Christine Haderthauer:Hundert Tage unfallfrei

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Selbstbewusst, aber leise: Noch fällt CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer vor allem auf, weil sie eine Frau ist.

Kassian Stroh

Fürth, im Januar - Für den altgedienten Kommunalpolitiker Joachim Schmidt scheint es ein beeindruckendes Erlebnis zu sein. Neben ihm steht die örtliche Landtagsabgeordnete. Daneben die Oberbürgermeister-Kandidatin seiner Partei. Und jetzt auch noch das Grußwort einer CSU-Generalsekretärin. Drei Frauen.

Im Faschingskostüm macht sie eine gute Figur: Christine Haderthauer. (Foto: Foto: ddp)

"Ein merkwürdiger Abend", sagt Schmidt, wobei er das offenbar nicht negativ meint. Jedenfalls fühlt er sich bemüßigt, sein gutes Verhältnis zu diesen drei "besonderen" Frauen auf die argumentatorische Basis zu stellen, dass auch er zu Hause eine besondere Frau habe. Er fühle sich von Frauen "umzingelt, aber niemals bedroht", witzelt Schmidt.

Schmidt ist Vorsitzender der Stadtratsfraktion der Fürther CSU. Die hat soeben ihren Neujahrsempfang insofern erfolgreich hinter sich gebracht, als dass vier Ansprachen keine zwei Stunden dauerten. Als Hauptrednerin haben sie Christine Haderthauer eingeladen, die neue CSU-Generalsekretärin.

Der zweitwichtigste Posten in der CSU

Sie spricht über kriminelle Ausländer und Integrationspolitik, junge Mütter und Kinderkrippen, über Leistungsträger und die "Randgruppendiskussion" über den Mindestlohn. Sie sagt das, was in der CSU alle sagen könnten. Ein Thema aber zieht sich durch den Abend, durch ihre Rede, durch die Gespräche der Fürther CSU-Leute später bei Bratwürsten und Pils, und das ist Haderthauers ganz spezielles Thema: Der zweitwichtigste Posten in der CSU nach dem Vorsitzenden, der Generalsekretär - er ist jetzt besetzt mit einer Frau.

Das ist für diese Partei, die auch führende Repräsentantinnen gelegentlich als "Männerpartei" oder "Altherrenpartei" bezeichnen, eine Revolution. Aber nicht weniger hatte der neue CSU-Chef Erwin Huber im Sinn, als er im Oktober Haderthauer berief. Er wollte unbedingt eine Frau - und so nahm er die 45-jährige Ingolstädterin, die zwar seit 2003 im Landtag sitzt, dort aber mehr durch Handygespräche auf der Hinterbank als durch inhaltliche Beiträge aufgefallen war.

Hubers Entscheidung war in der CSU umstritten. Kritiker sagten: Frau zu sein, sei ja ein Argument. Ob das ausreiche, eine andere Frage. Befürworter prophezeiten, Haderthauer werde "medial interessant" sein. So ist es gekommen: "Es gab noch nie so eine Medienresonanz beim Start eines Generalsekretärs", sagt Haderthauer.

Nett sein reicht schon

Die Frage ist nur - und auch manche Parteifreunde stellen sie sich: Reicht das? Im vergangenen August zum Beispiel organisierte Haderthauers Vorgänger Markus Söder eine kleine Ausstellung über die Generalsekretäre der CSU-Geschichte. Zur Eröffnung kamen auch alte Haudegen wie Huber oder Edmund Stoiber in die Parteizentrale - und wenn man sie nach dem Stellenprofil eines Generalsekretärs fragte, war viel die Rede vom "Kampf-Gen".

Doch wenig würde Haderthauer schlechter charakterisieren als kriegerisches Vokabular. Wie sie nun hier in Fürth vor den vielleicht 200 Parteifreunden und Honoratioren steht, da ist bei jedem Satz zu spüren, dass ihr das Zuspitzen, das Polarisieren nicht liegt. Freilich erfordert es die Dramaturgie einer ordentlichen CSU-Rede, dass sie über den jungen, kriminellen Ausländer schimpft, der sich hüten würde, derlei "in seinem Heimatland zu tun, weil er wüsste, was ihm dort blüht".

Bei solchen Sätzen geht Haderthauers Stimme um eine Tonlage nach oben. Aber es wirkt angestrengt. Oder wenn sie über den Ausbau von Krippenplätzen redet und darüber, dass es offenbar "politisch unkorrekt ist, sich selber um Kinder zu kümmern". Dann schließt sie dem ein lautes "Ja, wo samma denn?" an - was ihr zwar Beifall einbringt, aber aufgesetzt wirkt.

Haderthauer sagt selber, dass sie sich für "relativ besonnen" hält. Sie weiß aber auch, dass es zu ihrem Job gehört, Wirbel zu machen. Vor vier Wochen zum Beispiel gab sie eine Pressekonferenz, es sollte um die Vorbereitungen der bayerischen Kommunalwahl im März gehen. Ein paar Stunden zuvor war Haderthauer im Frühstücksfernsehen und hatte für kriminelle Jugendliche die "rot-grüne Kuschelpädagogik" verantwortlich gemacht.

