulesen, der Justitiar des Bischofs sei "in groben Zügen" über Ottermanns Gutachten informiert gewesen.

Das Ordinariat aber verließ sich auf einen anderen Therapeuten, der nichts gegen einen jugendseelsorgerischen Einsatz K.s einzuwenden hatte. Peter K. war nach seiner Verurteilung im Jahr 2000 etwa vier Jahre lang in Rottweil bei einem Psychoanalytiker in Behandlung, der mehrmals erklärte, K. sei nicht pädophil veranlagt - der Geistliche habe jedoch die Neigung dazu, in seine Kinderzeit zurückzufallen. So ließen sich bei ihm die Übergriffe auf Kinder erklären. Dieses angenommene Krankheitsbild versuchte der Therapeut zu behandeln.

Gestern erschien Ottermann - ärztlicher Direktor der Psychiatrie in Straubing, wo Peter K. untergebracht ist - wieder als Gutachter vor Gericht, und er zerriss die diagnostische Meinung des Kollegen in der Luft: Der Therapeut habe sich so verhalten, als wäre "einer, der Kopfschmerzen hat, gegen Fußpilz behandelt worden".

Anklage fordert drei Jahre

Ottermann sagte, umfangreiche Untersuchungen hätten seine Diagnose aus dem Jahr 2000 bestätigt. K. sei "für die Allgemeinheit" gefährlich, er leide unter einer Persönlichkeitsstörung. Kurzfristige Therapieerfolge seien ausgeschlossen. Also forderte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer einen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie, verbunden mit einer dreijährigen Haftstrafe. K.s Verteidiger plädierte ebenfalls auf eine psychiatrische Einweisung und auf eine Haftzeit von zwei Jahren und sechs Monaten.

Nach Ansicht von Peter Heibel, dem Vorsitzenden der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, haben im Fall K. mehrere Instanzen versagt: Die Justiz habe nicht genau genug hingeschaut, was K. während seiner Bewährungszeit trieb, sein Therapeut habe dann das Urgutachten außer Acht gelassen. "Und die Kirche", sagt Heibel, "hat extrem fahrlässig agiert. Alle zusammen haben die Gefahr, die von einem Pädophilen ausgeht, nicht ernst genommen."

© SZ vom 14.03.2008/bica/maru - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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