CSU nach dem Glos-Rücktritt:Seehofers Notoperation

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Die Berufung von Karl-Theodor zu Guttenberg als Nachfolger von Minister Michael Glos zeigt: Der CSU fehlen erfahrene Wirtschaftspolitiker. Und ein einiges Profil, das die Partei als Koalitionspartner bräuchte.

Peter Fahrenholz

CSU-Chef Horst Seehofer ist zeit seines Lebens ein politischer Spieler gewesen. Stets hat er sein Blatt bis an die Grenze auszureizen versucht und dabei auf die eigene Nervenstärke vertraut und auf seine Chuzpe, auch eine Niederlage noch als Sieg zu verkaufen.

Züge einer Notoperation: CSU-Chef Horst Seehofer schickt Generalsekretär zu Guttenberg als Glos-Nachfolger nach Berlin. (Foto: Foto: Reuters)

In kritischen Situationen setzt er meistens auf Bauchsteuerung und gibt auf seinen Instinkt mehr als auf rationale Argumente. Zugleich ist Seehofer, was bei einem politischen Raufbold seiner Gewichtsklasse paradox anmutet, bei Personalentscheidungen erstaunlich konfliktscheu.

Mit dieser brisanten Mischung aus durchaus richtigen Erkenntnissen, einer bemerkenswerten Inkonsequenz und einem gehörigen Schuss dessen, was in Bayern als Hinterfotzigkeit gilt, betreibt Seehofer jetzt seit Monaten die Erneuerung der CSU.

Zu den richtigen Erkenntnissen gehört, dass die CSU nach Jahren der Erstarrung unter dem autokratischen Regime von Edmund Stoiber dringend eine personelle Erneuerung auf vielen wichtigen Positionen braucht. Doch Seehofer hat die Gunst der Stunde, als er in einem Akt kollektiver Unterwerfung zum Retter der CSU gekürt wurde und jeden Preis hätte verlangen können, nur halbherzig genutzt.

Statt einen umfassenden Neubeginn zu wagen, hat er sich alle möglichen faulen Kompromisse aufschwatzen lassen. Um anschließend bei denjenigen, von deren Qualitäten er nicht überzeugt war, auf gezieltes Mobbing zu setzen.

Der Europaabgeordnete Markus Ferber und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer haben sich gegen die ständigen Nadelstiche ihres eigenen Parteichefs gewehrt. Wirtschaftsminister Michael Glos dagegen hat die Nerven verloren. Das spricht zwar nicht für die politischen Qualitäten von Glos, aber es war wenigstens ehrlich.

Das Glos-Desaster fällt deshalb auf Seehofer zurück. Es ist die Quittung für einen Führungsstil, den viele in der CSU inzwischen für mindestens ebenso unangenehm halten wie die herrische Attitüde von Edmund Stoiber. Wo Stoiber Befehle erteilt hat, inszeniert Seehofer erst noch einen Scheindialog, ohne wirklich auf die Ratschläge zu hören, die ihm dabei erteilt werden.

Diese Fehler haben sich jetzt gerächt. Denn die Berufung von Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg zum Glos-Nachfolger trägt alle Züge einer Notoperation. Guttenberg ist keineswegs der geborene Anwärter, er kommt vor allem deshalb zum Zuge, weil jede andere Lösung noch größere Löcher aufgerissen hätte.

Hätte Seehofer beispielsweise seinen Finanzminister Georg Fahrenschon nach Berlin geschickt, wäre er zu einer größeren Umbildung seines Münchner Kabinetts gezwungen gewesen, ganz abgesehen davon, dass Fahrenschon angesichts des Debakels der BayernLB auf seinem jetzigen Posten unentbehrlich ist. Auch für Landesgruppenchef Ramsauer hätte es keinen gleichwertigen Ersatz gegeben, außerdem sträubte sich der Mann mit allen Kräften gegen eine Abordnung ins Kabinett. Es wäre mithin nur ein Null-Bock-Minister durch einen anderen ersetzt worden.

Wie groß die Not der CSU ist, zeigt sich daran, dass Seehofer lieber das Risiko in Kauf nimmt, kurz vor zwei wichtigen Wahlen den Generalsekretär auszutauschen und durch ein unerfahrenes Duo zu ersetzen, das jetzt aus dem Stand zwei schwierige Wahlkämpfe managen muss.

Nicht nur eine Sache der CSU, sondern der gesamten Union ist indes, wie mit dem wichtigen Wirtschaftsministerium umgegangen wird. Das ganze Dilemma von CDU und CSU zeigt sich schon am Versuch Seehofers, den CSU-Schatzmeister und Unternehmer Thomas Bauer als künftigen Minister zu gewinnen, was Glos mit seinem Rücktrittsmanöver durchkreuzt hat: Es gibt dort keinen Wirtschaftspolitiker von Format, dem man unbesehen das in Sonntagsreden gerne beschworene Erbe Ludwig Erhards anvertrauen könnte.

Guttenberg ist ohne jeden Zweifel eines der größten politischen Talente der CSU, aber wirtschaftspolitisch ist er ein unbeschriebenes Blatt. Mitten in der größten Wirtschaftskrise seit dem Krieg vertrauen CDU und CSU das Amt des Wirtschaftsministers einem, wenn auch begabten, Novizen an. Auch das ist eine politische Botschaft, wenn auch keine schmeichelhafte für die Union, die sich für die Erfinderin der sozialen Marktwirtschaft hält.

Nicht für alle Nöte kann Seehofer allerdings etwas. Er ist zu einem überstürzten Generationenwechsel gezwungen, weil sein Vor-Vorgänger Stoiber die natürliche, schrittweise Erneuerung zehn Jahre lang verschlafen hat. Und er muss dabei auf sehr junge Kräfte setzen, weil sich in der Generation der 45- bis 50-Jährigen im Schatten der Stoiber-Truppe keine politischen Talente entfaltet haben. In dieser Altersgruppe hat die CSU allenfalls Mittelmaß zu bieten.

Eigentlich müsste vor der CSU-Zentrale ein Schild stehen, wie man es im Sommer häufig vor italienischen Museen findet: Chiuso per restauro - wegen Renovierung geschlossen. In ihrem derzeitigen Zustand ist die CSU in keiner denkbaren Koalition ein kalkulierbarer Partner. Das kann in ein paar Jahren wieder anders aussehen, falls die Rosskur anschlägt. Und dann wird Horst Seehofer mit seinem typischen Lächeln dastehen und sagen, dass er das von Anfang an so geplant hat.

© SZ vom 10.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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