Ärzteprotest:Testfall für Deutschland

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In anderen Bundesländern blicken Kollegen und Gesundheitsfunktionäre gespannt auf die Entwicklung in Bayern.

Nina von Hardenberg

Die Protestaktion der bayerischen Hausärzte könnte auch für Verbände in anderen Bundesländern Signalcharakter haben. "Wir beobachten das sehr genau", sagte ein Sprecher des Deutschen Hausärzteverbandes am Mittwoch. Auch andere Mitgliedsverbände strebten so bald wie möglich Verhandlungen über einen Systemausstieg an.

Die Hausärzte in Bayern, die auf ihrer Generalversammlung in Nürnberg über eine kollektive Rückgabe ihrer Kassenzulassungen diskutierten, wollen den Spielraum nutzen, der durch die Gesundheitsreform entstanden ist. Dieser erlaubt es Krankenkassen, direkte Verträge mit Ärztegruppen abzuschließen. Bislang war dies fast nur über die Kassenärztliche Vereinigung, die Vertretung aller Kassenärzte, möglich.

"Wir begrüßen die Aktion der Kollegen in Bayern", sagte auch eine Sprecherin des Medi-Verbandes Baden-Württemberg der Süddeutschen Zeitung. Der Medi-Verband hat bereits im Sommer vergangenen Jahres eine Arbeitsgruppe Systemausstieg gegründet, deren Mitglieder auch mit den bayerischen Kollegen zusammenarbeiten.

In der Diskussion um den Systemausstieg spielt das Land Baden-Württemberg eine wichtige Rolle. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Baden-Württemberg verhandelt bereits ausschließlich mit dem Hausärzteverband sowie mit der Ärztevereinigung Medi über einen Vertrag für die hausärztliche Versorgung ihrer 3,9 Millionen Versicherten.

Das Gesamtvolumen des Vertrages wird auf eine Milliarde Euro geschätzt. Ein Ergebnis der Verhandlungen wird für Mitte März erwartet. Die AOK umgeht damit die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. "Wir hoffen, dass wir in einem direkten Vertrag mehr Einfluss auf die Qualität der Versorgung haben", erklärte der Chef der AOK Baden-Württemberg, Rolf Hoberg, die Motivation der Krankenkasse. Wie die Qualitätssicherung genau aussehen könnte, ließ Hoberg offen. Vorstellbar wären aber vertraglich festgelegte Honorarkürzungen, wenn Qualitätsstandards nicht erreicht werden.

Einen solchen direkten Vertrag mit den Krankenkassen strebt auch der bayerische Hausärzteverband an. Allerdings hat die bayerische AOK bereits abgewunken. Man wolle an dem bisherigen Vertragspartner festhalten, hieß es. Die Ärzteverbände in Baden-Württemberg begrüßen dagegen die direkten Verhandlungen mit der AOK als eine Möglichkeit des Systemausstiegs.

"Die Ärzte fühlen sich von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr vertreten", begründete die Medi-Sprecherin. Seit Jahren seien die Einkommen der Ärzte stark rückläufig. Die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten diese Politik als eine Art "Drangsalierungsbehörde" mitgetragen, statt die Interessen der Ärzte zu vertreten.

Unterschiede im Verdienst

Ob die Hausärzte wirklich so schlecht dastehen, ist indes umstritten. "Man muss ganz genau hinschauen", sagt der Bremer Gesundheitsexperte Norbert Schmacke. Die Situation sei auch in Bayern sehr unterschiedlich je nachdem, ob man einen Arzt auf dem Land oder in München befrage. München habe eine der höchsten Ärztedichten in Deutschland.

Entscheidend sei auch die Frage, wie hoch der Anteil an Privatpatienten einer Praxis sei. In Deutschland gebe es außerdem ein starkes Ost-West Gefälle bei den Gehältern. "In einigen Regionen Ostdeutschlands sind die Gehälter tatsächlich so gering, dass es schwer ist, Ärzte zu motivieren, dort eine Praxis aufzumachen", so Schmacke.

Langfristig müsse sich die Politik zudem überlegen, wie sie die Attraktivität der hausärztlichen Tätigkeit steigere. Antworten hierauf dürften aber nicht nur in höheren Honoraren gesucht werden. "Da gehört mehr als Geld dazu", sagt Schmacke. Auch das Ansehen der Hausärzte in der Gesellschaft und innerhalb der Medizin müsse verbessert werden.

© SZ vom 31.01.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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