Schon vom Abend davor hatten sich die Auguren von Bayreuth die eindeutigsten Hinweise versprochen. Denn vor dem großen Auftrieb auf dem Grünen Hügel gibt sich traditionell Prinzipal Wolfgang Wagner die Ehre, die große Festspiel-Ausstellung zu eröffnen.
Im Hause Wahnfried zeigt diesmal Mariano Rinaldi Goni eine Werkreihe über Walküren, Halbgöttinnen, die beim Maler Goni ziemlich schlank ausfallen und jung und androgyn. Auf der Einladung zur Ausstellung jedoch fehlte in diesem Jahr erstmals der Name des alten Herren vom Hügel.
Stattdessen hatte sich Katharina Wagner angekündigt, seine Tochter. Professionelle Hügeldeuter werteten dies als untrügliches Zeichen einer geplanten Stabübergabe. Der 87 Jahre alte Wagner, so raunte man, überlasse nun eindeutig Katharina das Feld - auf dass sie ihn als Intendantin beerbe, spätestens im Herbst.
Die Ausstellungseröffnung ließ eine so weitreichende Interpretation allerdings nicht zu. Eher eine sehr banale: Bei Katharina, der Regisseurin der "Meistersinger", lagen am Abend vor ihrer Premiere die Nerven blank. Die Urenkelin Richard Wagners ließ sich entschuldigen, kurzfristig und angeblich der Endproben im Festspielhaus wegen.
Einen solchen Auftrieb hat Bayreuth schon lange nicht mehr erlebt
Was angesichts eines Debüts am Grünen Hügel kaum jemanden ernstlich verwundern dürfte, aber viel Raum gibt für neue Fragen - dergestalt etwa, ob die 29-Jährige einer Doppelbelastung als Regisseurin und Intendantin künftig auch tatsächlich gewachsen sein wird.
Dem Mythos Bayreuth scheint die Dauerdebatte allerdings keinen Abbruch zu tun, im Gegenteil. Einen solchen Auftrieb wie den am Mittwoch hat Bayreuth in den vergangenen Spielzeiten nicht erlebt.
Während die Premiere des "Holländers" im vergangenen Jahr reichlich Anlass gab, über aufziehende B-Prominenz am Grünen Hügel zu lästern - Guido Westerwelle war noch der bekannteste Bundespolitiker - gaben sich beim Debüt der Wagner-Urenkelin endlich wieder die ganz Großen die Ehre: Angeführt von Kanzlerin Angela Merkel, die im lilafarbenen Kostüm vorfuhr und nicht nur ihren leicht gequält lächelnden Gatten Joachim Sauer im Schlepptau führte, sondern auch den Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso.
Den Aufzug beschließen durfte Edmund Stoiber, der sein Kabinett noch einmal in voller Mannschaftsstärke antreten ließ. Um 15.51 Uhr, neun Minuten vor Vorstellungsbeginn, schritt Stoiber ein letztes Mal als Ministerpräsident über den roten Teppich, lange nach Günther Beckstein und Erwin Huber. Als Letzte betrat Katharina Wagner das Festspielhaus. Vorerst nur als Regisseurin und Tochter.