Bogenberg:Als die Filmrollen ratterten

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Lernen mit Mecki: Am schönsten war es früher in der Schule, wenn ein Film gezeigt wurde. (Foto: Kreismuseum Bogenberg)

Eine Ausstellung zeigt die Medientechnik der Nachkriegszeit

Von Hans Kratzer, Bogenberg

Immer schneller und verrückter dreht sich das Rad des Fortschritts, und dennoch fordern Politiker und Lobbyisten ständig noch mehr Beschleunigung, noch schnelleren Fortschritt und noch rasantere Neuerungen. Manchmal aber wollen die Menschen einfach nur durchatmen, innehalten, nachdenken. "Jetzt sind die Sachen aus meiner Jugend schon ein Fall fürs Museum", wunderte sich neulich eine Besucherin im Kreismuseum Bogenberg (Landkreis Straubing-Bogen). Dort zeigt eine Ausstellung anhand von Alltagsdingen, wie geschwind sich die Welt verändert, vor allem die mediale Interaktion.

Groß und breit sticht in der Schau ein mobiler Filmprojektor ins Auge, der die Ausmaße eines Ungetüms hat. Das Gerät gehörte einst zum Schwarzacher Wanderkino, dessen Besitzer Hans Urban hieß. Der ist damit von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre über das Land gefahren, um in den Wirtshäusern Filme vorzuführen. Der Erlös des Kinos wurde jedoch geschmälert durch die zu entrichtende Vergnügungssteuer. "Wenn aber vor dem eigentlichen Kinofilm ein Kulturfilm gezeigt wurde, fiel die Steuer geringer aus", erzählt Barbara Michal, die Leiterin des Museums.

Trotz allen Aufwands gerieten die Wanderkinos in der Wirtschaftswunderzeit unter Druck. Das aufkommende Fernsehen setzte ihnen zu. Um der neuen Konkurrenz etwas entgegenzusetzen, zeigte das Wanderkino neben den bewährten Kultur- und Heimatfilmen alsbald auch Sexfilme und Action-Streifen. Das wiederum weckte den Widerstand der konservativen Kräfte. Die Museumsleiterin holt als Beleg ein Plakat hervor, auf dem die blanken Brüste einer Schauspielerin züchtig überklebt sind: "Der Schwarzacher Pfarrhof lag ganz in der Nähe des Wirtshauses, in dem die Filme gezeigt wurden", erzählt Michal, "der Ortspfarrer hat damals den Kinobetreiber zu dieser Zensur genötigt." Deutlich spiegelt sich hier das damalige Konfliktpotenzial zwischen der aufkommenden Freizügigkeit und der moralfesten Kirche.

Die Wanderkinos fuhren von Ort zu Ort und verwandelten die Wirtshäuser in Vorführungssäle. Im Museum hört man noch das vergessene, aber sofort wieder vertraute Geräusch des ratternden Vorführgeräts, das Klappern beim Zurückspulen des Films, und dazu die Filmrollen, auf die nur 20 Minuten Film passten. Das Wanderkino musste deshalb ständig Pausen zum Rollenwechsel einlegen, was aber im Wirtshaus nicht so schlimm war. Zwischendurch machte das Publikum eben Brotzeit, es saß ja an der Quelle. Bis in die 60er-Jahre mussten Filmvorführer eine Prüfung ablegen, um die staatliche Erlaubnis zu bekommen. Filme waren im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich, bestanden sie doch aus leicht entflammbarer Nitrozellulose. Erst in den 60er-Jahren kam feuerfesteres Filmmaterial auf. Von da an fiel auch die Prüfung für Filmvorführer weg.

Die Filmindustrie produzierte von Anfang an neben Spielfilmen auch Dokumentationen. Letztere erlebten laut Michal einen starken Aufschwung unter den Nationalsozialisten, die Unterrichtsfilme für Propagandazwecke nützten. Damals entstanden die Kreisbildstellen, die jetzt im Zeitalter der Digitalisierung wieder aufgelöst werden. Da früher viele Schulen ohne Strom waren, wurde zur Filmvorführung ein Aggregat mitgeliefert. Erst in den 60er-Jahren waren alle Volksschulen mit Stummfilmprojektoren ausgestattet, aber da war die Stummfilmzeit schon vorbei.

Außer dem Thema Film streift die Ausstellung noch viele weitere vertraute Sujets, die den Reiz des Alten und des Analogen verströmen, seien es Kassettenrekorder, Schreibmaschinen, Wählscheibentelefone oder händisch zu betreibende Küchengeräte. Geräte, welche die Vorfahren einst glücklich machten.

Vom Reiz der alten Dinge, Kreismuseum Bogenberg (Kreis Straubing-Bogen), Telefon 09422/5786. Mi/Sa 14-16 Uhr, So 10-12 und 14-16 Uhr.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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