CSU: Seehofers Schlingerkurs:Das Sein bestimmt das Bewusstsein

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Gesundheitsfonds, Mehrwertsteuer, Eigenheimzulage. CSU-Chef Seehofer und seine Art der Politik: Ein Mann spricht, verspricht und widerspricht - sich selbst.

K. Stroh

Vor genau einem Jahr stand die CSU-Spitze vor schweren Tagen. Die Kommunalwahl war verloren, die Partei in Aufruhr, die so wichtige Landtagswahl 2008 stand vor der Tür.

Der doppelte Seehofer: Mit voller Kraft nach vorn - wo auch immer das ist. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat in den vergangenen Jahren kraftvoll vieles angekündigt und still viel zurückgenommen. Die SZ hat seine prägnantesten Ankündigungen auf ihre Haltbarkeit hin überprüft. (Foto: Foto: Seyboldtpress)

Kurz vor der Klausur des CSU-Vorstands damals meldete sich Horst Seehofer zu Wort, Parteivize seinerzeit und CSU-Chef in Reserve: "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als bestünde der Kern unserer Politik in der Korrektur der Vergangenheit", mahnte er in der Welt, "von den Veränderungen beim Büchergeld über die Pendlerpauschale, beim Rauchverbot bis zum Gesundheitsfonds."

Mit hektischen Korrekturen am selbst Beschlossenen werde die CSU keine Wahlen gewinnen, im Gegenteil: Sie müsse eine Zukunftsperspektive entwickeln.

Ein Jahr später stehen wieder existentiell wichtige Wahlen für die CSU vor der Tür, wieder trifft sich am Wochenende der CSU-Vorstand zur Klausur. Und Seehofer ist inzwischen Parteichef, die Vergangenheit korrigiert er selbst: Den Kampf für die alte, dank Bundesverfassungsgericht wieder eingeführte Pendlerpauschale hat er sich früh zu eigen gemacht, das Rauchverbot will er deutlich lockern lassen und auf sein Betreiben hin wird der CSU-Vorstand am Freitag ein Papier verabschieden, das faktisch den Bruch mit der Gesundheitspolitik der großen Koalition in Berlin bedeutet.

Standort und Standpunkt

"Der Standort bestimmt den Standpunkt", begründet ein CSU-Oberer Seehofers diverse Kurswechsel. Der vertritt als bayerischer Ministerpräsident nun radikal regionale Interessen und hofft, so die Wahlen zum Europaparlament und zum Bundestag gut zu meistern, bei denen die CSU nur in Bayern auf den Stimmzetteln steht.

Auch der Gentechnikeinsatz in der Landwirtschaft ist dafür ein Beispiel. Auch um die missliche Lage der Bauern wird es bei der Vorstandsklausur der CSU in Banz am Wochenende gehen, Bauernpräsident Gerd Sonnleitner ist als Gast geladen ebenso wie die Ärzte-Lobbyisten Wolfgang Hoppenthaller (Hausärzte) und Thomas Scharmann (Fachärzte).

Und da als Signal an die Vertriebenen auch noch deren Verbandspräsidentin Erika Steinbach zum Kamingespräch vorbeischaut, fürchten manche CSU-Vorständler, dass in den 24 Stunden von Banz kaum Zeit für Debatten bleibt. Dabei täten die Not, ist doch Seehofers neuer Gesundheitskurs bei den CSU-Bundestagsabgeordneten umstritten.

"Fraglich, ob das so läuft in Banz, wie der Horst sich das vorstellt", sagt ein führender CSU-Mann. Sitzungen des CSU-Vorstands dürften aber nicht zur Staffage werden für Seehofers Soloshow. Zumal Landwirtschaft, Gesundheit und Vertriebene beileibe nicht alle Themen sind, denen sich die CSU in Banz widmen will. Wie nebenbei wird sie auch den Entwurf ihres Europawahlprogramms und mit Blick auf die Bundestagswahl ein Steuerkonzept verabschieden.

Heimliche Steuererhöhungen beseitigen

Bei Ersterem dürfte allenfalls der intern umstrittene Wille Seehofers, auch in Deutschland EU-Verträge und -Erweiterungen per Volksabstimmung zu ratifizieren, noch einmal für Diskussionen sorgen. Und das Steuerkonzept wird voraussichtlich bereits bekannte CSU-Forderungen zusammenfassen: Bei der Einkommensteuer will man die heimlichen Steuererhöhungen beseitigen, die durch steigende Einkommen und damit steigende Steuersätze bedingt sind. Diverse, von der Koalition in Berlin beschlossene Korrekturen an der Unternehmensteuer sollen wieder korrigiert werden.

Bei der Erbschaftsteuer, für die nach dem Willen der CSU künftig allein die Länder zuständig sein sollen, sollen Betriebsübergaben erleichtert werden. Und beim Streit über Mehrwertsteuersenkungen für die Gastronomie hat sich Seehofer mit der CDU auf den Kompromiss geeinigt, eine umfassende Strukturreform anzustreben - aber erst nach der Wahl.

© SZ vom 31.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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