Audi in Ingolstadt:Frontalzusammenstoß auf der grünen Wiese

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Die Stadt Ingolstadt und Audi planen ein Logistikzentrum mitten in einem Wasserschutzgebiet - dagegen gibt es jetzt Proteste.

Stefan Mayr

Georgine Müller blickt über die Felder, Wiesen und Bäume. Hier zwischen Ingolstadt und Gaimersheim scheint die Natur noch intakt zu sein, im Augraben befindet sich sogar ein Biberbau. Doch die Geschäftsführerin des Bundes Naturschutz in Ingolstadt kann diesen Spaziergang nicht genießen.

In Ingolstadt stoßen das Audi-Gelände (oben) und das Wasserschutzgebiet mit seinem Trinkwasserbrunnen (Bildmitte) direkt aneinander. Jetzt will der Autohersteller dort ein Güterverkehrszentrum errichten. (Foto: Foto: Horst Schalles)

"Ich habe Angst um dieses Wasserschutzgebiet", sagt sie, "und um alle anderen in ganz Bayern." Grund ihrer Sorge sind die Stadt und die Audi AG: Sie planen mitten im wichtigsten Wasserschutzgebiet Ingolstadts ein 20 Hektar großes Güterverkehrszentrum (GVZ), in dem die Zulieferer des Autoherstellers ihre Produkte abliefern.

Dieser Vorstoß führte zum Frontalzusammenstoß mit dem Wasserwirtschaftsamt sowie dem Bund Naturschutz. Dennoch lässt die Stadt prüfen, wie sie das Großprojekt aus dem Boden stampfen kann. Das Gebiet ist seit den sechziger Jahren geschützt. Im Wasserschutzgebiet "Am Augraben" zwischen Audi-Werk, dem Stadtteil Etting und der Gemeinde Gaimersheim werden pro Jahr fünf Millionen Kubikmeter Trinkwasser geschöpft.

Das ist mehr als die Hälfte des Bedarfs der Stadt. Zudem werden die Bürger Gaimersheims versorgt. Bislang ist nie jemand auf die Idee gekommen, in dem Schutzgebiet ein Haus oder ein sonstiges Bauwerk zu errichten. Bis die benachbarte Audi AG ihre Expansionswünsche anmeldete - und die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft IFG das nahe Wasserschutzgebiet in Aussicht stellte.

Die Frage des Gemeinwohls

Kaum waren die Pläne bekannt, äußerte das Wasserwirtschaftsamt erhebliche Bedenken. "Sinn und Zweck eines Schutzgebietes ist es, alles zu vermeiden, was ein zusätzliches Risiko bringt", sagt Amtschef Karl Deindl. Von möglichen Sicherungssystemen, die das Wasser vor den Gefahren des GVZ abschotten soll, hält Deindl nichts: "So was minimiert zwar das Risiko, aber bei menschlichem Versagen oder Alterung kann dennoch etwas passieren."

Tatsächlich würde die Stadt mit dem Bau des Logistikzentrums gegen die "Verordnung über das Wasserschutzgebiet" verstoßen. Nach dieser ist es verboten, jegliche "bauliche Anlagen zu errichten oder zu erweitern". Auch Straßenbau wird strikt untersagt, lediglich "Feld-, Wald- und Eigentümerwege" sind erlaubt. Ausnahmen lässt die Verordnung zu, "wenn das Wohl der Allgemeinheit" dies erfordert.

Auch hierzu hat Deindl eine klare Meinung: "Dem Wohl der Allgemeinheit dient zuallererst das Trinkwasser." Er fragt die Stadtoberen: "Gibt es einen alternativen Standort für das GVZ - und gibt es eine Alternative zum Wasserschutzgebiet?"

Die Grünen-Stadträtin Petra Kleine kritisiert das Vorgehen der städtischen Wirtschaftsfördergesellschaft scharf: "Der Stadtrat wurde vor die vollendete Tatsache gestellt, dass ein Wasserschutzgebiet als Bauland infrage kommt", kritisiert sie, "das ist ein unverantwortliches Signal." Kleine räumt ein, dass die Expansionswünsche der Audi AG, des wichtigsten Arbeitgebers der Stadt, berechtigt seien. Sie akzeptiert aber nicht, dass das neue Logistikzentrum ausgerechnet im Wasserschutzgebiet entstehen muss.

So sieht das auch Georgine Müller vom Bund Naturschutz, die bereits eine Unterschriftensammlung ankündigt. Sie ist überzeugt, dass diese Aktion ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Schon einmal - 1999 - hatte der Bund Naturschutz die Stadt eingebremst. Damals sollten die Stadtwerke inklusive Wasserversorgungsbetrieb privatisiert werden. Kaum waren die 4000 Unterschriften übergeben, war der Plan vom Tisch.

"Damals haben die Leute zum Unterschreiben Schlange gestanden", berichtet Müller, "das werden sie diesmal auch wieder tun." Während 1999 lediglich Ingolstadt betroffen war, droht jetzt laut Müller ein Präzedenzfall, der bundesweit Schule machen könnte. "Wenn dieses Großprojekt durchgeht, dann kann künftig jeder Bauer, Handwerker und Eigentümer im Wasserschutzgebiet bauen", sagt die 57-Jährige. "Es ist schon ein Skandal, dass die Stadt diese Idee nicht von vornherein abgeblockt hat."

Die Verantwortlichen im Rathaus ihrerseits beteuern, auch für sie habe der Trinkwasserschutz oberste Priorität: "Niemand in diesem Stadtrat ergreift irgendeine Maßnahme, die unser Trinkwasser gefährdet", sagt Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU).

So gab der Stadtrat ein "hydrogeologisches Gutachten" in Auftrag, das die Machbarkeit des Projekts prüfen soll. Für Georgine Müller ist bereits mit dem Auftrag für den Gutachter die Grenze überschritten: "Wofür weise ich Schutzgebiete aus, wenn ich die Verordnungen nicht einhalte?"

Werner Richler, der Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft IFG, verteidigt seine Pläne: "Mit diesem Standort könnten wir den Lkw-Verkehr durch die Stadt stark verringern." Er betont, dass mitten durch das Wasserschutzgebiet schon immer die Bahnlinie nach Treuchtlingen führt. "Das wird in der Diskussion immer ignoriert."

Er wolle diese "Gütertrasse schlechthin" nutzen, um die Transporte der Audi-Zulieferer von der Straße auf die Schiene zu verlagern. "In irgendeinen sauren Apfel müssen wir beißen", sagt Richler, "entweder mehr Lkw und CO2 in der Stadt, oder das GVZ im Wasserschutzgebiet."

Das Gutachten des Aichacher Diplom-Geologen Robert Hurler soll im November vorliegen. Derzeit nimmt er mehr als 30 Bohrungen vor, die bis in eine Tiefe von 53 Metern gehen. Auch Bohrungen sind laut Wasserschutzverordnung übrigens verboten.

Die Bürgermeisterin der mitbetroffenen Marktgemeinde Gaimersheim, Andrea Mickel (SPD), äußert sich skeptisch über dieses Gutachten: "Die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes sagt eigentlich alles, das darf man nicht übergehen." IFG-Chef Richler hingegen zeigt sich optimistisch: "Ich bin sicher, dass nach der Maßnahme der Schutz des Trinkwassers besser ist als vorher."

© SZ vom 28.10.2008/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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