CSU: Markus Söder in Berlin und Brüssel:Der Generalsekretärsminister

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Er ist ehrgeizig, aber unbeliebt und hat ein Amt, das ihn so reizt, wie ein Botschaftsposten in Botswana. Dennoch fügt sich Bayerns Europaminister Markus Söder geschickt in die neue Rolle und arbeitet mit Raffinesse auf sein Ziel hin: noch mehr Macht.

Birgit Kruse

In Markus Söder brodelt es, aber das lässt er sich nicht anmerken. Nur seinen Bierkrug stellt er eine Spur zu heftig auf den Tisch. In der Bayerischen Vertretung in Berlin feiert man an diesem Abend den "Tag des Bieres". Dass CSU-Vize Horst Seehofer und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier von der SPD am Ehrentisch in die Kameras lachen, bekommt Söder nur aus der Entfernung mit. Sein Haus hat vergessen, ihn am Promi-Tisch zu platzieren. Als Söder dann ans Rednerpult tritt, hat er sich längst wieder im Griff und die Lacher auf seiner Seite.

Bayerns Europaminister Markus Söder will in Berlin und Brüssel punkten. Nur "Bayerns Briefträger" will er nicht sein. (Foto: Foto: www.seyboldtpress.de)

Söder am Katzentisch. Das stinkt ihm. Er steht lieber im Mittelpunkt. Dafür ist ihm fast nichts zu peinlich. So wie er sich einst als Chef der CSU-Medienkommission für das Sandmännchen stark gemacht hat, kämpf er jetzt für den fränkischen Bocksbeutel. Und wer kommt sonst schon auf die Idee, in der Bayerischen Vertretung in Brüssel einen Maibaum aufstellen zu lassen? Dass Journalisten den Baum gestohlen haben, kommt ihm nur gelegen. Bereitwillig gibt er ein Maibaum-Interview nach dem anderen.

Was kümmert ihn da die Kritik aus der Partei. Kaum einer ist in der CSU so unbeliebt wie der 41-Jährige. Noch heute feixen seine Parteifreunde, er sei einstimmig gewählt worden - mit der einen Stimme von Edmund Stoiber. Denn in der CSU gilt der Grundsatz: Den Generalsekretär bestimmt der Parteichef. Solche Lästereien ist Söder gewohnt. "Wenn man beliebt sein will, ist Generalsekretär sicher die falsche Stellenbeschreibung", sagt er. Zu jedem Amt gehöre eine Rolle und als Generalsekretär habe man nur zwei Alternativen: gefällig oder gefährlich sein.

"Sehr pianissimo"

In der alten Rolle wäre Söder gerne so gefährlich gewesen wie sein Idol Stoiber. Nun aber muss er mit Argumenten überzeugen. Als Europa- und Bundesratsminister ist er oft in Berlin und Brüssel und damit weit weg vom aufgeschreckten Hauptquartier in München. Derzeit rutscht die CSU in Umfragen immer weiter nach unten - und braucht womöglich bald neue Spitzenkräfte. Was für Söder heißt: Die CSU wird ihn noch einmal dringend brauchen, wofür auch immer.

Als Stoibers Abgang unabwendbar wurde, kämpfte "der letzte Stoiberianer", wie sich Söder nennt, längst darum, dem nächsten Kabinett anzugehören. Der neue Ministerpräsident Günther Beckstein erfüllte seine Hoffnungen - allerdings anders als erträumt. Ausgerechnet dem Wadlbeißer der Partei gab Beckstein ein Amt, in dem diplomatisches Geschick und Sachverstand gefragt sind: Europaminister. Ein Job, den Söder ungefähr so spannend fand wie den eines Botschaftssekretärs in Botswana.

Er wollte ein eigenes Ressort, Wirtschafts- oder Umweltminister werden. Jetzt ist er in der Staatskanzlei gewissermaßen Becksteins Untermieter. Doch schon wenige Tage nach der Berufung ins Kabinett schwärmte Söder öffentlich vom Amt des "bayerischen Außenministers". Unter den Christdemokraten in Berlin war man allerdings noch skeptisch. Der ehemalige Radiojournalist galt als laut und krawallig, Substanz traute ihm keiner zu. Und doch wäre Söder nicht Söder, wenn er sich nicht auch hier rasch auf die neue Rolle eingestellt hätte. Jetzt hört man ganz andere Töne in der Hauptstadt. Söder gehe "sehr pianissimo" und mit "Augenmaß" an die Themen heran, heißt es.

