Regatta in St. Tropez:Sturm der Gefühle

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Les Voiles de St. Tropez ist der Höhepunkt der Regattasaison im Mittelmeer. Geschichten und Legenden sind immer mit an Bord.

Martina Scherf

Mit einem gewaltigen Böllerschuss läuft Cambria in den Hafen ein. Velsheda antwortet mit einem langgezogenen Hornklang, dann hupt und trötet es von allen Decks. Am Ende wird es für Titelverteidigerin Cambria zwar nicht so gut gelaufen sein wie erhofft, aber der Stimmung an Bord tut das keinen Abbruch.

Bei der Voiles de St. Tropez geht es ums Sehen und Gesehenwerden - immerhin begegnen sich hier die schönsten klassischen Segelyachten der Welt. (Foto: N/A)

Jeden Abend knallen hier die Champagnerkorken, zu feiern gibt es immer etwas, Sieg oder Platz oder einfach nur das Dabeisein. Les Voiles de St. Tropez - das ist nicht nur Abschluss und Höhepunkt der Regattasaison im Mittelmeer. Die Veranstaltung lebt von der einzigartigen Atmosphäre, wenn sich die schönsten Segelyachten der Welt im alten Hafen aneinanderschmiegen, und vom Bewusstsein, dass man hier zum letzten Mal zusammen klönt und feiert, bevor Schiffe, Skipper und Crews sich im Winter über den ganzen Globus verstreuen.

Auch Karajan war fast von Anfang an dabei

Begonnen hat alles vor 26 Jahren an einem weinseligen Abend auf dem Balkon des Hotel Sube. Der Amerikaner Dick Jason und der Franzose Patrice de Colmont wetteiferten, wer schneller segele - Jason mit seiner modernen Swan 44 oder Colmont mit seiner klassischen Zwölf-Meter-Yacht.

Man verabredete sich zu einem Rennen am nächsten Tag, hinauf zur Untiefentonne Nioulargue und zurück bis ins Ziel vor dem prominenten Club 55. Jason verlor, musste de Colmont zum Essen einladen - und eine neue Regatta war geboren.

Im folgenden Jahr fuhr schon Herbert von Karajan mit seiner Helisara mit, und aus dem Spaß wurde im Laufe der Jahre ein Pflichttermin für die schönsten und schnellsten Schiffe der Welt.

Als bei einer Kollision 1995 ein Segler ums Leben kam, endete die Geschichte der Nioulargue vorläufig - um vier Jahre später mit neuen Reglements und dem Titel Les Voiles de St. Tropez wieder aufzuleben.

In diesem Jahr lässt der Mistral auf sich warten. Erst am dritten Renntag blähen sich die Segel der mehr als 300 teilnehmenden Yachten zu voller Pracht. Das ist die Stunde der Fotografen: Von kreisenden Helikoptern und dröhnenden Motorbooten rücken sie den Schönheiten mit ihren Teles zu Leibe.

(Foto: N/A)

Zusammengerechnet präsentieren sich hier immerhin mehrere hundert Jahre nautischer Geschichte. Allein siebzehn Zwölfer sind im Rennen, edle, schlanke Rennyachten, mit denen von 1958 bis 1987 der America's Cup ausgetragen wurde (zwölf Meter bezieht sich nicht auf die Länge, sondern auf eine komplizierte Berechnungsformel aus den Schiffsmaßen). Sie lösen auf dem klassischen Kreuzfahrt-Segelschiff Kairos, das sich gut ins Bild fügt und deshalb seine Passagiere nah ans Regatta-Feld heranbringt, Begeisterungsstürme aus.

Soeben rauscht Wings in Luv vorbei - als Erste ihrer Klasse. Jubel und Applaus begleiten sie, von drüben schallen die Kommandos des Skippers: "Ease jib" für die englische Backbord-Crew, "embraque!" an Steuerbord für die Franzosen. Bugmann Nick Leggatt streckt den Daumen hoch: gut gelaufen.

