CSU in Nürnberg:Hauptsache beleidigt

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Ein CSU-Politiker wird kritisiert, ein CSU-Polizist konfisziert das Plakat, ein CSU-Staatsanwalt klagt an - wie sich die Justiz in Nürnberg selbst überlastet.

Olaf Przybilla

Der Verdacht, dass die Nürnberger Justiz zu wenig zu tun hat, liegt nicht nahe in diesen Tagen. Vergangene Woche erst hat die bayerische Justizministerin Beate Merk zwei Staatsanwälte in den Nürnberger Justizpalast entsandt. Geklärt werden soll unter anderem, warum Rechtsanwälte immer wieder Verzögerungen und Schlampereien der Nürnberger Justiz bemängeln. Einräumen musste die Behörde bereits, dass es zuletzt "zu Rückständen bei der Eintragung von Verfahren in einer Größenordnung von rund 6000 gekommen" sei. In der Not habe man sich nicht anders zu behelfen gewusst, als Kinder von Justizangestellten zur Erfassung der Verfahren anzustellen. Man sei überlastet, erklärt die Staatsanwaltschaft, es fehle am Personal, um mit aller Konsequenz diejenigen anzuklagen, die angeklagt gehören.

Manfred Weiß, CSU (Foto: Foto: AP)

Ein Eindruck, den Peter Villhauer - ein ehemaliger Verwaltungsangestellter aus dem fränkischen Städtchen Heideck - so gar nicht bestätigen kann. Seines Falls hat sich inzwischen schon der zweite Nürnberger Staatsanwalt angenommen. Villhauer soll einen Mann beleidigt haben. Allerdings nicht irgendeinen Mann, sondern den ehemaligen Justizminister und CSU-Landtagsabgeordneten aus Mittelfranken, Manfred Weiß.

Kein Lügner in den Landtag

Villhauer hatte im Juli 2008 ein Plakat aufgestellt, das die Aufschrift trug: "Stoppt Dr. Weiß. Kein Lügner in den Landtag. Manfred Weiß hat 35 Heidecker Bürger belogen." Der Leiter der Polizeiinspektion in Hilpoltstein, Otto Hamperl, ließ das Schild beschlagnahmen. Deswegen musste sich die Staatsanwaltschaft darum kümmern. Doch Staatsanwältin Regina Zeißner stellte das Verfahren wegen Verleumdung von Personen des politischen Lebens ergebnislos ein - und stellte zudem eine Entschädigung für die Beschlagnahmung des Plakats in Aussicht.

Nachdem Villhauer diese Entschädigung beantragt hatte, bekam er Post von Thomas Regenfus, einem weiteren Nürnberger Staatsanwalt. Regenfus hat sich in Franken auch als CSU-Ortsvorsitzender von Kleinsendelbach einen Namen gemacht. Regenfus schrieb an Villhauer: Die Bearbeitung von dessen Antrag auf Entschädigung sei zurückgestellt worden, "da dies zweckmäßiger" erscheine. Denn die Staatsanwaltschaft beabsichtige, nun doch Anklage zu erheben "wegen der Verwendung des Plakats am 18. Juli 2008". Mehr als sieben Monate nach dessen Konfiszierung ist die Anklage jetzt bei Villhauer eingegangen. Sie lautet auf "Verleumdung gegen Personen des öffentlichen Lebens" - in diesem Fall eines ehemaligen Justizministers.

Wie ist es möglich, dass ein Verfahren wegen Verwendung eines Plakates von einer Staatsanwältin eingestellt wird - und danach klagt ein anderer Staatsanwalt ebendiese Verwendung an? Regenfus gibt keine Auskunft, er will nur einen Satz sagen: "Das sind zwei verschiedene Dinge." Die Erklärung, als Leckerbissen für rechtswissenschaftliche Oberseminare gut geeignet, muss ein Justizsprecher nachliefern: Die Präsentation des Plakates in Heideck stellt offensichtlich keine Verleumdung dar, weil die Anwürfe dort in "einen einzelfallbezogenen Kontext gestellt" worden sind. Man könnte auch sagen: In Heideck wissen die Leute, was es bedeutet, den dortigen CSU-Kreisvorsitzenden einen Lügner zu nennen. Im 30 Kilometer weit entfernten Nürnberg dagegen - wo Villhauer und zwei Kollegen aus Heideck das Plakat schon drei Tage zuvor beim CSU-Parteitag auf dem Messegelände zur Schau gestellt hatten - kann man davon nicht ausgehen.

Die Polizei störte es nicht

Zwar hatte an diesem Tag in Nürnberg wohl mehr als eine Hundertschaft Polizisten das Messegelände überwacht. Am Plakat aber hatte sich keiner gestört - schließlich müssen gängiger Rechtspraxis gemäß Politiker im Meinungskampf überspitzte Formulierungen aushalten. Und würde man das Wort "Lügner" - gegen einen Politiker gerichtet - als Straftatbestand werten, "dann könnten wir künftig nichts anderes mehr machen", erklärt ein ranghoher Nürnberger Polizist.

Erst drei Tage später, bei einer Veranstaltung in Heideck, nahm der besagte Inspektionsleiter Otto Hamperl - er ist CSU-Mitglied im Kreisverband von Manfred Weiß - Anstoß und beschlagnahmte das Plakat. Weiß selbst gibt den Unschuldigen: Er hätte eigentlich wegen so etwas "niemals Anzeige erstattet", erklärt er. Kurz nach der Konfiszierung freilich habe sich die Polizei bei ihm gemeldet und angefragt, ob er das nicht doch tun möchte - man werde sonst Probleme haben, die Beschlagnahmung zu rechtfertigen.

Der Grund übrigens, warum Weiß in Heideck offenbar straffrei als Lügner bezeichnet werden darf, dürfte an Kuriosität schwer zu überbieten sein. In dem Städtchen im Kreis Roth waren vor der Kommunalwahl einige bürgerliche Wähler nicht mit dem CSU-Kandidaten zufrieden. 50 Heidecker - darunter viele Unternehmer - hatten daraufhin versucht, in die CSU einzutreten. Die Partei witterte eine feindliche Übernahme und verweigerte insgesamt neun der Antragsteller die Aufnahme. Bei einer Versammlung vor 35 Heidecker Bürgern soll Weiß zuvor beteuert haben, dass jeder aufgenommen werde, der keiner anderen Partei angehöre und die CSU-Satzung anerkenne.

Auf Anfrage hat die SPD gestern angekündigt, die Causa Villhauer im Landtag zu thematisieren. Dass sich auch die beiden nach Nürnberg entsandten Staatsanwälte der Sache annehmen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Sie müssen zunächst aufklären, in welchem Ausmaß die Angestellten am Nürnberger Justizpalast die Dienstwerkstatt für Reparaturen an ihren Privatautos genutzt haben.

© SZ vom 26.03.2009/jost - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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