Wiener Motorensymposium:Alle wollen weg vom Öl

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Nach jüngsten Prognosen wird der Energiebedarf für Mobilität auch noch im Jahr 2100 überwiegend durch flüssige Treibstoffe gedeckt werden müssen. Weitere Verbrauchsfortschritte sind jedoch mit hohen Kosten verbunden.

Joachim Becker

Krise? Welche Krise? Steigende Spritpreise sind ein Motor des Fortschritts. "Energie und Verbrauch treiben viele unserer Gedanken angesichts des Allzeithochs beim Ölpreis", sagte Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder anlässlich der Eröffnung des 27. Internationalen Motorensymposiums in Wien. Zwischen Plüsch und Pomp der alten Hofburg diskutierten rund 1.000 Experten aus aller Welt, was uns morgen bewegt.

Teurer Kraftstoff: Im Durchschnitt mussten die deutschen Autofahrer Ende April für den Liter Super 1,336 Euro bezahlen, für Diesel 1,137 Euro. (Foto: Foto: ddp)

Das Jahrestreffen gilt als Frühindikator für Motoren- und Modetrends der Branche: Die modernen Diesel nahmen hier ihren Lauf, Technikträume wie das Drei-Liter-Auto wurden gefeiert, während Hybridantriebe lange Zeit als unbedeutende Marktnische galten. Das hat sich geändert, doch völlig Neues konnten die Experten diesmal nicht aus dem Zylinder zaubern: Jeder weitere Effizienz- und Emissionsfortschritt ist mit hohen Kosten verbunden.

"Wir brauchen dringender denn je innovative Technologien"

Auf 180 Trillionen Liter werden die Erdölvorräte geschätzt, darin waren sich Wissenschaftler und Techniker in Wien einig. "Das klingt viel, ist aber nur das doppelte Volumen des Genfer Sees", rechnete Mercedes-Entwicklungschef Thomas Weber vor. In einen Würfel gepackt, ergäbe die Ölreserven ein Quadrat von 5,6 Kilometer Kantenlänge, aus dem jährlich ein Viereck mit je 1,6 Kilometer Kantenlänge verbraucht wird.

Webers Fazit: "Wir brauchen dringender denn je innovative Technologien, um vom Öl wegzukommen." Roger J. Johansson, Vice President GM Powertrain Europe, beschrieb eine Zukunft mit alternativen Kraftstoffen: "GM hat schon 1,7 Millionen Ethanol-Fahrzeuge verkauft und jedes Jahr kommen 400.000 dazu."

Weg vom Öl wollen alle. Dem steht jedoch ein weltweit wachsender Transportbedarf entgegen. Das Londoner World Energy Council geht davon aus, dass sich der Energiehunger für Mobilität bis zum Ende des Jahrhunderts verdreifachen wird.

"Obwohl die Nutzung alternativer Energiequellen stetig ansteigt, wird dieser Anstieg nicht ausreichen, um die erhöhte Nachfrage nach Ölprodukten in den nächsten 20 Jahren auszugleichen", erklärte Wolfgang Warnecke, Geschäftsführer der Shell Global Solutions (Deutschland) GmbH, in Wien: "Es wird für die Ölindustrie eine große Herausforderung, bis 2015 einen Biokraftstoffanteil von zehn Prozent zu erreichen."

Biodiesel und Ethanol sind für Sparfüchse wegen ihres Steuerbonusses attraktiv. Wenn der Fiskus wie angekündigt 70 Cent Steuer aufschlägt, dann steigt der Preis für Biosprit auf mehr als 1,40 Euro je Liter - und das bei einem rund zehn Prozent höheren Kraftstoffverbrauch.

Regenwald in Gefahr

Zudem ziehen die Preise für den begehrten Ölersatz an: "Schweden kauft gerade den brasilianischen Markt für Rohrzucker leer, um mit Ethanol bis 2020 unabhängig vom Erdöl zu werden. Das kann nicht die Lösung sein", so Warnecke in seinem viel beachteten Vortrag.

"Die Gefahr steigt, dass der Regenwald gerodet wird, um Anbaufläche für alternative Kraftstoffe zu gewinnen." Auch die Verbreitung des Wasserstoffantriebs liegt laut Wolfgang Warnecke noch in weiter Ferne: "Wir bei Shell glauben nicht an eine Wasserstoff-Infrastruktur innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre."

Mobilität bleibt weiterhin fast vollständig vom Erdöl abhängig. Um die Kraftstoffkosten trotzdem in den Griff zu kriegen, müssen die Benziner effizienter werden. BMW und Mercedes setzen dabei auf die Direkteinspritzung der zweiten Generation. "Der neue Mercedes CLS 350 CGI steigert die Leistung um acht Prozent und senkt den Verbrauch gleichzeitig um zehn Prozent", kündigt Mercedes-Entwicklungschef Thomas Weber an.

Gegenüber dem bisherigen 3,5-Liter-Saugmotor wird die Spar- und Spaßversion ab Juli netto 1.200 Euro mehr kosten. Nicht viel für die aufwändige Magerverbrennung, die bis 4.500 Umdrehungen zumeist nur die Kolbenmulden mit Kraftstoff füllt.

Tatsächlich offeriert Mercedes in diesem Fall Hightech zum Dumpingpreis: Allein der Stickoxid-Katalysator kostet mit den entsprechenden Sensoren rund 500 Euro, die sechs Piezo-Injektoren schlagen samt Common-Rail-Kraftstoffsystem ebenfalls mit einem dreistelligen Betrag zu Buche. Für Volumenmodelle rechnet sich das erst, wenn die CO2-basierte Kfz-Steuer kommt. Dann könnten auch Vierzylinder-Kunden bereit sein, für die Sparsamkeit mehr Geld auszugeben.

Verzicht verkauft sich schlecht. Diese Erfahrung mussten deutsche Hersteller mit ihren Drei-Liter-Autos genauso machen wie mit der ersten Generation der mageren Benzindirekteinspritzung. Daher sollen Turbolader das Sparen künftig mit einem kräftigen Leistungsbonus versüßen.

Sinkende Systemkosten

"Wir arbeiten an der Aufladung für den neuen 3,5-Liter-CGI", kündigte Anton Waltner in seiner Motorenpräsentation an. BMW geht mit dem 335i Coupé ab Juni in Serie, das den Piezo-Direkteinspritzer mit einem Bi-Turbo kombiniert. Fast alle Hersteller werden ihren Benzinern künftig richtig Druck machen. Dadurch rücken Vierzylinder den Sechszylindern auf den Leib, die ihrerseits die Leistung von Achtzylindern erreichen.

Weiter sinken werden nur die Systemkosten - zum Beispiel durch ein Brennverfahren, das den NOx-Katalysator überflüssig macht. "Um die Emissionsziele von 120 Gramm CO2 bis 2012 zu erreichen, setzen wir unter anderem auf die kontrollierte Selbstzündung homogener Magergemische mit hohen Abgasrückführungsraten", berichtete Bosch-Bereichsvorstand Rolf Leonhard auf dem Wiener Symposium.

Zukunftsweisende Experimente

Der fremdgezündete Benziner soll künftig von den Stärken des selbstzündenden Diesels profitieren. Unter dem Namen Diesotto oder HCCI (Homogenous Combined Cumbustion Ignition) geistert das kombinierte Brennverfahren schon seit längerem durch Fachkongresse und Publikationen.

Bei versierten Otto-Normalverbrauchern läuten dabei sämtliche Warnglocken: Selbstzündung und hohe Spitzendrücke sind an dem gefürchteten Motorklingeln schuld, das den Benziner in kurzer Zeit ruiniert. In den Versuchslaboren erzeugt auch die kontrollierte Selbstzündung noch nervtötendes Klingeln.

Volkswagen experimentiert deshalb mit klopffesten synthetischen Kraftstoffen. "Damit gelingt es heute noch nicht, die Ziele bei Emissionen, Geräusch und Verbrauch in allen Betriebspunkten zu erreichen", so Wolfgang Steiger in seinem Vortrag. Weitere Untersuchungen werden daher mit vollvariablen Einspritz- und Ventilsystemen durchgeführt. Auch dieser Sparmotor wird also ziemlich teuer.

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