Paravelo:Mit Schirm, Charme und Propeller

Lesezeit: 3 min

Ein Vogel! Ein Fahrrad! Nein, ein Paravelo. Das Objekt von John Foden und Yannick Read kann fahren und fliegen. (Foto: action press)

Zwei britische Tüftler haben das Paravelo entwickelt - ein Fahrrad, mit dem man auch fliegen kann. Etwa 12.000 Euro soll das Paravelo kosten, wenn es einmal auf dem Markt ist. Doch dazu fehlt noch eine Menge Kapital.

Von Marlene Weiss

Am Ende von Steven Spielbergs Film "E. T. - der Außerirdische" von 1982 gibt es eine Szene, die Fans von BMX-Fahrrädern bis heute Tränen der Sehnsucht in die Augen treibt. Eine Gruppe Kinder auf Rädern wird verfolgt, heizt querfeldein, kann nicht entkommen, und als es brenzlig wird: heben sie alle plötzlich ab und fliegen der untergehenden Sonne entgegen, vorneweg der Außerirdische im Fahrradkorb. Telekinese, klar. Der Film ist nicht für seinen Realismus berühmt, aber die fliegenden Fahrräder waren visionär. Zwei britische Tüftler wollen jetzt ein Fahrrad auf den Markt bringen, mit dem man die freie Bahn hoch über den Dächern nutzen kann - das Paravelo. Einen Prototypen gibt es schon, ausgestattet mit Gleitschirm und Propeller. Und tatsächlich: Er fliegt. Bis zu 40 km/h schnell ist man damit in der Luft, nach etwa drei Stunden Flugzeit ist der Tank des Zweitaktantriebs leer.

"Wir sind in der Nähe vom Flughafen Heathrow aufgewachsen, und waren schon immer vom Fliegen fasziniert", sagt John Foden, ein Architekt, der mit dem Produktdesigner Yannick Read das Paravelo entwickelt hat. Und dann war da die Leidenschaft fürs Fahrradfahren. "Ein Fahrrad ist so eine reine Sache, es ist nicht mehr, als es sein muss", sagt Foden. Es klingt verträumt, aber man muss wohl ein Träumer sein, um sein Erspartes in ein Flugrad zu stecken. In einer Welt, in der es einen Airbus A380 und weit mehr schnelle Autos gibt, als gesund für den Planeten ist.

10.000 Francs für zehn Meter

Dabei war die Idee einst nicht einmal so abwegig, in der Anfangszeit des Fliegens, als noch jeder Hüpfer von ein paar Metern ein gefeiertes Ereignis war. Das Fahrrad selbst war damals noch ziemlich modern, sogar Flugpioniere wie die Wright-Brüder waren ursprünglich Fahrradmechaniker. Eine Weile lang versuchten einige, ein pedalbetriebenes Flugzeug in die Luft zu bringen, "Aviette", hieß das. Aberwitzige Modelle wurden ausprobiert: Fahrräder mit flachen Flügeln, mit mehreren Tragflächen, mit albatrosartigen Schwingen. 1912 lobte die Firma Peugeot einen Preis aus: 10.000 Francs für den, der es schafft, mit einer muskelkraftbetriebenen Maschine zehn Meter weit zu fliegen. Motorflugzeuge schafften da schon 500 Kilometer, aber noch war ein Rest Hoffnung da, dass man mit der richtigen Technik so einfach fliegen konnte, wie man Fahrrad fuhr. Doch der Peugeot-Wettbewerb war ein Reinfall: Kein einziger der 23 Bewerber im Bois de Boulogne hob ab. Erst 1921 schaffte der Radchampion Gabriel Poulain einen Zwölf-Meter-Flug und gewann den Preis, eine Weltsensation. Aber viel weiter ging es nicht mit den Aviettes.

Kein Wunder. Nur mit Strampeln ein Flugrad betreiben? "Unmöglich", sagt Markus Müller. "Auf Dauer schafft man vielleicht 200 Watt, wenn man gut ist." Um oben zu bleiben, wenn man nicht gerade einen Aufwind erwischt, brauche man 3500 Watt, mindestens. Müller entwickelt und verkauft mit seiner Firma Fresh Breeze seit etwa zehn Jahren Flykes, eine Art Dreirad mit Motor, Propeller und Gleitschirm. Bei ihm fing es mit Gleitschirmfliegen an. Weil das im platten Niedersachsen nicht geht, kam er zum Ultraleichtfliegen mit Motor und Gleitschirm - statt von einem Berg aus erfolgt der Start mit Propeller.

Aber damit ist man noch nicht mobil: "Flughäfen haben das Problem, dass man anders hinkommen muss, als man wegkommt", sagt Müller. Nach der Landung müsse er ein Taxi nehmen oder warten bis zum Weiterflug. Also wurde der Gleitschirm um einen fahrbaren Untersatz ergänzt, zum "Flugwandern". Ein paar Stunden fliegen, ein Stück fahren, zelten. Bis ans Schwarze Meer sei er schon so gekommen, sagt Müller. Starten könne man fast überall, sogar auf einer Wiese.

Investoren dringend gesucht

Natürlich kennt John Foden solche Geräte. Aber für ihn sind sie Kompromisse, kein echtes Fahrrad: "Wir wollten etwas schaffen, womit man unter der Woche zur Arbeit fahren kann." Darum besteht das Paravelo aus einem schlichten Fahrrad mit Propelleranhänger, der zum Fliegen fest mit dem Fahrrad verbunden wird. Am Boden kann man den Anhänger stehen lassen und mit dem Fahrrad umherfahren. Und gerade noch bezahlbar sollte es auch sein: Etwa 12.000 Euro soll das Paravelo kosten, wenn es einmal auf dem Markt ist. Teurer als ein Fahrrad, sicher, "aber viel billiger als ein Helikopter!", sagt Foden schnell.

Kaufen kann man das Fluggerät noch nicht. Um das Paravelo auf den Markt zu bringen, sammeln Foden und Read Geld über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. 50.000 Pfund brauchen sie, 42.000 fehlen noch. "Das wird knapp", gibt Foden zu. Vielleicht müsse man sich nach anderen Investoren umsehen. Aber was sind schon Geldsorgen, wenn das Ziel das erste fliegende Fahrrad ist, im Jahr 101 nach dem Peugeot-Wettbewerb, im Jahr 31 nach E.T.. Auch ein Zelt soll zu dem Vehikel gehören, aufgespannt über dem Propeller. Für das Reisen mit dem Paravelo haben sich seine Macher das Wort "flamping" überlegt, das man wohl mit "flampen" übersetzt: fliegen, campen und alles dazwischen.

© SZ vom 06.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ JetztLexikon des guten Lebens
:"Wie baue ich mir selbst ein Fixie?"

Du hast ein altes Rennrad, aber die Gangschaltung ist kaputt? Du bist der Meinung, in der Stadt braucht man sowieso nur einen Gang, und möchtest dein Fahrrad zu einem Fixie oder Singlespeed umrüsten? Das Lexikon des guten Lebens erklärt, wie das geht und was man dazu braucht.

Von Dorian Steinhoff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: