Abonnentin der ersten Stunde gestorben:67 Jahre lang SZ gelesen

Lesezeit: 2 min

Seit 1945 hat Viktoria Inderfurth die SZ gelesen - und blieb ihr seitdem treu. Jetzt ist die treueste Abonnentin der Zeitung gestorben.

Franz Kotteder

Als im Oktober 2005 im Kuppelsaal der alten Postkantine an der Arnulfstraße ein rauschendes Fest zum 60. Geburtstag der Süddeutschen Zeitung gefeiert wurde, war Viktoria Inderfurth eine der Stars unter den 800 geladenen Gästen.

Viktoria Inderfurth wurde 2005 als älteste SZ-Abonnentin geehrt. (Foto: Stephan Rumpf)

Der damalige Chefredakteur Hans Werner Kilz überreichte ihr feierlich einen Blumenstrauß, und für viele der anwesenden Redakteurinnen und Redakteure war sie an diesem Abend beinahe der liebste Gast, den sie ein bisschen ehrfürchtig bewunderten. Denn Viktoria Inderfurth wurde damals geehrt als älteste Abonnentin der SZ. Sie hatte die Zeitung 1945 bestellt und seitdem behalten. Das waren exakt 60 Jahre, und das überschreitet ja deutlich das Lebensalter der meisten von jenen, die jeden Tag diese Zeitung machen.

Nun ist Viktoria Inderfurth 93-jährig in München gestorben. "Sie war nicht krank und ist zu Hause friedlich eingeschlafen", sagt ihre Schwester Maria Fastenmeier. Bis zuletzt habe sie Zeitung gelesen. Und einer ihrer Wünsche ist in Erfüllung gegangen. In einem Interview mit der SZ sagte sie im Jubiläumsjahr 2005: "Ich habe mir die Neunzig als Ziel gesetzt."

Geboren wurde Viktoria Inderfurth 1919 als ältestes von drei Kindern; zusammen wuchsen sie in der Schwabinger Zentnerstraße auf. Die Grundschule besuchte sie an der Schwindstraße, später dann ging sie auf das Luisengymnasium, das damals noch "Lyceum" hieß, selbstverständlich nur Mädchen zuließ und im Monat zwanzig Mark Schulgeld kostete - trotz der Ermäßigung für zwei Geschwister. "Wir sind alle drei in München geblieben", erzählt die Schwester, "sind alle drei hier zur Schule gegangen und wurden alle drei hier ausgebombt." Letzteres war in den vergangenen Wochen wieder Thema für die beiden Schwestern, durch die Bombe in der Feilitzschstraße.

Dass Viktoria Inderfurth gleich nach 1945 Abonnentin wurde wie später auch ihre beiden Geschwister, lag nahe, denn die Familie hatte schon den Vorläufer, die Münchner Neuesten Nachrichten, täglich zu Hause. "In der Zeitung standen vor allem die ganzen Aufrufe und Informationen über Lebensmittelzuteilungen", sagte Inderfurth 2005 im SZ-Interview, "so viel wie heute gab's damals freilich noch nicht: zwei große Bögen, das war's. Die hatte man schnell durch." Das sei nicht schlimm gewesen, meinte Inderfurth, sie habe damals ohnehin kaum Zeit zum Lesen gehabt. Das sei erst später besser geworden.

Und 1956 hat sie sogar an der ersten Leserreise der SZ nach Wien teilgenommen: "Wir fuhren mit mehreren Bussen in die Stadt und sind mit einer Polizeieskorte zum Bürgermeister gebracht worden." Die Treueprämie für 60 Jahre Abo, eine Reise in die Türkei, lehnte sie ab ("So ein Unsinn!"), studierte aber jede Ausgabe "sicherlich drei Stunden lang. Und mit den Todesanzeigen fange ich immer an." Neugierig war sie auch auf die Leserbriefe. Sie wollte wissen, "wer aus meinem Bekanntenkreis jetzt wieder irgendeinen Schmarrn geschrieben hat".

Viktoria Inderfurth ist bereits am Montag gestorben. Die Beisetzung findet an diesem Freitag um zwölf Uhr auf dem Westfriedhof statt.

© SZ vom 13.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: