Verkehrsstrafen:Die Augen des Gesetzes

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Geldbußen für schwere Verkehrsverstöße sollen kommendes Jahr erhöht werden - im Namen der Verkehrssicherheit.

Marion Zellner

Die Bußgelder für schwere Verstöße im Straßenverkehr - Rasen, Drängeln, Fahren unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss - sollen drastisch erhöht werden. Diesen Vorschlag von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee haben die Landesverkehrsminister vergangene Woche grundsätzlich unterstützt.

Wer zu schnell unterwegs ist oder anderen bis aufs Nummernschild auffährt, soll künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen, denn diese Verstöße sind besonders unfallträchtig (Foto: Foto: dpa)

Eine Nachricht, die sich bestens für die Stammtische eignet: Von noch mehr Abzocke ist schnell die Rede - schließlich seien die Strafen jetzt schon viel zu hoch. Von sozialer Ungerechtigkeit wird auch gesprochen - schließlich würden so hohe Bußgelder Besserverdiener, die meist sowieso PS-starke Autos führen, nicht schmerzen, die kleinen Leute mit ihren schwachen Gebrauchtwagen dafür umso mehr.

Ab 2008 sollen die neuen Bußgelder gelten

Gerne hätte Tiefensee auch leichte Verstöße wie falsches Parken oder Telefonieren mit dem Handy härter bestraft. Doch da legten sich die Länderminister quer. Nun heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium, man erwäge, "solche Ordnungswidrigkeiten gesondert zu behandeln". Mit dem Inkrafttreten der neuen Bußgeldsätze - die Zustimmung des Bundesrates vorausgesetzt - wird für das kommende Jahr gerechnet.

Seit 1990 haben in Deutschland keine gravierenden Bußgelderhöhungen stattgefunden; der Bußgeldkatalog blieb sozusagen ohne Inflationsausgleich, was manche hinter vorgehaltener Hand so interpretieren, dass die Strafen im Laufe der vergangenen Jahre eigentlich immer niedriger wurden.

Im Bundesverkehrsministerium gibt es für die Preiserhöhung eine andere Erklärung: "Sie sollen den Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit dienen." Und tatsächlich ist es so, dass diese, künftig härter bestraften Delikte zu besonders schweren Unfällen führen, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden belegen.

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Im vergangenen Jahr lagen die Ursachen für einen Unfall zu 87 Prozent am Fehlverhalten des Fahrers. Meist war das nicht angepasste Geschwindigkeit. Bei derartigen Unfällen starben 2006 insgesamt 2170 Personen. Das heißt, 43 Prozent aller im Straßenverkehr Getöteten sowie jeder fünfte Unfall gehen auf zu schnelles Fahren zurück. Ähnlich dramatisch ist das Bild der Unfälle, die von angetrunkenen Fahrern verursacht wurden. 599 Menschen starben - zwölf Prozent aller Verkehrstoten.

Im Visier: Wer von Alkohol oder Drogen umnebelt am Steuer sitzt, soll künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen, denn diese Verstöße sind besonders unfallträchtig. (Foto: Foto: AP)

Die Frage ist, ob höhere Geldbußen tatsächlich zu regelkonformer Fahrweise erziehen. "Die Lernpsychologie ist hier eindeutig: Die Strafe für ein Fehlverhalten muss drastisch sein und unmittelbar erfolgen", sagt Berthold Färber, Verkehrspsychologe an der Universität der Bundeswehr in München.

Mit hohen Geldbußen wäre zwar die erste Anforderung erfüllt, doch bei der Unmittelbarkeit sieht Färber das größere Problem. Eine Möglichkeit ist, die Kontrolldichte zu erhöhen. Doch, so hat eine Studie gezeigt, "es reicht schon die reine Präsenz der Polizei. Sie muss weiter gar nichts tun, um die Verkehrsmoral zu heben", berichtet Färber. So wie sich Kinder auch anders verhalten, wenn Erwachsene in der Nähe sind. Denn "Autofahrer sind in diesem Fall nichts anderes als große Kinder", so der Verkehrspsychologe.

So sieht das auch Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Maßnahmen, die der Verkehrssicherheit dienen sollen, und nicht "fiskalischen Gesichtspunkten", seien nur dann effizient, wenn gleichzeitig die Zahl der Kontrollen zunimmt. Doch: "Die Kontrolldichte kann nicht gesteigert werden. Wir haben das Personal nicht, die polizeiliche Verkehrsüberwachung wird sogar immer weiter abgebaut", dampft Freiberg die Erwartungen an eine Reduzierung der Unfallzahlen.

