Renault Scénic II:Liebe geht durch den Wagen

Lesezeit: 3 min

Der neue Kompaktvan ist ein sympathisches Auto mit einem Faible für den Stauraum geworden. Und der große Diesel ist erste Wahl unter den Motoren.

Jörg Reichle

Lorbeer welkt im Autogeschäft besonders schnell, auf Verdiensten gibt es kein Ausruhen, und nur eines zählt: der jeweils nächste Erfolg. Renault hat das am Scénic zu spüren bekommen. 1996 war der rundliche Van auf Basis des kompakten Mégane die Idee, die zuvor noch keiner gehabt hatte. Außen klein, innen groß und wandlungsfähig - das verkaufte sich gut, weil es vernünftig war und dazu noch hübsch aussah.

Ein wenig wie der kleine Bruder des Espace mutet der neue Scénic an. (Foto: Renault)

Verfolger Zafira

Doch die Konkurrenz zog rasch nach. Der clevere Scénic taugte sehr wohl als Vorbild, und aus seinen Schwachstellen lernten die anderen. Das Ergebnis: Der Trendsetter wurde überflügelt, in erster Linie von Opel mit dem Zafira.

Der neue Scénic trifft damit heute auf ein bestens präpariertes Umfeld kompakter Van-Konkurrenz. Den Ehrgeiz der Macher hat das sicht- und fühlbar beflügelt, und das Geschick der Renault-Verkäufer ist schon bald gefordert: Von Ende Juni an steht der Neue bei den deutschen Händlern.

Scénic, der Zweite

Scénic, der Zweite: Besser als der erste ist er geworden, ganz klar und in fast allen Belangen. Von außen zunächst: Das kantenscharfe Renault-Design der Neuzeit mit seinem extrem gebogenen Dachabschluss polarisiert ja nach Kräften und will das auch. Wer es nicht liebt, hasst es.

Der Scénic gibt sich dagegen bedeutend verbindlicher, seine größeren Flächen haben den extremistischen Auftritt des Mégane wohltuend abgeschwächt, ohne dass der Scénic dadurch so harmlos daherkommt wie ein VW Touran. Insofern wirkt der hübsche Renault eher wie der kleine Bruder des Großraum-Vans Espace, dem er überhaupt in vielerlei Hinsicht nacheifert.

Viel Spiel-Raum

Das fängt beim variablen Innenraum-Konzept an. So viel Spiel-Raum war nie: Die fünf Einzelsitze lassen sich nach Herzenslust und Bedarf längs verschieben, was nicht nur den Knieraum hinten optimieren hilft, sondern auch den Kofferraum fallweise bereichert - von 430 Liter bei ganz zurückgeschobenen Rücksitzen bis auf 480 Liter in der vordersten Stufe. Nimmt man die Stühle ganz heraus, passen sogar 1840 Liter Gepäck hinten rein.

Die Demontage lässt sich freilich nicht so einfach bewerkstelligen, wie das ansonsten pfiffige Raumkonzept des Scénic erwarten ließe. Nicht nur, dass ein Sitz mit mehr als 15 Kilogramm Gewicht recht schwer geraten ist, auch bei der Entriegelung geraten die Finger allzu leicht schmerzhaft an scharfkantiges Metall. Da besteht eindeutig Bedarf an Nacharbeit.

Ansonsten erfüllen die Franzosen wieder einmal ihren einst kreierten Marketing-Slogan der "Autos zum Leben". Abgestimmt auf die Bedürfnisse der Ein- bis Zweikinder-Familie - die Liebe geht durch den Wagen -, sind die Kleinen hinten nicht nur von Klapptischen in den Vordersitz-Lehnen umgeben und von einem Mittelplatz, dessen Lehne sich umgelegt als Ablage anbietet.

Freude am Entdecken

Eine großvolumige Box lässt sich auf dem Mitteltunnel verschieben und eignet sich bestens zum dosierten Versand des Reiseproviants nach hinten. Auch an den ganzen Krimskrams unterwegs ist gedacht: So viel Ablage war nie im Scénic, sogar im Fußboden tun sich Klappen und Fächer auf.

Das ist nicht nur praktisch, sondern lässt auch gänzlich unverhoffte Glücksmomente erwarten - beispielsweise, wenn nach Jahren ein längst verloren geglaubtes Utensil durch reinen Zufall wieder auftaucht, wie Omas versteckter Schmuck nach dem Urlaub. Wer weiß, vielleicht freuen sich darüber sogar Zweitbesitzer...

Die Liebe zu den Insassen lässt der Scénic auch unterwegs spüren. Die Federung: komfortabel. Das Fahrwerk: gutmütig. Die Bremsen: wirksam, wenn auch zu bissig im Ansatz. Die elektronische Lenkung passt ebenfalls zum duldsamen Wesen und ist gegenüber dem Mégane deutlich verbessert. Die überzogene Rückstell-Neigung lässt sich kaum noch wahrnehmen. Dabei sitzt man bequem, genießt das großzügige Raumgefühl und freut sich an heiteren Farben für Polster und Kunststoffe.

Antriebsvielfalt

Wahlweise sind fünf Motoren lieferbar - ein 1,4-Liter-Benziner mit 72 kW (98 PS), ein 1,6-Liter mit 83 kW (113 PS) und ein 2,0-Liter mit 99 kW (136 PS). Von den beiden Dieseln leistet der 1,5 dCi 60 kW (82 PS) und der 1,9-Liter 88 kW (120 PS).

Letzterer ist unsere eindeutige Empfehlung. In einer entente cordiale mit dem präzisen und gut schaltbaren Sechsgang-Getriebe überzeugt der Diesel mit Laufruhe, Drehmoment (300 Nm) und günstigem Verbrauch (Werksangabe: 5,8 Liter / 100 Kilometer).

In der Grundausstattung kostet dieser Scénic 22.200 Euro. Schon in der Basisversion (1,4 Liter ) für 17.800 Euro bekommt man übrigens sechs Airbags und ESP serienmäßig. Damit setzt Renault mit Sicherheit ein Zeichen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: