Straßenverkehr:Einsatz für mehr Sicherheit

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Spielend das richtige Verhalten im Straßenverkehr lernen: Mit Tretautos und einem mobilen Verkehrssicherheitsparcours geht die Verkehrswacht unter anderem in Brandenburg auf Tour. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Mehr als 2700 Personen kamen in diesem Jahr auf deutschen Straßen ums Leben. Muss das sein? Nein, sagen diejenigen, die sich zum Beispiel in der Deutschen Verkehrswacht engagieren. Die SZ stellt vier Menschen und ihre Projekte vor.

Von Marco Völklein

2780 Menschen kamen im Jahr 2020 ums Leben - von diesem Wert geht zumindest der ADAC in einer ersten Hochrechnung aus. Die genauen Zahlen für das zu Ende gehende Jahr wird das Statistische Bundesamt erst im Frühjahr 2021 vorlegen, doch die Hochrechnung zeigt schon jetzt: Weil wegen der Covid-19-Pandemie insbesondere im Frühjahr weniger auf den Straßen los war, ging die Zahl der Getöteten im Vergleich zum Vorjahr um 8,7 Prozent zurück, bei der Zahl der Unfälle insgesamt betrug das Minus 15,5 Prozent. Auch bei der Zahl der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten gab es laut ADAC-Hochrechnung wegen der Pandemie starke Rückgänge.

Doch vom großen Ziel, nämlich möglichst gar keine Toten und Schwerverletzten betrauern zu müssen, so wie es unter anderem der Verkehrssicherheitsrat in seiner "Vision Zero" formuliert hat, ist Deutschland weit entfernt. Verkehrsklubs wie ADAC, ACE oder ADFC, aber auch Organisationen wie die Deutsche Verkehrswacht (DVW) arbeiten deshalb mit Programmen und Initiativen daran, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Allein bei der DVW, gegründet 1924 in Berlin, engagieren sich aktuell knapp 60 000 Mitglieder ehrenamtlich in 630 eigenständigen Verkehrswachten auf Ortsebene sowie 16 Landesverkehrswachten. Vier Menschen berichten von ihrem Einsatz für mehr Verkehrssicherheit.

Der Kursleiter

Auch wenn es nur darum geht, die Funktionsweise eines Fahrscheinautomaten zu erklären - für Jens Möse ist klar: "Wir machen das, um Unfälle zu vermeiden." Die Unfallprävention stehe bei allem, was der 53-Jährige in der Verkehrswacht Zwickauer Land macht, an oberster Stelle. Regelmäßig zum Beispiel veranstaltet er Kurse für Seniorinnen und Senioren. Den bis zu 20 Teilnehmern erklärt der Sachse dann auch das Tarifsystem im öffentlichen Nahverkehr, nimmt ihnen so "die Angst, mit den Öffentlichen zu fahren", wie er sagt. Und sorge am Ende dafür, dass betagte Menschen "nicht mehr selbst fahren müssen und sich und andere damit womöglich in Gefahr bringen".

Jens Möse. (Foto: privat)

Wichtig sei dabei, sagt Möse, "auf keinen Fall 90 Minuten Frontalunterricht in Verkehrsrecht zu veranstalten". Wenn er zum Beispiel einen Kurs für Nutzer von Rollatoren anbietet, erklärt er zunächst am Laptop theoretisch den Umgang mit den Gehwagen. Dann aber baut er im Schulungsraum der Verkehrswacht in Werdau einen Parcours auf, mit einem kleinen Slalom und einem Holzbrett als eine Art Rüttelstrecke. Wichtig sei, die Inhalte "mit ganz viel Spaß und ganz viel Witz" zu vermitteln, sagt Möse. Ähnlich laufe es, wenn er Geflüchtete ans Radfahren heranführe.

Beruflich ist Möse als Unfallsachbearbeiter bei der sächsischen Polizei tätig. "Da erlebe ich die negativen Seiten des Verkehrsgeschehens". Und auch in seiner Freizeit lasse ihn das Thema nicht los, sagt er. "Straßenverkehr ist mein Ding", Freunde hätten schon gesagt: "Der Möse, der lebt die StVO", die Straßenverkehrsordnung. Umso wichtiger sei es für ihn, im Ehrenamt präventiv zu wirken, etwa mit den Kursen für Senioren oder bei Vorträgen in Schulen. Der schönste Moment sei, wenn nach einem Kurs ein Teilnehmer auf ihn zukomme und ihn frage: "Herr Möse, könnten Sie demnächst vielleicht auch bei uns in der Einrichtung vorbeischauen?"

Die Fahrtrainerin

Das Antiblockiersystem ABS, das Stabilitätsprogramm ESP, dazu Notbremsassistent, Abstandshalter, Tempomat - in vielen Autos ist mittlerweile eine ganzes Arsenal an Assistenzsystemen verbaut. Doch im Grunde, sagt Maria Brendel-Sperling von der Landesverkehrswacht Nordrhein-Westfalen, hat sich an dem, was in einem Fahrsicherheitstraining geübt und vermittelt wird, nicht viel geändert. "Die korrekte Sitzposition, das richtige Lenken, die Blickführung, die Notbremsung - diese Grundfahrtechniken muss man heute genauso üben wie vor 25 Jahren", sagt sie.

Maria Brendel-Sperling. (Foto: privat)

Maria Brendel-Sperling muss es wissen, die 50-Jährige hat eine langjährige Erfahrung. Seit 1993 ist sie Fahrsicherheitstrainerin, ein Verkehrsübungsplatz auf dem Gelände neben ihrem Elternhaus in Jülich hat sie damals zur Verkehrswacht gebracht. Als 19-jährige Fahranfängerin hatte sie einen Kurs auf der Anlage gewonnen, wurde von einem Trainer angesprochen, ob das nichts für sie sein könnte. Sie sagte zu, doch weil es ein Mindestalter gab, assistierte sie zunächst den Trainern, wie sie erzählt: "Vier Jahre lang habe ich Schläuche gezogen und Pylonen gestellt." Mittlerweile ist sie nicht nur selbst Trainerin, als Ausbildungsverantwortliche und Praxisberaterin schaut sie anderen Trainern regelmäßig über die Schulter.

