Volvo XC60:Kleiner ist feiner

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Der Volvo XC60 rollt mit einer gewaltigen Welle mittelgroßer Sport Utilities gegen die Gestade des Marktes.

Oskar Weber

Volvo-Manager Lars Blenwall, Leiter des Projektes XC60, eröffnet die Partie offensiv: "Unser neues Auto ist ein Crossover, kein SUV." Wortgeklingel, geschenkt. Die gegenwärtige gesellschaftspolitische Diskussion macht es aber auch wirklich nicht leicht, kleine Elefantenbabys in die Welt zu setzen. Und Volvo steht nicht alleine mit dem Problem. Ausgerechnet jetzt, da der Spritpreis und die EU-Kommission Verbrauchs- und Umweltsinne des Autofahrers nachhaltig schärfen, schickt die Industrie ein auf den ersten Blick höchst eigenwilliges Kontrastprogramm ins Rennen. Der Mercedes GLK, der Audi Q5, der Renault Koleos und der Volvo XC60 sollen im Segment der mittelgroßen SUVs an die ertragreichen Erfolge des Trendsetters BMW X3 und des Bestsellers VW Tiguan anknüpfen.

Fließender Übergang: Der neue Volvo XC60 gibt sich für einen Geländewagen betont sanft im Design. Interessant ist vor allem auch sein neues Antikollisionssystem, das Auffahrunfälle vermeiden soll. (Foto: Foto: Volvo)

Ob das in die Zeit passt, ist eine müßige Frage. Der Markt entscheidet über den Erfolg eines Wirtschaftsunternehmens, nicht die politisch korrekte Interpretation gefühlter Stimmungslagen. Und bei Licht betrachtet ist die automobile Spezies der Sport Utility Vehicles, wie die für die Straße gezähmten Soft-Geländewagen in unnachahmlichem Marketingesisch heißen, ja auch eine praktische Sache: hohe Sitzposition, gute Übersichtlichkeit, großzügige Platzverhältnisse, sichere Fahreigenschaften, Schlecht-Wege-Tauglichkeit. Wenn die Dinger nur nicht so klobig wären, so schwer, so absurd groß. Kein Autofahrer, der physikalisch auf drei zählen kann, möchte schließlich die Stirnfläche eines kleinen Reihenhauses durch den Fahrtwind schieben.

Das Nützliche mit dem Verträglichen zu verbinden - im SUV-Fall bedeutet das, einfach einmal einen kleineren Schluck aus der Pulle zu nehmen, und der BMW X3 und der VW Tiguan beweisen das Erfolgspotential des Weniger-ist-mehr-Rezepts eindrucksvoll.

Weniger SUV, mehr Auto? Der neue Volvo belegt diese These schon bei der ersten Kontaktaufnahme. Der XC60 ist mit 4,63 Meter knapp 20 Zentimeter kürzer als der Bestseller XC90, wirkt aber ähnlich geräumig. Die von Steve Mattin im neuen Rundstil gezeichnete Karosserie mit der hohen Schulterpartie und den schmalen Fensterflächen bietet Platz für fünf Reisende und 500 Liter Gepäck, ohne deshalb gleich bei jeder etwas knapper dimensionierten Parklücke resignieren zu müssen.

Umso bedauerlicher ist für europäische Interessenten, dass die Volvo-Entwickler die Fahrzeugbreite an den Infrastruktur-Dimensionen des (wichtigen) US-Marktes ausgelegt haben: 1,89 Meter ohne und 2,14 Meter mit Außenspiegeln verbannen den XC60 in Autobahn-Baustellen auf die Lastwagenspur und machen Innenstadt-Parkhäuser zu Höhlen des Grauens. Zum Vergleich: Der neue Mercedes GLK ist fünf Zentimeter schmaler, der VW Tiguan sogar acht Zentimeter.

Audi Q5
:Der Selbstbewusste

Eine Optik, die weder bullig noch peinlich ist - mit dem Kompatk-SUV Q5 scheint Audi das richtige Auto zur richtigen Zeit am Start zu haben.

