CSU: Kampf um die Becksteinnachfolge:Zwei Davids gegen Goliath

Lesezeit: 4 min

Vor der entscheidenden Sitzung im Bezirk Oberbayern strampeln die Minister Goppel und Herrmann, doch die CSU-Mehrheit will Horst Seehofer als Regierungschef.

unseren Korrespondenten

Einer hat bereits zurückgezogen, Georg Schmid, der Fraktionschef der CSU im Landtag. Er habe erkannt, "dass ich am besten in meiner bisherigen Funktion als Fraktionsvorsitzender zur notwendigen Geschlossenheit beitragen kann", teilte er am Freitag mit und nahm seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten zurück.

Thomas "David" Goppel (links) und Joachim "David" Herrmann gegen Horst "Goliath". (Foto: Fotomontage: sueddeutsche.de)

In der CSU werden nun die Stimmen laut, die keine hausgemachte Lösung für Bayerns höchstes Amt aus der CSU-Fraktion wollen. Immer mehr sprechen sich zugunsten von Horst Seehofer in der Doppelfunktion des CSU-Vorsitzenden und des bayerischen Ministerpräsidenten aus. Schon haben die Oberpfälzer und die Niederbayern für Seehofer votiert. Die entscheidende Sitzung aber steht am Samstag im Bezirk Oberbayern an.

Und doch ist längst nicht klar, wer am kommenden Mittwoch von der CSU-Landtagsfraktion für das Amt des bayerischen Regierungschefs nominiert wird. Denn entscheidend ist nicht, wer momentan die meisten Fürsprecher hat. Sollten sich Thomas Goppel und Joachim Herrmann, die verbliebenen Kandidaten, untereinander einigen, wird Seehofer gar nicht erst antreten. So hat er es zumindest angekündigt. Inzwischen machen die beiden kräftig Werbung in eigener Sache. So sagte Herrmann, er sei grundsätzlich für eine Doppelspitze, weil der Parteivorsitzende in Berlin sein müsse und nächstes Jahr die Bundestagswahl anstehe. Und auch Goppel warb für sich. Am Samstag trifft sich die Spitze der oberbayerischen CSU: "Da werden wir sehen, ob wir eine Lösung finden und ob wir es ohne eine Kampfabstimmung hinkriegen", betonte Goppel.

Die nur mehr 92 Abgeordneten der CSU sind unterdessen recht ratlos in das verlängerte Wochenende gefahren. Denn es ist längst nicht so, dass die Meinungen in den Bezirken einhellig sind. Niederbayern und die Oberpfalz haben eine "Tendenz für Seehofer" zu erkennen gegeben. Und die Oberbayern treten am heutigen Samstag zu einer Klausur zusammen, um über die Kandidaten-Frage zu entscheiden. Momentan zeichnet sich eine Mehrheit für Seehofer ab. Klaus Stöttner, der Vorsitzende des größten CSU-Kreisverbandes in Rosenheim, wiederholte sein Votum für Seehofer. "Bayern war am stärksten, als beide Ämter in einer Hand waren", sagte er.

In jedem CSU-Verband findet sich aber auch einer, der von der herrschenden Meinung abweicht. Wie Bernd Weiß in Unterfranken. "Ich stehe zur Seehofer-Lösung", sagt er, während sich seine Kollegen, allen voran Staatskanzleichef Eberhard Sinner, für Goppel als Ministerpräsidenten stark machen. "Die Partei braucht ein Machtzentrum, an dem sie sich ausrichten und auch wieder aufrichten kann", sagt Weiß. Das sei keine Entscheidung gegen die anderen Kandidaten.

Auch im restlichen Franken finden sich unterschiedliche Meinungen. Zwar unterstützen die Mittelfranken ihren Bezirkschef Herrmann, manch einer glaubt dennoch, dass es am Ende auf Seehofer hinauslaufen wird. "Man soll die CSU nicht unterschätzen, wir sind sehr wohl in der Lage, uns zusammenzuraufen", sagt der Hofer Alexander König. CSU-Vize und Justizministerin Beate Merk aus Schwaben spricht sich offen für Seehofer aus: "Die Partei braucht Stärke und Kraft. Deshalb sollten jetzt beide Ämter in einer Hand bleiben", so Merk.

Erfahren Sie auf Seite zwei mehr über die Kandidaten Goppel und Herrmann.

Kandidat Goppel

Die Abgeordneten tun sich deshalb so schwer, weil die Kandidaten Goppel und Herrmann beide nicht wirklich überzeugend sind. Goppel hat als Wissenschaftsminister keine eigenen Akzente zu setzen vermocht. Er war ein treuer Soldat von Edmund Stoiber, der ausführte, was ihm der Regierungschef auftrug, ob es nun um Etat-Kürzungen an den Hochschulen oder die Einführung von Studiengebühren ging.

Für eigene Visionen fehlte es Goppel an gedanklicher Schärfe. Sein Hang, sich in bildreichen Ausführungen zu verlieren, steht beispielhaft dafür. Er führte immer wieder zu Missverständnissen, da selbst Professoren seinen Sätzen keinen Sinn entnehmen konnten. Wie wenig Stoiber Goppel in der Sacharbeit zutraute, zeigt, dass er ihm anfangs als Amtschef seinen ehemaligen Pressesprecher Ulrich Wilhelm zur Seite stellte, der 2005 als Regierungssprecher von Angela Merkel nach Berlin ging.

Goppels Stärke war und ist seine Vernetzung an der Basis. Wenn er um Mitternacht nach Hause kommt, beantwortet er persönlich noch ein Dutzend E-Mails. In der CSU heißt es, er stehe zu jedem Bürger in seinem Stimmkreis in Briefkontakt. Nur so erklärt sich auch, weshalb er jetzt eines der besten Wahlergebnisse für die CSU in Oberbayern eingefahren hat. Doch so tief er an der Basis verwurzelt ist, so misstrauisch stehen ihm die Funktionäre im Mittel- und Oberbau seiner Partei gegenüber.

Für diese Kritiker gilt er als schwer verständlich und schwer berechenbar. Wie sehr er von den Funktionären in der Oberbayern-CSU abgelehnt wird, zeigte seine Niederlage im Kampf um den Bezirksvorsitz von Oberbayern im Juni 2007. Obwohl sich Stoiber in seiner Rede unverhohlen für Goppel ausgesprochen hatte, setzte sich der wenig charismatische Kultusminister Siegfried Schneider durch. Seit dieser Niederlage galt Goppel in der CSU als Auslaufmodell, sein immer wieder geäußerter Wunsch, einmal Ministerpräsident wie sein Vater zu werden, schien für immer vorbei.

Kandidat Herrmann

Joachim Herrmann hat in seiner mittelfränkischen Heimat gerade eine deftige Niederlage erlitten. Auf Rang zwei der CSU-Liste angetreten, fiel er bei der Landtagswahl auf Rang fünf zurück - Herrmann konnte weniger Stimmen auf sich vereinigen als so unbekannte fränkische Abgeordnete wie Gerhard Wägemann oder Hans Herold. Sogar Gabriele Pauli von den Freien Wählern gelang es, den Innenminister zu überflügeln.

Der Erlanger Herrmann, der als Jurist lange Zeit für Siemens tätig war, betont derzeit seine oberbayerischen Wurzeln - er sei in München geboren und anders als der Franke Beckstein "römisch-katholisch". Auf den Rückhalt aller fränkischen Abgeordneten kann sich Herrmann beileibe nicht verlassen. Von elf unterfränkischen CSU-Abgeordneten haben zehn ihre Zustimmung für den in Aschaffenburg geborenen Thomas Goppel bereits erkennen lassen.

Auch der Nürnberger CSU-Verband steht nicht voll hinter Herrmann. Bezirkschef Markus Söder macht aus seiner Präferenz für Seehofer keinen Hehl mehr. Herrmann, heißt es selbst in Franken, sei zwar ein guter Moderator - für einen Ministerpräsidenten allerdings viel zu blass. In seiner Zeit als CSU-Fraktionschef habe er außerdem das Abstimmungsdesaster über das Ladenschlussgesetz zu verantworten gehabt.

© SZ vom 04.10.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: