Bischof Müller nach Rom berufen:Abschied eines Polarisierers

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Der nächste Bayer im Vatikan: Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller macht als Chef der katholischen Glaubenskongregation in Rom Karriere. Doch unter die vielen Glückwünsche mischen sich auch Misstöne. Denn Müller hinterlässt eine tief gespaltene Diözese. Unterdessen wird munter über seine Nachfolge in Regensburg spekuliert.

Wolfgang Wittl

Die Pressestelle geht kein Risiko ein: Sieben knallig gelbe Hinweiszettel weisen den Weg vom Erdgeschoss in den ersten Stock des Bischöflichen Ordinariats in Regensburg. Niemand soll den großen Moment verpassen, in dem endlich verkündet wird, was seit drei Tagen ohnehin unwidersprochen verbreitet wird. Man "freue" sich auf den Besuch, heißt es in der "herzlichen" Einladung.

Bischof Gerhard Ludwig Müller geht als Präfekt der katholischen Glaubenskongregation nach Rom. (Foto: dpa)

So viel Offenheit war nicht immer angesagt, wenn das Bistum Regensburg etwas mitzuteilen hatte. Doch an diesem Montag ist alles anders: Heute müssen keine lästigen Fragen zu unliebsamen Themen beantwortet werden, heute wird eine Botschaft proklamiert, die das Bistum mit stolz erfüllt, wie der bisherige Generalvikar Michael Fuchs mit tragender Stimme weitergibt: Bischof Gerhard Ludwig Müller, von sofort an Erzbischof, wird zum Präfekten der katholischen Glaubenskongregation ernannt.

Dass er gar nicht anwesend ist, soll den feierlichen Moment nicht weiter stören. Um sein Amt "mit gutem Schwung anpacken" zu können, setzte Müller sich bereits am Morgen in den Flieger nach Rom. Was er als Erbe hinterlässt, wurde wohl selten in einem Bistum zwiespältiger beurteilt.

Kein anderer der bisher 77 Regensburger Bischöfe hat in den fast zehn Jahren seines Wirkens derart polarisiert wie der 64-Jährige. Auf der einen Seite die Gemeinde seiner Getreuen, die den Verlust eines "großen Hirten und leidenschaftlichen Seelsorgers" betrauert, wie der Generalvikar versichert.

Auf der anderen Seite kritische Laien, die Müllers Autorität zu spüren bekommen haben. Und dann gibt es jene Art von Wortmeldungen von hochrangigen Würdenträgern, die es jederzeit ins Fachbuch für Diplomatie schaffen würden.

Mit Müller werde "eine prägnante Persönlichkeit", "ein Mann des klaren Glaubens und der deutlichen Worte" in das formal dritthöchste Amt der Kirche berufen, lässt Ministerpräsident Horst Seehofer ausrichten. Manch einem ist vielleicht noch in Erinnerung, dass es vor wenigen Jahren die bayerische Staatskanzlei war, die einen Ruf Müllers als Erzbischof nach München verhindert haben soll.

Aus ganz Deutschland treffen Glückwünsche in Regensburg ein, doch eine Stimmung à la "Wir sind Chef der Glaubenskongregation" versprüht lediglich ein ausgewähltes Publikum.

Die örtliche Vorsitzende des Bundes der katholischen Jugend ist gekommen, ihre Kollegin vom Frauenbund und der Leiter des Priesterseminars. Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, der Vorsitzende des Diözesankomitees, spricht von einem freudigen und zugleich traurigen Tag, denn der Bischof habe "sehr segensreich gewirkt".

Vor ein paar Jahren hieß das oberste Laiengremium noch Diözesanrat, und sein damaliger Vorsitzender Fritz Wallner verbindet ein völlig anderes Bild mit Müller: von einem Bischof, der nicht dialogfähig sei; der frustrierte Priester und gedemütigte Laien hinterlasse; der Entscheidungen nur schriftlich durchsetzen könne.

Als Müller 2005 zum Gespräch geladen habe, sei er nicht in der Lage gewesen, die Änderung der Pfarrgemeinderatssatzung offen anzusprechen. Dabei hatte er sie bereits in Kraft setzen lassen. Die Zahl der Regensburger Katholiken ist in den vergangenen Jahren um mehr als 100.000 auf 1,24 Millionen gesunken - Platz neun unter den 27 deutschen Diözesen.

Prozentual liegt der Rückgang mehr als doppelt so hoch wie im Erzbistum München/Freising. Für das sogenannte flache Land mit den angeblich treuen Katholiken sei das doch sehr erstaunlich, sagt Wallner: "Da von Musterdiözese zu sprechen, ist schon sehr vermessen."

Selbst Kritiker bescheinigen Müller jedoch eine Leutseligkeit, im einfachen Kirchenvolk kam er mitunter gut an. Beim Kötztinger Pfingstritt mischte sich Müller nach der Prozession unter die Menschen, plauderte, aß und trank mit ihnen, manchmal nicht zu knapp.

Andererseits war es ein kleines Dorf, das sich von Müller verraten und im Stich gelassen fühlte. Alle Reformen, jede zerstörte Kommunikation mit mündigen Laien sei nichts im Vergleich zu dem, was in Riekofen geschah, sagen Kritiker: als das Bistum einen Priester einsetzte, der sich Jahre zuvor an einem Ministranten vergangen hatte - und sich erneut des Missbrauchs schuldig machte.

Müller schimpfte auf die Justiz und die Medien, eine Entschuldigung brachte er bis heute nicht über die Lippen. "Viele hier sind froh, dass er geht", sagt Riekofens Bürgermeister Armin Gerl. "Aber jetzt hat er noch mehr Einfluss." Überhaupt müsse man sehen, was da nachkomme.

Die Geschäfte während der Sedisvakanz wird Weihbischof Reinhard Pappenberger führen, die Ernennung eines neuen Oberhirten kann bis zu einem Jahr dauern. Anders als in anderen deutschen Diözesen haben die Domkapitel in Bayern kein Mitspracherecht. Allerdings erstellen sie alle drei Jahre Vorschlagslisten, aus denen der Papst auswählt. Auch der Nuntius und der zuständige Metropolit - in diesem Fall Kardinal Marx aus München - geben Empfehlungen ab.

Neben Regensburg dürfte auch die Neubesetzung im Bistum Passau kurz bevorstehen, wo Bischof Wilhelm Schraml unlängst seinen 77. Geburtstag feierte. Ein Name, der zuletzt oft gehandelt wurde, ist der von Wilhelm Imkamp, Direktor des Wallfahrtsortes Maria Vesperbild. Kritische Laien bevorzugen den Augsburger Weihbischof Anton Losinger.

Egal, wer die Nachfolge antritt: Um alles aufzubauen, was Müller eingerissen habe, das sei einem Nachfolger allein gar nicht möglich, sagt Wallner.

© SZ vom 03.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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