Ärzteprotest in Nürnberg:"Sie haben uns behandelt wie Rotz am Ärmel"

Lesezeit: 2 min

Wolfgang Hafner aus dem fränkischen Büchenbach erklärt, warum er nicht mehr Kassenarzt sein will .

Olaf Przybilla

SZ: Jammern Sie als Hausarzt nicht auf ziemlich hohem Niveau?

Wolfgang Hafner: "Wir Hausärzte sind das Rückgrat der medizinischen Versorgung. Dieses Rückgrat soll nun gebrochen werden." (Foto: Foto: oh)

Wolfgang Hafner: Hohes Niveau? Ich habe Frau und Kind und die pure Existenzangst. Als Landarzt habe ich lediglich die Wahl: Entweder ich bleibe Hausarzt in diesem System, dann halte ich es mit meiner Praxis noch ein paar Jahre lang durch. Oder ich springe jetzt ab. Ich weiß zwar noch nicht, ob Wasser sein wird in dem neuen Becken. Eine andere Wahl aber als den Absprung habe ich nicht.

SZ: Sie übertreiben.

Hafner: Nein, ich habe noch eine Ehre, ein bisschen Selbstwertgefühl. Wissen Sie, was ich für einen nächtlichen Hausbesuch verdiene? Keine 15 Euro. Ein Handwerker nimmt dafür nicht den Telefonhörer ab. Ich behaupte nicht, dass ich verhungere, aber das kann der Maßstab für einen Akademiker auch nicht sein.

SZ: Was ist denn plötzlich so schlimm an dem System?

Hafner: Wir Hausärzte sind das Rückgrat der medizinischen Versorgung. Dieses Rückgrat soll nun gebrochen werden. Wir sollen durch Caremanager ersetzt werden - weil die billiger sind und so gehorchen müssen, wie ihre Arbeitgeber, die großen Kassen, das wollen. Wenn ich in Büchenbach meine Patienten noch ordentlich mit Medikamenten versorgen will, auch die alten und besonders kranken, dann blühen mir Prozesse vor dem Sozialgericht und Regressforderungen. Mit 250.000 Euro drohten sie uns im vergangenen Jahr. Aber auf dem Land können Sie sich die Patienten nicht aussuchen. Hier geht es nicht um Wellnessversorgung, das ist hier nicht Starnberg.

SZ: Ist aber die Rückgabe der Zulassung nicht arg plakativ?

Hafner: Was sollen wir denn anders machen? Wir Landärzte haben jahrelang versucht, Gehör bei unseren Landtagsabgeordneten zu finden. Es ist nichts passiert. Wenn wir jetzt nicht handeln im Jahr der Landtagswahl, dann haben wir schon verloren. Es wird nicht mehr gelingen, uns mundtot zu machen.

SZ: Mundtot?

Hafner: Seit wir uns wehren, bekomme ich Post mit den Drohungen meiner Standesvertreter. Ich werde massiv unter Druck gesetzt: Wenn ich die Zulassung zurückgebe, muss ich Angestellte entlassen und die Praxis am Ende selbst putzen, schreibt mir die KV, die Kassenärztliche Vereinigung. Was ist denn das für eine Vertretung? Sie drohen uns damit, Busladungen von Ärzten aus Tschechien in die bayerischen Bezirke zu schaffen, um die Versorgung sicherzustellen.

SZ: Was bleibt der KV anderes übrig?

Hafner: Habe ich als Landarzt kein Recht auf eine Vertretung? Was muss die KV für eine Angst haben, wenn ich dermaßen erpresst werde. Und warum zittert die bayerische Staatsregierung plötzlich vor ein paar tausend bayerischen Hausärzten? Ich sage es Ihnen: Weil wir im Begriff sind, eine Lawine im Gesundheitssystem loszutreten. Bislang haben sie uns behandelt wie den Rotz am Ärmel. Jetzt merken Krankenkassen, KV-Vertreter und die Staatsregierung, dass wir Landärzte uns auch wehren können.

SZ: Fürchten Sie keinen Vertrauensverlust bei den Patienten?

Hafner: Unsere Patienten wissen genau, was wir arbeiten - und dass das Klischee vom golfspielenden Arzt mit Porsche auf dem Land ein Witz ist. Mein Mercedes ist geleast. Ich arbeite 65 Stunden in der Woche, meist auch am Wochenende, muss aber um den Erhalt meiner Praxis fürchten. Nach sechs Jahren Studium und fünf Jahren Facharztweiterbildung bekomme ich das Gehalt eines besseren Facharbeiters, im besten Fall 3500 Euro.

SZ: Es geht also ums Geld.

Hafner: Bestimmt nicht um ein paar Euro mehr oder weniger. Diese System macht uns Landärzte kaputt.

Wolfgang Hafner, 50, ist Allgemeinarzt in einer Gemeinschaftspraxis in der mittelfränkischen Gemeinde Büchenbach im ländlichen Landkreis Roth. Am Mittwoch hat er in Nürnberg seine kassenärztliche Zulassung zurückgegeben.

© SZ vom 31.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: