CSU-Chef Horst Seehofer:S wie Seehofer, S wie Stehaufmann

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Horst Seehofer wird neuer CSU-Chef. Der 59-Jährige galt schon mehrfach als politisch tot. Nun ist er mächtiger denn je - und steht vor einer gewaltigen Aufgabe.

Marcel Burkhardt

Am Tag nach dem Debakel trat Horst Seehofer morgens vor die Journalisten. In sich ruhend kommentierte der CSU-Vize mit tiefer, sonorer Stimme das CSU-Ergebnis der bayerischen Landtagswahl mit nur wenigen Worten. Der Urnengang habe für seine Partei die "Dimension einer Katastrophe". Das musste reichen für den Rest des Tages, zumindest für die Presse.

Gefragter Mann der Stunde: Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer soll den CSU-Vorsitz von Erwin Huber übernehmen. (Foto: Foto: ddp)

Intern hielt sich der Bundeslandwirtschaftsminister nicht zurück: Während der CSU-Krisensitzung in der Nacht zu diesem Dienstag soll Seehofer seine Ambitionen klargemacht haben. Die Botschaft: Er stehe bereit, den Parteivorsitz zu übernehmen. Erwin Huber, der glücklose und schwer angeschlagene Niederbayer, hatte kurz zuvor resigniert. Sein Rückhalt bei den Parteikollegen war dahin.

Wenige Stunden später kündigte Huber in München an, sein Amt auf einem Sonderparteitag der CSU am 25. Oktober zur Verfügung zu stellen. Kurz darauf meldete sich Seehofer aus dem fernen Berlin. Er stehe für diese Aufgabe zur Verfügung, sagte Seehofer nach einer Sondersitzung der CSU-Landesgruppe. Und Spitzenkandidat der Partei für die Bundestagswahl 2009 soll er auch werden.

Seehofers Griff nach dem höchsten Amt der Christsozialen hatte sich schon vor der bayerischen Landtagswahl abgezeichnet. Der Oberbayer hatte den Druck auf seinen Rivalen Erwin Huber erhöht, indem er die Hürde für seine Partei bei der bayerischen Landtagswahl auf 52 Prozent gehängt hatte - bis dahin galt ein Wert von mehr als 50 Prozent als die magische Marke der Konservativen.

Offiziell versicherte der 59-Jährige vor der Wahl in Bayern: "Es gibt keinen Plan B." Insgeheim gab es sehr wohl eine Alternativ-Variante: Sie trug den Namen Horst Seehofer. Mit der Übernahme des Chefpostens geht für den großgewachsenen Ingolstädter ein Traum in Erfüllung - und eine Rechnung wird ebenso beglichen.

Nach Edmund Stoibers angekündigtem Rückzug vom Parteivorsitz, wollten ihn sowohl Seehofer als auch Huber beerben. Der interne Wahlkampf wurde bald schmutzig: Die Presse berichte von der schwangeren Geliebten des verheirateten Seehofers. Der Agrarminister schäumte und bezichtigte Parteifreunde, die Causa gestreut zu haben.

Stehaufmann mit brennendem Ehrgeiz

Trotzdem kämpfte er selbst in konservativsten Gegenden Bayerns um den Vorsitz der CSU. Sogar in Hubers Heimat applaudierten die Menschen Seehofer nach anfänglicher Skepsis zu. Seehofer fand auf den in Bayern wichtigen Bierzeltbühnen den richtigen Ton und verließ Anhänger und Kritiker augenzwinkernd mit einem "Bleibt's anständig". Am Ende stand dennoch die Niederlage.

Auf dem Parteitag wählten die Basis Huber, Seehofer bekam immerhin beachtliche 39,1 Prozent. Fast auf den Tag genau ein Jahr später hat es Seehofer doch geschafft: Er wird Parteichef - und obendrein sind seine Nebenbuhler Huber und Beckstein kaltgestellt.

Seehofer ist bekannt für seinen brennenden Ehrgeiz. Obendrein gilt der Mann, der sich auch gerne als soziales Gewissen der Union bezeichnen lässt, als einer, der den Leuten die Unsicherheit nehmen kann. Der Sozialexperte spürt, woher der Wind seit geraumer Zeit weht, wenn er fordert, die Union müsse wieder mehr "zum Anwalt der kleinen Leute" werden.