Champagnerflasche im Kühler, ein Glas Wein an Bord

"St. Tropez is special" wird er am Abend bei einem Glas Wein an Bord der Kairos wiederholen, was in diesen Tagen schon oft zu hören war. Nick gehört zu den Extrem-Racern. Er hat in Highspeed-Katamaranen zweimal die Welt in weniger als 80 Tagen umrundet. Das heißt: Pulvernahrung, kein Frischwasser, dafür jede Menge Stürme und Blessuren. St. Tropez ist für ihn Genusssegeln.

Geschichten und Legenden gibt es hier in Hülle und Fülle. Wenn sich die Zuschauer am Abend an der Mole drängen wie vor dem roten Teppich in Cannes, dann sind die alten Ladies die Stars: Cambria, 79, mit ihrem charakteristisch vorn im Schiff stehenden 47 Meter hohen Mast, darf, obwohl derart geliftet, dass von den Originalteilen nicht mehr viel übrig ist, in der Traditionsklasse starten; ebenso wie Eleonora, ein Nachbau der legendären Westward mit weitem Deck und ausladendem Zweimast-Rigg; Altair, 76, weitgehend im Originalzustand; Shamrock V, aus der J-Class, mit der der schottische Teebaron Thomas Lipton 1930 endlich den America's Cup gewinnen wollte, um sich für den Royal Yacht Club zu empfehlen (als "galant loser", der netteste Verlierer, ging er in die Geschichte ein und wurde daraufhin geadelt); Lulworth, mit 46 Meter Länge und 828 Quadratmeter Segelfläche der größte Gaffelkutter.

Ob nun Charles Nicholson, Nathanael Herreshoff (der "Zauberer von Bristol" mit sechs America's-Cup-Siegen) oder der Schotte William Fife die schönsten Klassikyachten entworfen haben - darüber lässt sich hier trefflich streiten. Für Nik Wasner vom Bodensee ist die Sache klar. Er hat seine Fintra, eine Sechs-Meter-Fife aus dem Jahr 1928, in jahrelanger Kleinarbeit restauriert. "Fife ist die Krönung des Bootsbaus", meint er.

Les Voiles de St. Tropez lebt aber auch vom Kontrast - wie einst beim Rennen zwischen Jason und Colmont. Neben den Oldtimern starten Hightech-Schiffe, allerdings in eigenen Klassen. Die Avantgarde im Yachtdesign kommt aus dem Hause Wally (Monaco). Kantige Formen (sogar die Fender sind rechteckig), anthrazit der Rumpf, titanfarben die Winschen, schwarz die Schoten und das Outfit der Crew.

Die Regatta lebt vom Kontrast

Im Inneren dieser Kampfmaschinen herrscht eine Atmosphäre wie im Empfangsraum einer Software-Zentrale, und die Begleitboote sehen aus, als wären sie dem Raumschiff Voyager entglitten.

An Bord der neuesten und größten Wally Y3K des Hamburger Reeders Claus-Peter Offen fungiert America's-Cupper Karol Jablonski als Taktiker. Er wird beim nächsten Cup dem deutschen Teamchef Jochen Schümann zur Seite stehen. An der Y3K fasziniert ihn "das Zusammenspiel von Ästhetik und Schnelligkeit". Das 100-Fuß-Schiff soll in der Winterpause seine Kinderkrankheiten auskurieren und noch weiter aufgerüstet werden - dann wird es ein Vorsegel mit 1000 Quadratmeter tragen können.

Aber, wie gesagt, Sieg ist hier nicht alles. Zumindest nicht für die Damen, die am letzten Abend vor der goldenen Silhouette des Hafens kreuzen. Hammondorgel über dem Niedergang, Champagnerflasche im Kühler, begrüßen sie die Seeleute mit dem Klassiker von Edith Piaf: Non, je ne regrette rien.

Wer die Oldtimer-Regatta an Bord einer klassischen Yacht erleben will: Das Segelschiff "Kairos" bietet Kreuzfahrten für maximal 20 Gäste, im Sommer im Mittelmeer, im Winter in der Karibik. Zu "Les Voiles de St. Tropez" wird es 2008 wieder in St. Tropez sein. Es sind Wochen- und Tagesbuchungen möglich. Informationen unter www.sailing-classics.com

© SZ vom 20./21.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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