CSU-Parteitag in Deggendorf:Nur die halbe Wahrheit

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Die CSU ist zuversichtlich: Einer Umfrage zufolge schafft sie den Wiedereinzug ins Europaparlament. Doch die Aufbruchstimmung in der Partei ist trügerisch.

Birgit Kruse

Zu Umfragen hat die CSU schon immer ein gespaltenes Verhältnis gehabt. Fallen sie für die Partei schlecht aus, handelt es sich natürlich nur um eine Momentaufnahme ohne Aussagekraft. Sind die Zahlen dagegen gut, werden sie umgehend zur Realität erklärt - und bewirken wahre Wunder. Zu beobachten war das zweite Phänomen an diesem Wochenende auf dem Europaparteitag in Deggendorf.

Aufbruchstimmung in Deggendorf: Aber Stoiber, Seehofer und Waigel (v.l.n.r.) können nicht über die Wahrheit hinwegtäuschen. (Foto: Foto: dpa)

Von Geschlossenheit war wieder die Rede, von einer selbstbewussten und motivierten Partei. Man wollte sich selbst noch einmal Mut zureden, wenige Wochen vor der so gefürchteten Europawahl. Grund für die neue Zuversicht war eine Umfrage, die die CSU über der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde sieht - und damit wieder im Europaparlament.

Nach dem Debakel bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst wäre das immerhin ein kleiner Lichtblick, eine Art Verschnaufpause vor der Bundestagswahl. Doch die Aufbruchstimmung, die durch die Deggendorfer Stadthalle weht, ist nur die halbe Wahrheit.

Denn in Wirklichkeit hat sich die Partei noch immer nicht von der Schmach des schlechten Wahlergebnisses bei der Landtagswahl erholt. Darüber kann weder ein charismatischer Parteichef noch dessen dominantes Auftreten gegenüber der Bundeskanzlerin hinwegtäuschen.

Mehrere neue Unbekannte

Sicher, an den Stammtischen wird man inzwischen nicht mehr wüst beschimpft, wenn man sich als CSU-Mitglied zu erkennen gibt. Doch das Urvertrauen der Stammwähler ist noch lange nicht zurückgekehrt. Die alte Formel "Bayern = CSU" geht nicht mehr so einfach auf. Gleich mehrere Unbekannte sind hinzugekommen.

Das sind zum einen die Stammwähler. Die Bauern zum Beispiel, die auf Grund der stetig fallenden Milchpreise um ihre Existenzen kämpfen. Oder die Ärzte, die gegen die von Seehofer mitbeschlossene Gesundheitsreform auf die Straßen gehen. Ihrer Stimmen kann sich die CSU nicht mehr sicher sein.

Außerdem etablieren sich im Freistaat politische Alternativen. Die FDP sitzt inzwischen in Bayern mit in der Regierung, die Freien Wähler sind im Landtag. Beide treten auch bei der Europawahl an und zwar bundesweit. Sie werden die CSU Stimmen kosten - nicht nur am 7. Juni, sondern auch bei der Bundestagswahl im Herbst.

Und erst dann wird abgerechnet. Nur wenn die CSU beide Wahlen ohne allzu große Kratzer besteht, kann sie auf ruhigere Zeiten hoffen. Wenn nicht, wird unweigerlich die Diskussion losgehen, ob der Einzelkämpfer Horst Seehofer wirklich der richtige Mann an der Spitze ist.

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