Im Ausland ist's noch teurer

Um ein Indiz dafür zu finden, ob hohes Bußgeld tatsächlich diszipliniert, lohnt ein Blick ins europäische Ausland. Beispiel Alkohol: In Deutschland werden bisher wenigstens 250 Euro fällig, wenn man zum ersten Mal mit zu viel Promille im Blut erwischt wird; das soll künftig auf das Doppelte erhöht werden. In Ländern wie Schweden und Großbritannien ist man heute schon deutlich mehr Geld los. In Schweden, dort gilt eine 0,2-Promille-Grenze, wird mindestens ein Netto-Monatseinkommen fällig. Auf der britischen Insel (0,8 Promille) können es bis zu 7350 Euro sein.

Höher sind dort auch die Strafen für zu schnelles Fahren. Wer 20 km/h mehr als die vorgeschriebene Geschwindigkeit fährt, zählt bei uns bis maximal 35 Euro; je nachdem, ob der Verstoß inner- oder außerorts begangen wurde. In Schweden geht es erst bei 260 Euro los, in Großbritannien stehen mindestens 75 Euro auf dem Ticket. Beide Länder gehören übrigens seit Jahren zu den Spitzenreitern bei der Verkehrssicherheit in Europa. Berechnet man die Zahl der Verkehrstoten bezogen auf eine Million Pkw starben in Großbritannien 2004 exakt 121 Menschen, in Schweden 117. Im gleichen Jahr war in Deutschland 129 Tote zu beklagen.

Ute Hammer, Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), unterstützt zwar die geplante Bußgelderhöhung, doch hält sie das "nicht für die allein seligmachende Maßnahme". Beim DVR setze man eher auf Aufklärung und Sensibilisierung. Denn man dürfe nicht vergessen, dass nicht jeder, der mit nicht angepasster Geschwindigkeit unterwegs ist, zu den "Hartgesottenen" gehöre. Oft führe "Unachtsamkeit und auch das Unterschätzen einer Situation" zu Unfällen. Gerade auf Landstraßen, wo 60 Prozent aller im Straßenverkehr tödlich Verletzten zu beklagen sind, sei vielen das hohe Risiko nicht bewusst. "Den Menschen muss vermittelt werden, dass sie es selbst mit einfachen Mitteln in der Hand haben", so Hammer.

Inwieweit auffällige Autofahrer tatsächlich einsichtig sind, lässt sich aus den Daten des Verkehrszentralregisters im Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zwar nicht direkt herauslesen, doch Franz-Dieter Schade, Referatsleiter Kraftfahrzeugstatistik beim KBA, meint, von "harmlosen Sünderlein kann nicht die Rede sein". Denn eine Studie hat gezeigt, dass Personen mit nur einer einzigen Eintragung in den folgenden zwölf Monaten doppelt so viele Unfälle verursacht haben, wie Personen, die bis dahin nicht vorbelastet waren. Und: "Die Unfallquote steigt bei denen mit drei Eintragungen auf das Vierfache, bei vier Eintragungen schließlich sogar auf das Sechsfache."

In der Verkehrssünderkartei, wie der Volksmund das Register nennt, waren zum 1. Januar 2007 rund 8,3 Millionen Personen eingetragen - um drei Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten, nämlich 58,7 Prozent, wegen überhöhter Geschwindigkeit, 12,9 Prozent wegen Alkohol-Fahrten.

Das "Pechvogel"-Argument

Doch warum verhalten sich Menschen nicht den Regeln entsprechend? Schließlich drohen in Deutschland, anders als in den meisten anderen EU-Ländern, neben der Geldstrafe zudem der Punkteeintrag in Flensburg oder auch die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).

"Es gibt oft das Pechvogelargument", so Färber, der jahrelang mit MPU-Kandidaten gearbeitet hat. Man geht davon aus, dass 300 Alkoholfahrten eine entdeckte gegenübersteht. Also: Pech gehabt. "Wir haben zwei getrennte Wertesysteme", so Färber. Die wenigsten Menschen stehlen, doch die meisten übertreten die Verkehrsregeln, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Etwa Raser. "Wenn ich nicht erwischt werde, habe ich Vorteile. Ich komme früher an, werde für das Fehlverhalten belohnt."

Oft würden sich die Menschen selbst unter Druck setzen und seien zudem viel zu technikgläubig. "Das Navi sagt, die Strecke dauert eine Stunde zwanzig, dann fahre ich auch nicht früher los. Dass es eine Störung geben könnte, wird nicht einkalkuliert." Da werden auch höhere Geldbußen allein nicht helfen. Färber hofft, dass es in der Gesellschaft irgendwann wieder "als sexy gilt, entspannt und damit sicher zu fahren".

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