Im Innenraum ist dafür alles Volvo. Bequeme Sitze, gute Verarbeitung, sorgfältige Materialauswahl, helles Ambiente. Zufriedenheit bei Fahrer und Beifahrern: Die Bedienung ist einfach, der Komfort gut, der XC60 lädt auf lange Strecken ein. Für den Vortrieb ist der ein bisschen brummige, aber sparsame 2,4-Liter-Fünfzylinder-Diesel erste Wahl. Das ausgereifte Aggregat wird in zwei elektronisch determinierten Leistungsstufen angeboten - 120 kW (163 PS) bei 350 Nm Drehmoment und 136 kW (185 PS) bei 400 Nm -, der Normverbrauch ist identisch: 7,5 und 8,3 Liter auf 100 Kilometer für Sechs-Gang-Schaltgetriebe und Sechs-Gang-Automatik. Das sind Verbrauchswerte, die gar nicht so übel klingen und die sogar erreichbar sind, solange der Fahrer sein gelassenes Gemüt und seinen leichten Gasfuß pflegt.

Eher der Chronistenpflicht geschuldet ist hingegen der Hinweis auf den ebenfalls lieferbaren Dreiliter-Sechszylinder-Benziner, dem ein Turbolader den Marsch bläst (210 kW/285 PS; 400 Nm) und der das SUV zum Säufer macht: 11,9 Liter Normverbrauch sind auf deutschen Straßen kaum realisierbar.

Ein Crossover soll er sein, kein SUV, der Rundling aus Steve Mattins Feder. Dennoch gibt es den XC60 zum Marktstart am 22. November zunächst nur mit permanentem Allradantrieb - die Haldex-Kupplung schließt bei Schlupf an der Vorderachse und leitet Antriebskraft zu den Hinterrädern -, ein reiner Fronttriebler wird aber schon im kommenden Jahr nachgeschoben.

Volvo gleich Sicherheit, so wie früher? Ganz genau. Das vielleicht beste Argument, das der XC60 mit in die Showrooms der Händler nimmt, heißt City Safety. Das Antikollisionssystem ist bei Geschwindigkeiten bis 30 km/h aktiv und leitet in Gefahrensituationen automatisch Notbremsungen ein: Bis 15 km/h werden Auffahrunfälle ganz vermieden, im Geschwindigkeitsbereich zwischen 15 und 30 km/h werden die Aufprallgeschwindigkeit und damit die Unfallfolgen reduziert.

Der Test beweist: Es funktioniert im Regelfall tadellos. Das Bremssystem basiert auf einem optischen Laser, der in der oberen Hälfte der Windschutzscheibe angebracht ist. Der Laser reagiert auf Fahrzeuge und Hindernisse in einem Abstand von bis zu zehn Meter. Schwächen von City Safety: Eine stark verschmutzte Windschutzscheibe kann das System lahmlegen. Und: Schmale Silhouetten, die sich außerhalb des Laserstrahls befinden - Fußgänger etwa, Fahrrad- oder Motorradfahrer - werden nicht wahrgenommen.

"50 plus." Volvo-Manager Blenwall fasst, weitab vom bayerischen Landtagswahlkampf, die Zielsetzung für den XC60 in diese zwei dürren Worte. Soll heißen: Die XC60-Produktion im belgischen Werk Gent ist zunächst auf ein Jahresvolumen von 50.000 Einheiten ausgelegt. 20.000 XC60 sollen jährlich in die USA gehen, 20.000 nach Europa, 10.000 in die alten und neuen Märkte Asiens und Ozeaniens. Jährlich 5000 XC60 wollen die Volvo-Statthalter in Deutschland verkaufen.

Das wird klappen. Dafür sprechen die vernünftige Größe des XC60, die technischen Qualitäten, vor allem aber das serienmäßige Sicherheitssystem City Safety. Und die Preiskalkulation. Clevere Rechner nehmen den 2,4-Liter-Diesel mit 163 PS in Verbindung mit der fast kompletten Basisausstattung und der ebenso kleidsamen wie aufpreisfreien Lackfarbe Polarweiß. Macht 33.900 Euro. Der Preis ist heiß.

© SZ vom 20.9.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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