100 Jahre BH:Halt mich!

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Formsache: Passen soll der BH, modellieren und auch noch hübsch aussehen. Die Dessousmode hat sich über die Jahrzehnte stark verändert. (Foto: © Triumph)
  • Vor 100 Jahren erfand die Amerikanerin Mary Phelps Jacobsen den modernen Büstenhalter.
  • Es begann die Geschichte eines Kleidungsstücks, das nicht nur die weibliche Silhouette formte, sondern auch durch sein Nicht-Vorhandensein als politisches Statement taugte.
  • Zum Jubiläum widmet das Museum für Kommunikation in Nürnberg dem kleinen Stück Stoff und seiner großen Geschichte eine Ausstellung.

Von Katja Auer, Nürnberg

Als die Amerikanerin Mary Phelps Jacob vor 100 Jahren ihr Ballkleid anziehen wollte, da merkte sie, wie unschön sich das Korsett darunter abzeichnete. Sie zog es aus und bastelte einen Ersatz aus zwei Taschentüchern und einem rosafarbenen Band. Der "moderne" Büstenhalter war erfunden. Es begann die Geschichte eines Kleidungsstücks, das nicht nur die weibliche Silhouette formte, sondern sogar, meistens durch sein Nicht-Vorhandensein, als politisches Statement taugte. Zum Jubiläum zeigt das Nürnberger Museum für Kommunikation die Ausstellung "Body Talks - 100 Jahre BH".

Es muss eine Befreiung gewesen sein, als sich die Frauen endlich nicht mehr in die Korsetts schnüren mussten, wie es um 1900 üblich war. Damals betrug der ideale Taillenumfang 40 Zentimeter, also 20 Zentimeter weniger als bei der heutigen Idealfigur. Wer sich zu eng schnürte, musste um seine Gesundheit fürchten, körperliche Deformierungen drohten.

Ein Vierteljahrhundert später presste sich keine Frau mehr in die engen Mieder. Die Kleider wurden weiter, die Frisuren kürzer und die Damen burschikoser. Das Frauenwahlrecht hatte sie selbstbewusster werden lassen und die Tatsache, dass während des Ersten Weltkriegs viele ohne Männer zurechtkommen mussten. Garçonne hießen die modernen Frauen der Weimarer Republik, mit Bubikopf und Zigarettenspitze passten sie nicht mehr in das alte Idealbild von der Frau im sittlichen und dennoch reizvollen Korsett.

Der BH im Zweiten Weltkrieg

1932 wurden die Körbchengrößen eingeführt, die Damen konnten nun industriell gefertigte BHs kaufen. Doch in der Nazi-Zeit stoppte die Emanzipation, Frauen wurden zur Hüterin der Rasse stilisiert, mit dem Mutterkreuz ausgezeichnet, wenn sie nur genügend Kinder bekamen.

In Amerika dagegen rekelten sich Pin-up-Girls auf Postkarten, die in den Spinden der Soldaten klebten, sogar auf die Kampfflugzeuge wurden sie gemalt, um die Potenz der Truppe zu beweisen und die Moral der Männer zu stärken. "Sie stellen damit ihre Körper in den Kriegsdienst", sagt Ausstellungsmacherin Julia Bastian. Und doch war es anrüchig, den weiblichen Körper zur Schau zu stellen: Als 1932 der Bikini erfunden wurde, habe der Designer keine Models gefunden, die ihn vorführen wollten. Damen aus dem Rotlichtmilieu hätten die Bademode schließlich in einem Pariser Freibad präsentiert.

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(Foto: © Chantelle- Archiv)

Plastik-Kurven in Schwarzweiß: Ein Schaufenster der Firma Chantelle in den Grands Magasins du Louvre, 1952.

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(Foto: © Triumph)

Werbemäßig wurde schon früh großer Aufwand betrieben, um die Frauen mit ihrem "ersten BH" an die Marken zu binden. Ein Plakat von 1910.

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(Foto: © Triumph)

Um 1900 trägt die gutsituierte Dame stets die passende Garderobe - als "Darunter" kommt zu dieser Zeit nur das Korsett in Frage. Zeichnung von 1910.

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(Foto: © Pierre-Laurent Brenot/Adagp, Paris 2010)

Der bekannte Pariser Maler und Illustrator Pierre-Laurent Brenot kreierte 1950 für Chantelle das Pin-up-Girl mit dem "Mieder, das niemals hochrutscht"

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(Foto: © Felina GmbH)

"Schönere Figur durch Felina": In den Fünfzigerjahren sollte die Wäsche die weiblichen Kurven formen.

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(Foto: © Triumph)

Später wurde der Stoff weniger...

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(Foto: © Triumph)

... und auch der Bikini galt nicht mehr als undamenhaft.

Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren durften die weiblichen Kurven wieder üppiger sein, es war die Zeit von Ikonen wie Marilyn Monroe und Sophia Loren. Frauen zwängten sich wieder in Mieder, um ihre Figuren zu formen. Die Hüften sollten rund, der Busen sollte groß und eher spitz sein. Das Fräuleinwunder war gefragt, von Emanzipation keine Rede mehr, nicht einmal arbeiten durfte eine Frau ohne die Zustimmung ihres Ehemannes.

Von der sexuellen Revolution zum Wonderbra

Dann kamen die sexuelle Revolution und 68er Revolte und der BH wurde beinahe abgeschafft. Frauen legten das vermeintlich diktatorische Kleidungsstück ab und sahen ihre Rolle als Ehefrau überholt, die im Haushalt funktionieren und dabei adrett aussehen soll. Gleichzeitig erschienen erstmals nackte Brüste auf den Titelblättern, die Befreiung des Busens führte auch zu seiner Vermarktung. Die Zeitschrift Emma, das Kampfblatt der Frauenbewegung, verklagte den Stern wegen eines solchen Fotos. Allerdings scheiterte die Klage, ein Gesetz gegen Sexismus gab es nicht.

In den 1980er Jahren übernahm Jane Fonda die Ikonen-Rolle. Aerobic war im Trend, Unterwäsche durfte nun auch drüber getragen werden. Der Body wurde modern und zur Jeans kombiniert. Der Körperkult setzte sich fort, die 1990er Jahre waren die Zeit der Supermodels. Brüste sollten groß und makellos sein - wer die nicht hatte, half mit Schönheitsoperationen nach. Der Wonderbra wurde erfunden, der gepolsterte BH, der Busen größer wirken lässt.

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Der Atombusen gehört bis heute zum Schönheitsideal; kaum ein BH, der nicht gepolstert oder wattiert ist. Sie seien "zum allgemeinen Diktat der Weiblichkeit geworden", heißt es in der Ausstellung. Und auch politisch ist die weibliche Oberweite wieder. Die Mitglieder der Frauenbewegung Femen schreiben sich ihre Parolen gerne auf die nackten Brüste, die sie dann herzeigen. Provokant ist das nicht mehr überall, längst hat man sich an Frauen oben ohne gewöhnt.

In den USA allerdings nicht, dort ist es vielerorts nicht erlaubt, beim Baden die Hüllen fallen zu lassen. Aber auch dafür gibt es längst den passenden BH: das Tata Top, einen hautfarbenen Büstenhalter mit aufgemalten Brustwarzen.

Body Talks - 100 Jahre BH im Museum für Kommunikation, Lessingstr. 6, 90443 Nürnberg. Di. bis Fr. 9 bis 17 Uhr, Sa. und So. 10 bis 18 Uhr. Bis 7. Juni. Informationen im Internet: www.mfk-nuernberg.de

© SZ vom 26.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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