Nach ihrer Ansicht sollten Verkehrsteilnehmer alle zwei bis fünf Jahre ein Fahrsicherheitstraining absolvieren - spätestens aber dann, "wenn ein neues Fahrzeug angeschafft wurde". Denn viele wüssten gar nicht, was moderne Autos alles können. Gerade Außendienstler, die viel auf Achse sind, sollten die vielen Systeme kennen, findet die Trainerin. "Für die ist das Auto ja ein Arbeitsplatz. Die sollten sich damit genauso auskennen wie mit einem Office-Programm." Oder ganz praktisch formuliert: "Wenn der Spurhalteassistent zickt, sollte man in dem Moment schon wissen, wie sich das beheben lässt."

Der Präventions-Experte

Weil Bildung in Deutschland Sache der einzelnen Bundesländersache ist, ist auch die Verkehrserziehung der Jüngsten nicht einheitlich geregelt. "Im Grunde aber", erklärt Martin Kraft, lernen in allen Ländern die Kinder in der dritten oder vierten Klasse die Grundlagen, wie sie sich im Straßenverkehr zu verhalten haben. In einigen Bundesländern kommen dazu extra Polizisten in die Klassen, in anderen übernehmen die Lehrkräfte diese Aufgabe. Alle aber können auf Materialien zurückgreifen, die der gelernte Medienpädagoge Kraft und seine Kollegen von der VMS, der Verkehrswacht Medien & Service GmbH, mit Sitz in Berlin erstellen.

Martin Kraft. (Foto: privat)

Kraft kümmert sich seit mehr als 20 Jahren um Fragen der Verkehrserziehung. Früher war es so, erzählt er, dass die Schüler auf Übungsplätzen auf dem Schulhof umherkurvten, dort waren Straßen im Miniaturformat aufgezeichnet, kleine Verkehrsschilder wurden aufgestellt. "Da ging es auch mal wild drunter und drüber", erzählt Kraft und schiebt nach: "Da wurde mir auch klar, warum die VMS Megafone im Angebot hat." Heutzutage dagegen unternehmen die Schüler (nach einer theoretischen Unterweisung) oft auch Ausfahrten im realen Verkehr. Etwa 700 000 Schülerinnen und Schüler werden so pro Jahr fit gemacht für den Straßenverkehr.

Problematisch allerdings ist die Zeit danach - also die Frage, wie man Kinder und Jugendliche ab der fünften Klasse erreicht, sagt Kraft. Jugendliche ab dem zwölften, 13. oder 14. Lebensjahr seien nicht nur häufiger mit dem Rad unterwegs als die Jüngeren, sie seien auch risikobereiter, getrieben von einer "Unverletzlichkeits-Illusion", sagt Kraft. "Die Unfallzahlen gehen hier nach oben", stärker betroffen seien zudem die Buben. Eine überzeugende Präventivantwort darauf habe bislang noch niemand, sagt Kraft: "Vielleicht ließen sich Fragen zum Umgang mit Risiken im Sportunterricht einbauen?"

Die Verkehrshelferin

Von der Gemeindeverwaltung habe sie anfangs nur eine Warnweste zum Drüberziehen gestellt bekommen und eine Handkelle, mit der sie die Autofahrer auf sich aufmerksam machen kann. Über die Jahre aber habe sie die Ausrüstung auf eigene Kosten erweitert, erzählt Daniela Schönbuchner aus Teisendorf in Oberbayern. Ein neongelbes Käppi hat sie sich gekauft, Handschuhe in der selben Farbe, eine Mütze in Neongelb. "Einen Club der Glühwürmchen" habe sie gegründet mit Schülern, die ähnlich ausstaffiert sind wie sie, erzählt die Mutter von zwei Kindern und lacht kurz. Nur um gleich wieder ernst zu werden: "Es geht ja schließlich auch um unsere Sicherheit als Verkehrshelfer."

Daniela Schönbuchner. (Foto: privat)

Nahezu täglich steht die 53-Jährige in der Marktstraße in Teisendorf und geleitet die Schülerinnen und Schüler der örtlichen Mittelschule über die Straße. Vier Schichten sind zu besetzen - eine in der Früh, drei um die Mittagszeit, wenn die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten wieder nach Hause gehen. Dauer jeweils: gut zehn Minuten. Schwierig sei es, genügend Helfer für einen solchen Dienst zu finden, sagt Daniela Schönbuchner, oft sagten die Leute nur: "Als ich noch zur Schule gegangen bin, hat es das auch nicht gegeben."

Damals aber, findet die Verkehrshelferin, sei der Verkehr auch nicht so dicht gewesen, viele Verkehrsteilnehmer hätten mehr Rücksicht genommen auf andere. Heute komme es vor, dass Autofahrer das Fenster herunterlassen und ihr einen doofen Spruch zurufen, einer habe mal ihre neongelbe Schutz- und Warnkleidung als "Kostüm" verspottet. "Über so viel Ignoranz habe ich mich maßlos geärgert", erzählt sie. Genauso oft allerdings gebe es auch schöne Momente während ihres ehrenamtlichen Dienstes als Verkehrshelferin in der Marktstraße. Beispielsweise dann, wenn Kinder ihr einen bemalten Stein oder eine Blume schenkten - als kleines Dankeschön für ihren Einsatz.

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