CSU:Das kleine Wunder des Horst Seehofer

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Er musste einfach nur warten und keine Fehler machen. Am Ende fielen Horst Seehofer die Führungsämter der CSU praktisch in den Schoß.

Peter Fahrenholz

Am Schluss musste er einfach nur abwarten und keine Fehler machen. Wie ein Börsenmakler, der auf Baisse spekuliert. Natürlich würde Horst Seehofer immer bestreiten, dass er heimlich auf einen Absturz der CSU bei der bayerischen Landtagswahl im September gehofft hat. Aber natürlich wusste er ganz genau, dass er nur bei einer schweren Niederlage seiner Partei zum Zuge kommen würde.

(Foto: Foto: ddp)

Einer Niederlage, die das Führungstandem aus Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber gemeinsam hinwegfegen würde. Das war seine einzige Chance. Und seine letzte. Und er musste noch nicht einmal darum kämpfen. Am Ende sind ihm die Führungsämter der CSU praktisch in den Schoß gefallen. Nicht nur der Parteichef, der schon lange sein Traum war. Sondern auch der Ministerpräsident, den er eigentlich nie im Visier hatte. Jetzt ist er der Chef. Wenn es in der Politik Wunder gäbe, dann wäre das eins. Zumindest ein kleines. Was haben sie ihm nicht alles nachgerufen in der eigenen Partei. Dass er ein Einzelkämpfer sei, ein Egomane, auf den kein Verlass sei.

Ein Mann, der seine Positionen so smart wechseln könne, dass es niemandem auffalle, dass er heute das Gegenteil von dem verkünde, was er gestern noch propagiert habe. Alles was er mache, mache er auf eigene Rechnung, hieß es in der CSU über Seehofer, jedenfalls in den oberen Etagen der Partei. Seehofer ist ein Unikum im deutschen Politikbetrieb. Nicht nur wegen der interessanten Mischung seiner Talente und Charaktereigenschaften. Er ist Volkstribun und Fachexperte zugleich, ein Charismatiker mit enormem Fachwissen. In der Sozialpolitik gibt es kaum eine Zahl, die er nicht kennt. Und nach seinem kurzen Intermezzo als Agrarminister weiß er vermutlich ebenso viel über die Legehennenverordnung oder die Spaltenböden in Schweineställen wie alle Fachleute, die sich seit Jahren damit beschäftigen. Was ihn aber vor allem von anderen Politikern unterscheidet, ist seine einzigartige, seltsam paradoxe Rolle in der eigenen Partei.

Als Parteivize, langjähriger Minister und anerkannter Sozialexperte ist er seit Jahren ein Teil der CSU-Führungselite und zugleich eine Art Fremdkörper dort. Er war dabei, aber er gehörte irgendwie nicht richtig dazu. Seit jeher sind ihm seine Kollegen aus der Führungshierarchie mit einer Mischung aus Neid, Bewunderung, Respekt und Misstrauen begegnet. An der Parteibasis hingegen war er stets der Star.

Einer, der einen Saal in Bann schlagen konnte, zu dem die Leute aufschauten, nicht nur, weil er mehr als einen Meter neunzig groß ist. Auf Parteitagen erzielte er zumeist Spitzenergebnisse, außer die Parteispitze organisierte gerade mal wieder einen Denkzettel für ihn wegen einer seiner Extratouren. Meistens steckte in solchen Fällen Erwin Huber dahinter, sein liebster Parteifeind, den er jetzt beerbt hat. Der Rückhalt an der Basis schützte Seehofer wie ein unsichtbares Kettenhemd. Selbst in seinen schwärzesten Momenten. 2004 zum Beispiel, als er im unionsinternen Streit um die Gesundheitspolitik als Fraktionsvize zurücktreten musste.

Selbst in dieser Situation wagte es das CSU-Establishment nicht, den lästigen Kritiker auch als Parteivize abzuservieren. Das Risiko, dass es deswegen in der Partei zu Turbulenzen gekommen wäre, wäre zu groß gewesen. Trotzdem war Seehofer damals politisch so gut wie erledigt. Isoliert in der eigenen Partei, verfemt und offen gemobbt in der Schwesterpartei CDU. Seehofer galt in der auf neoliberal getrimmten Union als Fossil. Blüm, Geißler, Seehofer - die Namen wurden von jedem JU-Schnösel mit Ekel in der Stimme ausgesprochen. Doch dann kam der Schock der Bundestagswahl 2005, wo CDU und CSU mit ihrem kalten, neoliberalen Wahlprogramm nur ganz knapp an einer Niederlage vorbeischrammten.

Ein Programm, vor dem Seehofer immer gewarnt hatte. Ausgerechnet Edmund Stoiber, der ihn im Gesundheitsstreit mit der CDU ein Jahr zuvor noch im Stich gelassen hatte, sorgte für Seehofers politische Wiedergeburt. Gegen erbitterte Widerstände in der CDU, aber auch in der eigenen Partei boxte er Seehofer als Minister im Kabinett Merkel durch.

Aus Berlin war damals eigens eine Delegation der CSU-Landesgruppe nach München gereist, um Stoiber diese Idee auszureden - ohne Erfolg. Dass am Ende Seehofer im Kabinett saß und Stoiber draußen blieb, ist eine feine Ironie der Geschichte. Als Stoiber im vergangenen zum Rücktritt gezwungen wurde, hätte er schon damals gerne Seehofer zu seinem Nachfolger als Parteichef gemacht. Nicht nur, um sich den Verrat seiner beiden Paladine Huber und Beckstein zu rächen, sondern auch, weil er Seehofer den Einzigen hielt, der das bundespolitische Gewicht der CSU hätte sichern können. Doch nicht nur Funktionärskartell der CSU brachte Seehofer damals zu Fall, ihm wurde auch eine außereheliche Affäre Verhängnis.

In einer aufgeklärteren Partei hätte das allenfalls für bisschen Tratsch gesorgt, aber der CSU, wo der katholische Landsturm noch immer viel Einfluss kann so etwas politische Karrieren bedrohen. Trotzdem zog sich Seehofer im Duell mit Huber achtbar aus der Affäre, er rettete sich gewissermaßen den Beiwagen des Tandems. Und wartete. Jetzt gibt es keinen Beiwagen mehr. Und auch kein Tandem. Jetzt gibt es in der CSU fürs Erste nur noch ihn. Wenn im Krisenjahr 2008 der abgedroschene Spruch, dass jede Krise auch eine Chance ist, auf jemanden zutrifft, dann es Seehofer.

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