CSU im Europawahlkampf:"Zu viel Aber und zu wenig Ja"

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Warum sich die CSU und ihr Spitzenkandidat Markus Ferber so schwer tun, ihre Europapolitik den Bürgern zu vermitteln

Peter Fahrenholz

Das Lob tut gut, auch wenn es natürlich bestellt ist. Der Markus sei schon ein guter Mann, sagt Joseph Daul, der Franzose aus dem Elsass, der im EU-Parlament die EVP-Fraktion aus Christdemokraten und Konservativen leitet.

CSU-Chef Horst Seehofer und Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber. (Foto: Foto:)

Markus Ferber sitzt daneben und strahlt. So etwas würde der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl von seinem eigenen Parteivorsitzenden auch mal gerne hören.

Doch für Horst Seehofer ist Markus Ferber nur zweite Wahl gewesen. Wenn es nach dem CSU-Chef gegangen wäre, hätte die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier die CSU-Liste angeführt. Die CSU-Europaabgeordneten, stichelte Seehofer vor Monaten, machten zu wenig her. Am Ende setzte sich Ferber durch, doch die Demütigung nagt noch immer an ihm.

Denn Markus Ferber ist perfekt verdrahtet im komplizierten Geflecht der europäischen Politik. Seit 1994 sitzt er im Europa-Parlament und genießt dort als Sprecher der CSU-Abgeordneten einen guten Ruf.

Einer wie Ferber könnte längst im Münchner Kabinett sitzen, doch Berufungen von außen haben in der CSU-Landtagsfraktion, die sich gerne für den Nabel der Welt hält, schon von jeher heftige Abwehrreflexe ausgelöst. Vor allem die eigenen schwäbischen Parteifreunde haben nach dem Erdbeben bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst dafür gesorgt, dass Ferber bei der personellen Neuordnung nach dem Wahldebakel nicht zum Zuge kam.

Er musste in Brüssel bleiben, und das ist aus mehrfacher Hinsicht ein besonders schwieriges Pflaster. In Brüssel ist der populistische Schnellschuss, den Seehofer meisterhaft beherrscht, kein Erfolgsmodell. Im Europaparlament müssen in langwierigen Prozessen komplizierte Kompromisse geschmiedet werden, die reine CSU-Lehre lässt sich dabei fast nie durchsetzen. Entsprechend unterbewertet waren in der CSU immer die Leistungen der eigenen Europa-Parlamentarier.

Europawahl, das bedeutet für die CSU stets, mit europakritischen Thesen Stimmung zu machen, statt, wie sonst, die eigenen Leistungen herauszustreichen. "Wir machen zu viel Aber und zu wenig Ja", sagt Ferber. Bei allem Populismus, wie dem strikten Nein zum EU-Beitritt der Türkei oder der Forderung nach Volksabstimmungen, würde sich Ferber im Wahlkampf "eine zweite Welle" wünschen, "wo die Vorteile Europas in den Mittelpunkt gestellt werden". Doch dazu wird es nicht kommen. Zumal sich Parteichef Seehofer nicht für die Details der oft mühseligen europäischen Politik interessiert.

In seiner Zeit als Bundesagrarminister hat sich Seehofer gern von seinem Staatssekretär vertreten lassen, wenn ihm die Brüsseler Marathon-Sitzungen zu langweilig wurden.

Die Europa-Wahl war für die CSU schon immer die schwerste Wahl. Für die eigene Klientel ist das Thema Europa weit weg (was die Partei mit ihrer Propaganda immer nach Kräften gefördert hat), bei keiner anderen Wahl ist die Mobilisierung so schwierig. "Bei der Europa-Wahl", sagt Ferber, "geht es ausschließlich darum, die Stammwähler an die Wahlurne zu bringen".

Das wird dieses Mal noch schwerer. Denn der Frust der CSU-Stammwähler hat sich seit dem Herbst mitnichten gelegt. Das bekommt auch Ferber in Brüssel zu spüren, als er einer kleinen Gruppe von Journalisten seine Arbeit dort vorführen will. Zum Programm gehört auch der Empfang einer Besuchergruppe der Katholischen Landvolk-Bewegung. Früher wäre das für jeden CSU-Repräsentanten ein sicheres Heimspiel gewesen. Davon kann keine Rede mehr sein.

Nach ein paar höflichen Begrüßungsfloskeln macht der Landwirt Benedikt Kratzer aus Gablingen im Landkreis Augsburg seinem Ärger Luft. Er zählt Ferber alle möglichen Schikanen auf, denen er sich ausgesetzt sieht und bei denen sich die örtliche Veterinärbehörde auf Vorgaben aus Brüssel berufen hat.

Dass sein Sohn jetzt ein polizeiliches Führungszeugnis brauche, um den Betrieb weiterzuführen ("das ist doch eine Erniedrigung") oder dass er für seinen Hühnerhof, auf dem er auch Nudeln produziere, jetzt einen eigenen Raum fürs Aufschlagen der Eier nachweisen müsse. "Wir sind acht wahlberechtigte Personen, da geht keiner mehr zur Wahl", schimpft Kratzer. "Wir werden das lösen", versichert Ferber und verspricht dem aufgebrachten Bauern, persönlich beim örtlichen Veterinäramt nachzuhaken.

Doch es sind nicht nur solche Einzelvorfälle, die die CSU-Stammkundschaft in Rage bringen, auch bei den großen Themen herrscht mittlerweile eine riesige Kluft zwischen der Partei und ihren Wählern. Etwa die grüne Gentechnik, wo die CSU lange für eine Kehrtwende gebraucht hat. "Die Bevölkerung will das nicht, das müssen wir an die Politik herantragen", sagt Veronika Stich, die Leiterin der Besuchergruppe.

Der nächste Konflikt ist bereits aufgebrochen, ohne dass die CSU die Brisanz des Themas schon voll erkannt hätte: der Kampf gegen Bio-Patente. Das sei "eine wichtige Hausaufgabe für die nächste Legislaturperiode", moniert Stich. "Unsere Wählerschaft ist tief verunsichert", weiß Ferber.

Immerhin gibt es in diesem schwierigen Wahlkampf einen kleinen persönlichen Lichtblick. Ferber darf nun doch zusammen mit Seehofer auf die Großplakate. Ursprünglich wollte Seehofer den eigenen Spitzenkandidaten eher verstecken. Der sei zu unbekannt, fand der Parteichef. Dagegen regte sich in der CSU Widerstand. Jetzt werden beide in erzwungener Harmonie von den Plakaten lächeln.

Einen extra Foto-Termin wird es dafür allerdings nicht geben. Es muss das Foto von der Nominierungsversammlung genügen, als sich Seehofer mit jedem Kandidaten ablichten ließ.

© SZ vom 18.04.2009/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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