CSU:"Obama hat die Mischung perfekt verstanden"

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Nicht nur Franken gegen Oberbayern, auch Jung gegen Alt: Der altersbedingt abgelöste Minister Sinner und der JU-Vorsitzende Müller über Seehofers Kabinettsverjüngung.

Katja Auer

Die CSU ist gespalten. Zukunftsfähig nennen die einen Horst Seehofers 60-minus-Kabinett, Kahlschlag sagen die anderen. Stefan Müller, 33 Jahre alt und Chef der Jungen Union, will die Erneuerung fortsetzen. Eberhard Sinner, fast 64 Jahre alt und von Seehofer in den Ruhestand versetzter Staatskanzlei-Chef, plädiert für die Einbeziehung der älteren Generation.

Eberhard Sinner, 63, kritisiert die Zusammensetzung der Bayerischen Staatsregierung, er spricht von einem "Kahlschlag". (Foto: Foto: ddp)

SZ: Jetzt gibt es in der CSU nicht nur den Graben zwischen Franken und Altbayern, sondern auch einen zwischen Alt und Jung. Sind die Alten beleidigt, weil es keinen CSU-Minister über 60 gibt?

Eberhard Sinner: Das war natürlich ein K.o.-Kriterium, das draußen auf Missverständnis und manchmal auch auf Unverständnis stößt. Schließlich ist Alter keine Frage des Geburtsjahrs. Manche sehen jünger aus, als sie sind, und umgekehrt müssen manche erst so alt werden, wie sie ausschauen. Und zweitens sind 60 Lebensjahre ja kein Kriterium für den Ausstieg aus dem Berufsleben, schließlich führen wir Kampagnen gegen den Jugendwahn. Verjüngung ist notwendig, aber das Problem ist der Kahlschlag.

Stefan Müller: Sicher ist die Begründung problematisch, dass niemand über 60 im Kabinett sein solle. Aber es darf nicht immer nur darum gehen, die Anzahl der Jahre zu betonen, sondern wir müssen die Gemeinsamkeiten zwischen Alt und Jung herausarbeiten.

SZ: Aber wie wollen Sie den Leuten vermitteln, dass sie bis 67 arbeiten sollen, wenn ein Minister mit 60 in den Ruhestand versetzt wird?

Müller: Ich finde es wichtig, dass wir eine Mannschaft haben, die über 2013 hinaus Verantwortung tragen kann.

SZ: Das heißt, irgendwann darf es schon wieder Minister über 60 geben?

Müller: Wir hatten eine Sondersituation, und angesichts der Herausforderungen und der Situation, in der sich die CSU befindet, war das der einzig richtige Schritt.

SZ: Herr Sinner, Sie sind einer Sondersituation zum Opfer gefallen.

Sinner: Ich sehe das mit der Sondersituation nicht so dramatisch. Aber das wird man dann am Wahlergebnis sehen. Es wird schon schwierig sein, dem älteren Teil der Bevölkerung das klar zu machen: Die sollen teilhaben, die wollen teilhaben, die sollen nicht nur Bestandteil einer Seniorenpolitik sein, die sich mit Betreutem Wohnen und sonstigem auseinandersetzt. Die Generation über 60 will nicht nur am Katzentisch der Politik sitzen, sondern auch am Kabinettstisch.

Müller: Wobei wir in der CSU nicht das Problem haben, dass sich die ältere Generation zu wenig wiedergefunden fühlen muss. Zum einen, was die Mitglieder angeht. Aber auch was die Funktions- und Mandatsträger angeht, ist es ja nicht von der Hand zu weisen, dass die Zahl der über 60-Jährigen deutlich größer ist als die der unter 35-Jährigen.

SZ: Trotzdem spiegelt die Regierungsmannschaft nicht den demographischen Zustand der Bevölkerung.

Müller: Diese Staatsregierung braucht jetzt fünf Jahre Zeit, damit wir bei der nächsten Wahl wieder ein deutlich besseres Ergebnis haben.

SZ: Muss Seehofer nächstes Jahr auch abtreten, wenn er 60 wird?

Sinner: Das wäre natürlich nicht die Kontinuität, die wir brauchen. Seehofer macht eine gute Figur, aber ich verweise trotzdem auf eine Regierungsbildung, die parallel läuft, nämlich die von Barack Obama in den USA. Der zeigt, dass man sehr wohl Senioren unterbringen kann: Sein Vizepräsident Joe Biden ist 65, Hillary Clinton ist als Außenministerin im Gespräch, sie ist 61, Bill Richardson, der Gouverneur von New Mexico, ist genauso alt. Als Finanzminister wird sogar Warren Buffett diskutiert, der ist um die 80. Die Erfahrung ist einfach etwas, das man nicht vernachlässigen kann.

SZ: Das müssen Sie ja sagen, Sie waren der Älteste im Kabinett.

Sinner: Ich beklage mich ja gar nicht, ich akzeptiere das. Es geht nur um die Frage, wie man den großen Teil der Bevölkerung integrieren kann, und dass man nicht nur sagen darf: Wir brauchen eure Stimmen, aber an der Gestaltung der Politik habt ihr nichts mitzureden.

Müller: Ich glaube aber, dass die USA da als Beispiel für Bayern nicht taugen. Dort ist die Erwartung, dass Ältere in Regierungsämtern an exponierter Stelle sitzen größer als in Deutschland. In den USA gab es bis vor einigen Jahren einen Senator, der fast 100 Jahre alt war. Das wäre in Deutschland undenkbar. Mein Eindruck ist, dass gerade die Älteren erwarten, dass es eine ständige Erneuerung gibt. Das belegen ja auch die Demoskopen, die uns sagen, dass junge Kandidaten gut von gleichaltrigen, aber auch von älteren Wählern gewählt werden. Am Ende kommt es doch darauf an, welche Politik eine Partei für eine bestimmte Altersgruppe macht und nicht, wie viele Vertreter dieser Altersgruppe daran aktiv beteiligt sind.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer die CSU künftig über die 50 Prozent heben soll und was die Jungen besser können als die Alten.

SZ: Aber läuft die CSU nicht Gefahr, die Rentner als wichtige Wählergruppe zu verlieren? Wie die jungen Frauen, die die CSU nicht mehr wählen wollten, weil sie sich nicht vertreten fühlten.

Stefan Müller, 33, verteidigt die Kabinettsverjüngung und verweist auf die Sondersituation, die eine solche Entscheidung notwendig gemacht habe. (Foto: Foto: ddp)

Müller: Das hat weniger was mit persönlicher Vertretung zu tun, sondern damit, ob sich die jeweilige gesellschaftliche Entwicklung in der Politik der Partei wiederfindet.

Sinner: Im Falle der Rentner mag das schon sein, aber die jungen Frauen hat vor allem die Bildungspolitik bewegt. Es geht mir ja gar nicht darum, die Verjüngung in Frage zu stellen, sonst geht es ja nicht weiter. Aber trotzdem: Obama hat die Mischung perfekt verstanden. McCain dagegen, der hat sich die Palin dazugeholt. Und da hat man schon gesehen, dass Jugend nicht immer für Kompetenz und Qualität steht. Oder jetzt bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Geschäftsführer, der Norbert Röttgen, der hat uns die Geschichte mit der Pendlerpauschale eingebrockt. Das wäre dem Wolfgang Bötsch mit 70 Jahren nicht passiert. Ich will damit sagen: Die Mischung macht's, aus Jugend und Erfahrung.

SZ: Wie hätte denn Ihr Kabinett ausgesehen?

Sinner: Jeder, der ein Kabinett macht, macht das anders, und derjenige, der es macht, hat das absolute Recht, es so zu machen, wie er will, und er muss das noch nicht mal begründen.

SZ: Aha, und wie lautet die Konsequenz für die CSU?

Sinner: Die Frage ist: Wie kann sich eine Volkspartei wieder öffnen? Das bedeutet Teilhabe, das ist der entscheidende Punkt. Da müssen Frauen teilhaben, da müssen Senioren teilhaben, da muss die Jugend teilhaben. Wenn Milieus sich ändern, dann gibt's die Stammtische nicht mehr, dann gibt es den vorpolitischen Raum nicht mehr. Dann gibt es Communities, die sich anders organisieren. Im Internet zum Beispiel. Damit kann man stark an den Wähler rankommen.

SZ: Herr Müller, das klingt ganz schön jugendlich, oder?

Müller: Kein Widerspruch. Mir ist wichtig, dass wir jetzt nicht den Eindruck erwecken, als hätten wir ein paar Personalentscheidungen getroffen und damit die Aufarbeitung dieses Wahlergebnisses abgeschlossen. Denn eigentlich geht die Arbeit erst los. Wir müssen uns überlegen: Gibt es inhaltlichen Erneuerungsbedarf und gibt es Positionen, die vielleicht nicht mehr zeitgemäß sind? Die CSU hat ja solche Prozesse schon hinter sich gebracht, zum Beispiel in der Familienpolitik vertreten wir heute sehr moderne und progressive Positionen.

SZ: Ist jetzt die Seniorenpolitik dran?

Sinner: Die Senioren sollen sich einbringen. Ich stelle mich auch der Jungen Union als Senior Advisor zur Verfügung. Partizipation ist ein entscheidender Teil einer Volkspartei. Bei den Bürgergutachten habe ich festgestellt, wenn man die Bürger anspricht zur Mitmachdemokratie, dass dann wesentlich mehr mitmachen, als man sich erträumt hätte. Die muss man nur ernst nehmen und darf keine Sandkastenspiele veranstalten.

SZ: Wer hebt die CSU über 50 Prozent? Die alten oder die jungen Wähler?

Müller: Das geht nur gemeinsam.

SZ: Es gibt mehr alte CSU-Wähler.

Sinner: Ja natürlich und deswegen sollten ja die Älteren in wichtigen Funktionen berücksichtigt werden.

SZ: Was können die Jungen besser?

Müller: Ich würde nicht sagen, dass die einen besser sind als die anderen. Es gibt ältere erfahrene Politiker, die sind im Denken jünger als mancher Jungpolitiker. Eberhard Sinner ist dafür ein Beispiel.

SZ: Worin sind die Alten besser?

Sinner: Ich bin Forstmann und vergleiche das mal mit dem Wald, der ständig in Veränderung ist. Da gibt es eine ständige Verjüngung, aber wenn alle alten Bäume weggehackt werden, ist das auch kein Erfolg für die Forstwirtschaft. Es braucht alten Bestand und viel Jungwuchs, um das Bild von einem harmonischen Wald darzustellen.

© SZ vom 19.11.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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