Motorräder:Jugendfreies Vergnügen

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Längst hat die 125-Kubik-Klasse Anschluss an die großen Motorräder gefunden - und sie kopiert sie auch gerne.

Thilo Kozik

Schon wieder so ein japanischer Supersportler mit keilförmiger Verkleidung, Stummelauspuff und Leistung ohne Ende - das mag sich manch gestandener Biker angesichts der schmucken Yamaha YZF-R 125 denken. Um dann die leuchtenden Augen der Jugendlichen zu beobachten, die dieses Zweirad gierig bestaunen, denn: Die Zeiten, zu denen sogenannte Leichtkrafträder unattraktiv und technisch rückständig waren, sind vorbei. Längst sind die aktuellen 125er zur Freude aller 16-Jährigen richtige Motorräder, die nicht mehr als die Kleinen auszumachen sind.

Auch eine von der schnellen Truppe: die Derbi Terra 125 (Foto: Foto: Derbi)

Ob Sport, Tour, City oder Gelände - das 125er-Angebot kann sich sehen lassen

Richtig interessant wurde die 125er-Klasse 1996, als eine Gesetzesnovelle erlaubte, diese Bikes mit dem Autoführerschein zu fahren - vorausgesetzt, er wurde vor dem 1. April 1980 ausgestellt. Damals waren die Modelle notdürftig gedrosselt und preiswert zusammengeschustert; doch die Ansprüche waren nicht sonderlich hoch und die Dinger gingen weg wie warme Semmeln. Viele der damals mindestens 34-Jährigen versprachen sich die große Freiheit auf zwei Rädern; dass die Technik rückständig und die Platzverhältnisse mickrig waren, merkten die meisten zu spät - die Verkaufszahlen gingen rapide zurück.

Darauf mussten die Hersteller reagieren und trafen die richtige Entscheidung: Sie nahmen viel Geld in die Hand und entwickelten nach und nach vollwertige Modelle, deren Fahrwerke auf der Höhe der Zeit sind, die das gesetzliche Limit von 15 PS voll ausschöpfen und, ganz wichtig, appetitlich aussehen. Denn die heutige Kundschaft sind fast ausnahmslos Jugendliche, für die das erste Moped nicht nur Mobilität sichern soll, sondern auch cool sein muss. Die Altvorderen mit der Zugangsberechtigung über die Autolizenz spielen keine Rolle mehr.

Ob Sport, Tour, City oder Gelände - das 125er-Angebot kann sich sehen lassen. Siehe die eingangs erwähnte 125er YZF-R von Yamaha: Die stilechte Aufmachung als Rennsemmel reicht vom schnittigen Doppelscheinwerfer über den Deltabox-Rahmen, das puristische Sitzbrötchen bis hin zu den markanten mittigen Schalldämpfern. Dafür, dass die anfängliche Begeisterung nicht schon nach wenigen Kilometern versiegt, sorgt ein moderner flüssigkeitsgekühlter Viertakter, der mit elektronischer Einspritzung und Vierventilkopf die maximal erlaubten 15 PS leistet. Das Fahrwerkspaket zeigt sich mit 33er-Telegabel, waschechter Zweiarmschwinge und Scheibenbremsen der supersportlichen Attitüde angemessen.

Den erwachsenen Eindruck verdankt die Yamaha aber ihrer großzügigen Geometrie und Motorrad-Dimensionen, die nicht zuletzt dem Platzangebot zugutekommen. Große 17-Zoll-Leichtmetallräder mit dicken Sportreifen machen die 125er fahrstabil und lassen sie fast wie das Vorbild YZF-R1 aussehen. Wichtigster Konkurrent der 3595 Euro teuren Yamaha ist die Honda CBR 125 R, die vor vier Jahren als erste den Sportappeal in die 125er-Klasse brachte. Im direkten Vergleich wirkt die 2990 Euro teure Honda jedoch nicht so authentisch.

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Thilo Kozik

Sportlich geben sich auch die driftenden Supermotos, wobei die Ambitionen der Quertreiber meist übers reine Schaufahren hinausgehen. Brandneues Aushängeschild ist die Aprilia SX 125, die edle Zutaten zu einem vollwertigen Ganzen kombiniert. Hier kommt einer der letzten Zweitaktmotoren zum Einsatz, der nicht nur den Führerscheinregeln folgend mit 15 PS betrieben werden kann, sondern offen mit 22 Pferdchen lockt.

Dafür stellt die schlanke Italienerin ein hochwertiges Fahrwerk bereit, das auch anspruchsvolle Driftkönige befriedigen kann. Wie viele andere 125er auch kopiert die SX das Vorzeigemodell aus gleichem Hause, hier die SXV 450. Typische Speichenräder und eine dicke Upside-Down-Telegabel sind ein Muss, für zackiges Anstellen vor der Kurve sorgt eine 260er-Scheibe mit Doppelkolben-Festsattel. Für so viel Hochwertiges fällt der Einstieg mit 4299 Euro dann schon etwas teurer aus.

Beim Anblick der Derbi Terra 125 dürfte so mancher BMW-Fahrer erstaunt "Liebling, die Spanier haben meine GS geschrumpft" ausrufen. Zu ähnlich wirken der charakteristische Entenschnabel samt heruntergezogenen Tankverkleidungen und die stilechte Offroad-Ausstattung mit Stollenreifen und Speichenrädern. Dabei sieht die Terra nicht nur wie ein großes Motorrad aus, sie fühlt sich auch so an: Fahrer zwischen 1,70 Meter und 1,85 Meter sitzen enduromäßig aufrecht; dass auf der langen Sitzbank noch genügend Raum für eine fesche Sozia bleibt, erhöht deutlich die Chancen der 3990 Euro teuren Derbi Terra.

Ihr Herzstück ist ein von Piaggio neuentwickelter, 125 Kubik großer und 15 PS leistender Viertakt-Single mit Flüssigkeitskühlung und aufwendiger Vierventiltechnik, die von zwei obenliegenden Nockenwellen gesteuert wird. Dieses Aggregat findet sich ebenfalls in der Mulhacén 125 Café, die von Derbi als klassisches Naked Bike angeboten wird. Diese kultiviert für 4190 Euro ein beschwingtes Roadster-Feeling für Genießer, doch auch vorm Café macht dieses Motorrad mit seiner puristischen Attitüde eine verdammt gute Figur. Lässig in der niedrigen Sitzmulde hockend, geht es flüssig durch den Feierabendverkehr oder, viel besser noch, zum Kurvenwetzen ins nahe Umland.

Denn eines haben alle aktuellen Mitglieder der 125er-Kaste den großen, sozusagen richtigen Motorrädern voraus: Durch das geringe Gewicht und die durchweg guten Fahrwerke begeistern sie mit herzerfrischender Agilität, die das gesetzlich verordnete Leistungsmanko vergessen macht. Von diesem puren, unverfälschten Fahrgenuss können viele nur noch träumen - und sich wünschen, noch mal 16 zu sein.

© SZ vom 26.7.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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