CSU-Mann Markus Ferber:Ein Ehrgeiziger im Exil

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Nach dem Wahldebakel im September bangt Markus Ferber, der überzeugteste Europäer der CSU, um seinen Job. Dabei gilt der Schwabe als blitzgescheit und polyglott.

Mike Szymanski

Hinter den spiegelnden Glasfassaden des Europäischen Parlaments in Straßburg ist Markus Ferber eine große Nummer. Auf den langen Fluren kennt man den Chef der Europaabgeordneten der CSU.

"Dieses Mal geht es um sehr viel": Markus Ferber muss als Chef der bayerischen Abgeordneten die CSU in die Europawahl führen. (Foto: Foto: dpa)

Es ist Sitzungswoche, mehr als 700 Parlamentarier sind mit ihrem Hofstaat in der Stadt. In der Abgeordnetenbar im Parlament sind kaum noch Plätze frei. Als Ferber den Raum betritt, ruft ein Grieche: "The Bavarian Imperialist" und hebt die Hand zum Gruß. Solche Empfänge gefallen dem Machtmenschen aus Bayern.

Im fernen Bayern kann Ferber davon nur träumen. Da ist der 43-jährige Schwabe aus Bobingen bei Augsburg schon froh, wenn Parteifreunde ihn ins Wirtshaus einladen, um über Europapolitik zu diskutieren. Daheim denkt man noch, die große Politik wird in München und Berlin gemacht. In dieser Reihenfolge. Aus Brüssel will man lieber nichts hören - schon gar nichts Störendes. Das ist Ferbers Problem. Und das ist auch seine Chance. Im Juni ist Europawahl. Bei dieser Wahl braucht die CSU mehr denn je einen, der Stimmen erobern kann.

Die CSU muss fürchten, aus dem Europaparlament herausgewählt zu werden. Denn alles hängt von der Wahlbeteiligung ab. Die CSU muss bei der Europawahl bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Weil sie nur in Bayern gewählt werden kann, muss ihr Ergebnis hier entsprechend hoch ausfallen. 41 Prozent plus X hat Ferber als Zielmarke vorgegeben. Früher machte sich darüber niemand Sorgen. Seitdem die CSU aber bei der Landtagswahl auf 43 Prozent abstürzte, liegen die Nerven blank. "Dieses Mal geht es um sehr viel", sagt Ferber. Wenn Europa wählt, sind die Bayern nämlich in den Pfingstferien.

Ihm ist jetzt die Aufgabe zugefallen, die CSU in Europa vor der Bedeutungslosigkeit zu retten. Es ist 13 Uhr an diesem Dienstag. Die neun Europa-Abgeordneten der CSU treffen sich zur Sitzung. Zu seiner Linken sitzt Angelika Niebler, zur Rechten Ingo Friedrich. Zwei enge Vertraute. Dann bleiben erstmal Plätze frei. "Heute funktioniert nur das Chef-Mikro", sagt Ferber. "Ich finde das angemessen." Dann folgt eine Sitzung, in der nur noch wenig gelacht wird, wie Teilnehmer später berichten.

Im Juni könnte sich rächen, dass die CSU immer Europa zum Feind erklärt hatte. Aus Europa kam angeblich nur Schlechtes, ausgeheckt von regelungswütigen Bürokraten. Edmund Stoiber schürte in seiner Zeit als Ministerpräsident Vorbehalte gegen die EU. Neuerdings gibt er zwar den Spätberufenen, den Europa-Freund, und will sich als Europa-Entbürokratisierer nützlich machen. Aber dieser Kurswechsel kommt viel zu spät.

Zudem rücken Themen auf die Agenda, die Ferber im Wahlkampf nicht gebrauchen kann. Die EU kürzt Beihilfen für die Landwirte. Die CSU wird die bayerischen Milchbauern, die mit ihren kleineren Höfen Wettbewerbsnachteile haben, auf Dauer kaum vor den Kräften des Marktes schützen können.

Wahlkampf in der Krise

Jetzt schon macht sich auf dem Land Existenzangst breit. Die Landwirte hatten bei der Landtagswahl schon ihren Frust über fallende Preise an der CSU ausgelassen. Und jetzt gilt es, die Weltwirtschaftskrise zu meistern: Im Parlament wird diskutiert, ob man Autobauern strengere Klimaschutzauflagen machen könne. "Die Leute fragen sich, gibt es meine Firma im nächsten Jahr noch. In diesem Klima müssen wir Wahlkampf machen", sagt Ferber.

Zuletzt hatte die CSU 1994 derart um ihren Einzug ins Europaparlament gebangt. Es war die Wahl nach den Amigo-Affären, und die Partei rechnete mit einer Abreibung. Es ging noch einmal gut. Ferber zog mit 29 Jahren als junger Abgeordneter ins Europäische Parlament ein.

Seit 1999 steht er an der Spitze der CSU-Europagruppe. Sie versteht sich als Talentschuppen der Partei. "Frech, vorlaut, kompetent", urteilte mal ein SPD-Mann in Brüssel. Ferbers Leute besetzen überproportional viele der einflussreichen Sprecherposten. Vor zwei Jahren verlieh das Parliament Magazine Ferber den Titel "Europaabgeordneter des Jahres". In München muss er trotzdem beweisen, was er kann. Dort liest man solche Hefte nicht.

Wenn es Ferber gelingt, die Stellung zu halten, dürfte ihm in München bald niemand mehr Karrierewünsche abschlagen können. Eigentlich war Ferber schon auf dem Absprung. Bei den beiden vergangenen Kabinettsumbildungen fiel im Vorfeld auch immer Ferbers Name. Und in einem Atemzug Attribute wie jung, blitzgescheit, talentiert und polyglott.

Ferber traut sich grundsätzlich alles zu. Als er 2005 seinen 40. Geburtstag feierte, sagte er in seiner Ansprache: "Ich habe noch viel vor." Er ist schwäbischer Bezirksvorsitzender. Dass er aber bis heute nicht zum Minister befördert wurde, liegt am Widerstand der mächtigen Landtagsfraktion. Aus deren Sicht ist Ferber immer schon ein Ehrgeizling gewesen. Ein Drängler, den man bremsen muss. Die Fraktion duldet keine Konkurrenz um die wenigen Spitzenjobs.

Nach Stoibers Abgang trauten sich weder Erwin Huber noch Günther Beckstein, sich mit ihrer Fraktion anzulegen und Ferber gegen deren Willen zu berufen. "Einmal Europa, immer Europa", sagt er. Es klingt wie eine Kapitulation. Zuletzt hatte er auf Horst Seehofer gehofft, den neuen starken Mann der CSU. Der aber braucht ihn jetzt erst recht in Brüssel. Ferber muss sich gedulden.

Gelernt hat der Familienvater das nicht. Sein Lebenslauf ist der eines Aufsteigers, der ohne Umwege zum Erfolg kommen will. Er studierte Elektrotechnik. Mit 25 Jahren fing er bei Siemens an. Politik lernte er wie ein Handwerk, erst bei der Jungen Union, dann im Stadtrat und im Kreistag. Bald durfte er nach Straßburg. Den Spitzenplatz der bayerischen Europaliste, die im Januar aufgestellt wird, beansprucht er selbstverständlich für sich.

Als er am Abend vor einer Schulklassen aus Friedberg referiert, die ihn in Straßburg besucht, gibt er den Weltpolitiker. Ferber ist kein Thema zu schwierig: Georgien-Konflikt, Raketen-Abwehrschild, Krümmungsgrad von Gurken. Es spricht wieder der Drängler in ihm.

© SZ vom 24.11.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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