CSU-Parteitag:Abschied vor spärlich besetzten Reihen

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Stoibers letzter CSU-Parteitag als Ministerpräsident und Parteivorsitzender: Er schwörte seine Partei noch einmal auf konservative Werte ein - und erhielt langen Beifall ohne Begeisterung.

Kassian Stroh

Er kam überpünktlich, dann aber wurde alles wieder wie immer. Kaum eingetroffen am Münchner Messegelände, zog sich Edmund Stoiber in ein Nebenzimmer zurück und ließ den Parteitag warten.

Eine halbe Stunde lang. Ohne Stoiber geht nichts bei der CSU - einmal noch, ein letztes Mal. "Freitag ist Stoiber-Tag" - dieses Motto hatten die CSU-Oberen bei der Planung des Parteitags ausgegeben.

Am Freitag wurde Stoiber 66 Jahre alt, zur Eröffnung des Parteitags breitete er eine gute Stunde lang noch einmal das programmatische Vermächtnis aus, das er der in seinen Augen "erfolgreichsten Partei Europas" mitzugeben gedenkt.

Denn am Samstag wird Stoibers Nachfolger gewählt, und der bisherige Vorsitzende wird von da an aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch Ehrenvorsitzender sein.

Die Melancholie der Ehefrau

Ob er mit Wehmut gehe, wurde Stoiber beim Eintreffen gefragt. "Nein", sagt er, "ich habe mich lange auf diesen Tag konzentrieren können."

Und die CSU hat ja auch viel getan, ihm einen gebührenden Abschied zu organisieren. Obwohl viele CSU-Spitzenpolitiker es anders wollten, wurde die Nominierung seines Nachfolgers als Ministerpräsident, Günther Beckstein, auf den Samstag verschoben.

Nichts sollte Stoibers Feierlaune trüben. "Freitag ist Stoiber-Tag" eben. Für den Abend inszeniert die CSU eine hymnische Jubelfeier: mit Blaskapelle und Rockmusik und weit mehr als 2000 Feiernden.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso entbietet per Video ein "herzliches Servus", Uschi Glas findet Stoiber einfach nur "große Klasse" und sagt das auch.

Kanzlerin Angela Merkel spielt die Enttäuschte, weil Stoiber jüngst ihren Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) zu sich nach Hause eingeladen hatte ("unser Frühstück in Wolfratshausen erschien mir einzigartig") und mahnt Fortschritte bei einer preußischen Tugend an ("an deiner Pünktlichkeit musst du noch arbeiten").

Sie schenkt ihm eine Gesetzessammlung von 1759 - da solle er doch bitte mal nachschlagen beim Kampf gegen die Brüsseler Bürokratie. Die bis dahin etwas zähe Party droht etwas auszuarten, als Umweltminister Werner Schnappauf (CSU), der in etwa so sehr Jurist ist wie Stoiber, dem "alten Asketen" rät: "Lass mal die Sau raus!"

Zwei huldigende Videofilme hat die CSU-Zentrale noch produziert - der eine über den Menschen Edmund Stoiber, der andere über den Politiker. Als ob man das eine vom anderen trennen könnte. "Was gibt es Schöneres, als den Geburtstag mit der Familie zu feiern", sagt Stoiber.

Erst morgens kurz zu Hause, am Abend dann "mit der großen Familie CSU". Am Ende aber schlägt Karin Stoiber nachdenkliche Töne an. Sie sagt: "Für mich und die Kinder hast du sehr oft gefehlt."

Am Nachmittag, als Stoiber endlich den Saal betrat, war die Stimmung der CSU-Großfamilie noch ziemlich verhalten. Die Reihen waren spärlich besetzt, viele auswärtige Delegierte hatten sich offenbar den "Stoiber-Tag" gespart. Was auch daran liegen mag, dass in München fast alle Hotels ausgebucht sind, des Oktoberfests wegen.

Noch spärlicher aber war der Applaus für den scheidenden Chef. Während seiner Ansprache standen mindestens so viele Delegierte vor der Tür, wie im Saal sitzen blieben. Stoiber spielte noch einmal die Rolle des letzten großen Konservativen des Landes, die er sich vor allem in den acht Monaten seines Abschieds zurechtgelegt hatte.

Er sprach von der "Renaissance der bürgerlichen Werte", prügelte die Ideologie der "68er", sagte "Ja zur deutschen Leitkultur". Dafür bekam er Beifall, aber erntete keine Begeisterung. Am meisten noch, wenn er ganz nebenbei der Fürther Landrätin Gabriele Pauli, die für die Wahl des CSU-Vorsitzenden kandidiert, einen mitgab: "Die CSU ist kein Happening, sie wird durch Inhalte zusammengehalten, nicht durch Show."

"Dieser Beifall sagt alles", sagte die Sitzungsleiterin und CSU-Vizechefin Beate Merk am Ende von Stoibers Rede. Fünf Minuten hatten die Delegierten stehend applaudiert, mehr pflichtschuldig denn euphorisch. Wenn der Beifall alles sagt, dann vor allem, dass die CSU offenkundig nicht mehr an Stoibers Lippen hängt. Freitag war noch einmal Stoiber-Tag, aber die Nach-Stoiber-Zeit hat in der CSU begonnen.

© SZ vom 29.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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