Lesen Sie, über den Reiz von Söders neuer Aufgabe und warum er zu den Nachwuchstalenten in der CSU zählt.

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:Lebensminister Söder

Auch Söder hat den Reiz seiner neuen Aufgabe erkannt. Als Bundesratsminister kann er sich ein eigenes Netzwerk außerhalb Bayerns aufbauen. Kontakte, die ihm noch einmal hilfreich sein werden. In den Pressekonferenzen vor den jeweiligen Bundesratssitzungen streut Söder in gewohnter Manier geschickt Randbemerkungen zu jedem politischen Thema ein. Eigentlich müsste hier die Generalsekretärin Christine Haderthauer wirken - ihr gräbt Söder damit das Wasser ab und bleibt selber in den Schlagzeilen.

Und noch einen Vorteil hat es, als Bevollmächtigter des Freistaates im Bund unterwegs zu sein: Im Bundesrat sitzt Söder direkt neben Beckstein. Wieder hat er es geschafft, dem Mächtigsten im Freistaat ganz nahe zu sein. In der CSU ist es vielen ein Rätsel, dass jetzt ausgerechnet Beckstein die Rolle des Söder-Förderers übernommen hat. Viele dachten, mit Stoiber stürze auch Söder. Denn den Ministerpräsidenten und seinen Europaminister trennen Welten: Der eine holt sich seine Anzüge im Lagerverkauf, der andere genießt als Beau der CSU das Rampenlicht. Doch wie es aussieht, wird Söder den Nürnberger CSU-Bezirk von Beckstein übernehmen und damit eine eigene Hausmacht bekommen - endlich.

Doch jetzt ist erstmal Berlin angesagt. Hier im Bundesrat fühlt sich Söder wohl, treffen sich hier doch "viele Spitzenkräfte der deutschen Politik" wieder, und als Spitzenkraft hat sich Söder schon immer eingestuft. Mit den Gepflogenheiten des Hauses hat er allerdings noch zu kämpfen. Zwischenrufe sind tabu. Gerade dem Lautsprecher der CSU fällt das Schweigen schwer. Während seine Kollegen über die Pflegereform reden, tippt Söder unentwegt SMS in sein Handy. Und während in München eine neue Umfrage die CSU erschüttert, lümmelt er in seinem Ledersessel.

Sein eigentliches Talent ist der Umgang mit Menschen. Als er in der milden Frühlingssonne unter den Linden auf der Terrasse des Berliner Luxushotels "Adlon" sitzt, kommt zufällig eine Gruppe fränkischer Touristen vorbei. Im Handumdrehen steht Söder für ein Erinnerungsfoto mitten unter ihnen und erzählt, wie schön es sei, Menschen aus der Heimat zu treffen. Auch in seiner Funktion als Europaminister ist Söders Ehrgeiz unübersehbar. "Neue Akzente" will er setzen und bayerische Themen europäisieren. Nur "Bayerns Briefträger" zu sein, das ist ihm zu wenig. In Brüssel sind sich viele sicher, dass ihm das gelingen wird. Telegene Selbstdarsteller seien auf europäischer Bühne rar, heißt es. Doch auch Söder ist klug genug, um zu wissen, dass Polit-PR für den Weg nach ganz oben allein nicht reicht. Deshalb setze er jetzt auch auf "inhaltliche Konzepte".

Gassi mit Fanny

Die Zeit arbeitet für ihn. Ministerpräsident Beckstein und Parteichef Erwin Huber sind über 60 Jahre alt. Ein schlechtes Wahlergebnis im Herbst könnte ihre Amtszeit erheblich verkürzen. Vor allem jüngere Leute wären dann gefragt - die rar sind in der CSU. Unter den 40-Jährigen zählt Söder zu den wenigen Politikern, die erfahren sind. "Söder kann sich jeder Rolle glaubhaft bemächtigen", sagt ein Parteifreund. Spekulationen über seine Zukunft weicht er aus. Lieber erzählt er von seinem neuen Hund Fanny, mit dem er nachts immer Gassi gehen muss.

Nur ganz vorsichtig deutet er an, dass er nicht 20 Jahre lang bayerischer Europaminister sein wolle. Aber das ist ohnehin klar, dass das Amt für ihn ein Durchgangsposten ist.

© SZ vom 30.04.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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