Haderthauer stellt am Dienstag auf einer Pressekonferenz in der CSU- Landesleitung in München neue Internetseiten der CSU vor. (Foto: Foto: dpa)

Das verursachte mal ein bisschen Wirbel, und so kam Haderthauer nun zur Tür herein und sagte zu den Journalisten: "Ich hoffe, Sie sind nicht nur deshalb da, weil ich heute früh ein paar Agenturmeldungen produziert habe." Sie lächelte dabei, war sichtlich stolz: Agenturmeldungen produziert.

Dann aber gibt es auch Momente, in denen sie ihre Schwäche als Programm verkauft. "Wir wollen an unseren Erfolgen gemessen werden", sagt sie in Fürth beim Neujahrsempfang, "und nicht an dem Lärm, den wir veranstalten." Wer das in der CSU böse verstehen will, versteht das als Spitze gegen ihren Vorgänger Söder, dessen Gabe der scharfen Formulierung gepaart mit der Lust am Polarisieren ihm viel Aufmerksamkeit, aber auch den letzten Platz auf der Beliebtheitsskala bayerischer Politiker eingebracht hat.

Wer es anders sieht, hält Haderthauer einfach ein anderes Amtsverständnis zugute, das besser in die Zeit und die Post-Stoiber-CSU passt. Dann fallen Sätze wie: "Menschlich nett, das reicht im Moment."

Nett kommt an

Denn nett kommt an. An diesem Mittwoch ist die Generalsekretärin hundert Tage im Amt, sie bereist jetzt das ganze Land und lernt ihre Partei kennen, allein 15 Neujahrsempfänge wie den in Fürth hat sie im Januar besucht. Und nach allem, was zu hören ist, wird sie überall freudig empfangen. Als offen, freundlich, sachlich wird Haderthauer gepriesen.

Und immer wieder das eine Thema: "Das war wohltuend", schwärmt noch am Tag danach die Fürther OB-Kandidatin der CSU, Birgit Bayer-Tersch, von Haderthauers Auftritt. "Ich als Frau habe mich in der Art absolut wiedergefunden", sagt sie und lobt Huber für diese "ganz, ganz kluge" Personalentscheidung. "Das hilft uns Frauen ganz bestimmt."

In mancher Hinsicht ist Haderthauer ein Idealtypus für diesen Posten. Sie ist eloquent, energisch und ehrgeizig. Entschieden weist sie zurück, dass sie ihren Posten letztlich einer anderen Frau verdanke, der Fürther Landrätin Gabriele Pauli nämlich, die die Führungskrise der CSU auslöste, an deren Ende auch Haderthauers Berufung stand.

Auch ohne Pauli, gibt Haderthauer zurück, wäre sie heute Generalsekretärin oder säße im Kabinett - an Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht. Sie hat zwei Kinder großgezogen und eine Anwaltskanzlei aufgebaut. Sie ist groß, fällt auf, kleidet sich elegant. Haderthauer ist alles andere als eine Dirndl-Trägerin, aber konservativ. Sie ist durch und durch CSU und vergisst nie, darauf hinzuweisen, dass sie schon länger Parteimitglied als verheiratet ist - was immerhin auch schon 23 Jahre andauert.

Sie ist aus Sicht der CSU-Oberen der Gegenpol zu Pauli, über die erst Stoiber stolperte und die dann mit "ganzheitlicher Politik" und der programmatischen Forderung einer auf sieben Jahre befristeten Ehe CSU-Chefin werden wollte. Denn es war ja nicht zuletzt die Erfahrung mit der selbstbewussten Frau Pauli und das öffentliche Bild einer von Männern dominierten, frauenfeindlichen CSU, das Huber unbedingt mit der Berufung einer Generalsekretärin konterkarieren wollte.

Haderthauer ist sozusagen eine gute Frau Pauli. In einem ihrer ersten Interviews sagte sie auf die Frage, ob die Berufung einer politischen Newcomerin kein Risiko sei, ganz spontan: "Ich glaube, ich bin eine Chance für die moderne CSU."

Keine neuen Gedanken

An politischen Initiativen oder neuen Gedanken hat man von ihr gleichwohl noch nichts vernommen. Sie vertritt die offiziellen Sprachregelungen der Partei nach außen, und wenn einer mal aus der Linie schert, und seien es die CSU-Vizes Beate Merk oder Horst Seehofer, den weist sie in die Schranken.

Auch hier ist das Urteil ihrer Parteifreunde gespalten. Wer es schlecht meint mit ihr, spricht von fehlender Substanz. Wer es gut meint, sagt, hundert Tage seien zu früh, um Haderthauer beurteilen zu können.

Immerhin: Sie hat diese hundert Tage unfallfrei überstanden. Zwar habe sie als Anwältin vor Gericht, sagt sie, "15 Jahre Nahkampferfahrung" hinter sich, doch plötzlich von der einfachen Abgeordneten zur Generalsekretärin zu werden, war ein "sehr großer, abrupter Wechsel".

"Ich hatte am Anfang echt Tage, wo ich am Abend gesagt habe: Danke, lieber Gott, dass ich heute keine Tretmine losgetreten habe", erzählt Haderthauer, faltet die Hände und blickt nach oben. Nahkampf, Tretmine - so viel Generalsekretärin also ist sie schon, dass der Krieg Einzug hält in ihr Vokabular.

© SZ vom 30.01.2008/stä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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