Seehofer selbst ist ein Stehaufmann und damit Vorbild für viele in der arg gebeutelten CSU. Von 1992 bis 1998 war er Gesundheitsminister. 2001 erkrankte er an einer lebensgefährlichen Herzmuskelentzündung und zog sich kurzzeitig aus der Politik zurück. Nachdem er 2004 im Streit über die Gesundheits-Kopfpauschale den Posten als Unions-Fraktionsvize hinschmiss, beschrieb Seehofer sich selbst als "politisch tot" und im November 2004 war er zumindest in Berlin ganz unten und zog sich in die Schmollecke zurück.

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In Interviews machte der Ingolstädter fortan kein Hehl daraus, dass er den von CDU-Chefin Angela Merkel favorisierten Systemwechsel in der Krankenversicherung für unsozial hielt - und dass mit einer solchen Programmatik keine Wahlen zu gewinnen seien. Viele Unionspolitiker zeigten sich bald entsetzt über den gemeinsamen Auftritt mit Oskar Lafontaine, dessen Kritik am "neoliberalen" Mainstream der deutschen Politik Seehofer ausdrücklich teilte.

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Keiner stand so kurz an der Spitze der CSU wie Erwin Huber. Nach seinem Rücktritt sucht die Partei nun einen neuen Vorsitzenden. Seit dem Krieg hatten sieben Männer diesen Posten inne. Ein Rückblick.

Ein Jahr später ging es für Seehofer aber wieder steil bergauf: Der damalige CSU-Parteichef Edmund Stoiber brachte seinen Parteivize ins Bundeskabinett. Ausgerechnet ihn, den Kritiker Merkels, den Abgeschriebenen.

Frischer Wind für die Bundespolitik

Aber eben auch denjenigen, der in seinem heimischen Wahlkreis knapp 66 Prozent der Stimmen holte - und damit fast doppelt so gut abschnitt wie die Bundes-Union, deren sozial unausgewogenen Kurs er so hartnäckig kritisiert hatte.

In seinem Amt als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister gab Seehofer den Feuerwehrmann: in Gummistiefeln im Kampf gegen die Vogelgrippe, in Betrieben bei der Enttarnung von Gammelfleisch.

Als er merkte, dass sich das Volk nicht für Genmais begeistern lässt, sagte er, es werde keinen "Vorrang der Wirtschaftsinteressen vor dem Schutz für Mensch und Umwelt geben". Mit dem neuen Gentechnikgesetz wagt Seehofer den Spagat, angesichts von Risiken die Regeln zum Anbau von Genmais zu verschärfen, die Forschung aber zu erleichtern.

Die Opposition, aber auch die SPD werfen ihm auf vielen Gebieten einen Zickzackkurs vor, weil er auf Bayern zu viel Rücksicht nehme. Die Grünen sehen in Seehofer einen Blender: Er verweigere Bio-Bauern die nötige Unterstützung und sei mitverantwortlich dafür, das Bio-Sprit besteuert worden und der Agrar-Diesel so teuer geworden sei.

In den Berliner Politikbetrieb wird Seehofer als CSU-Chef aller Voraussicht nach frischen Wind bringen. Denn ihm wird das nachgesagt, was Huber, Beckstein, Söder und all die anderen CSU-Männer vermissen lassen: bundespolitische Strahlkraft. Als CSU-Chef mit ständigem Sitz im Berliner Machtzentrum wird Horst Seehofer zum Beispiel noch mehr Einfluss auf die Gesundheitspolitik ausüben.

Seehofer hatte schon lange keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich nicht nur um Bauern, Kartoffeln, Bananen und Gentomaten kümmern will. Seine neugewonnene Macht dürfte er nutzen, um sich kräftig in die Sozialpolitik einzumischen und seiner Kabinettskollegin Ulla Schmidt Ratschläge zu erteilen, wie er das in der Vergangenheit schon des Öfteren gemacht hat.

Nun steht Horst Seehofer ganz oben, doch die Aufgabe ist gewaltig. Er übernimmt eine tief verunsicherte Partei. Die Christsozialen sehnen sich nicht nur nach einem Macher und einem Parteichef, der Bierzelte füllt: Seehofer muss Wahlen gewinnen.

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