Lexus 600 Hybrid:Die Kunst der Untertreibung

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Der Hybrid-600er ist die vornehmste Art, sein Umweltgewissen zu beruhigen. Eine Über-Limousine im Understatement-Dress. Nur: Stimmen die Ökoeigenschaften wirklich?

Georg Kacher

Von außen sieht der LS600h aus wie ein veredelter Toyota Camry, nur nicht auffallen, heißt die Devise. Doch stille Wasser sind tief und hinter der Stufenheck-Fassade zündet der große Lexus ein Hightech-Feuerwerk, das mit den Fixsternen der Premium-Branche um die Wette strahlt. Zusätzlich zum Vollhybrid lockt der Nobel-Japaner mit Allradantrieb, Luftfederung, schaltbaren Stabis, stufenloser Automatik und LED-Kurvenlicht. Dazu kommt ein Ausstattungsniveau, das schon allein durch jene Zutaten verblüfft, die es bislang noch nie gegeben hat - zum Beispiel elektrisch ausfahrbare Liegesitze mit Massage-Funktion und spezielle Unterkörper-Airbags, die verhindern sollen, dass der im Fond schlafende Chef bei einem Unfall unter dem Gurt durchrutscht.

Lexus 600 Hybrid: Den vom Werk genannten Durchschnittsverbrauch von 9,3 Liter schafft man vielleicht bei maximal Tempo 120, doch im wirklichen Leben fließen rund 13 Liter durch die Einspritzdüsen - trotz ausgeklügelter Energie-Rückgewinnung. (Foto: N/A)

Die Verarbeitung ist top, die Ergonomie weniger

Noch bevor wir einen Meter gefahren sind, macht der Hybridantrieb aber durch ein paar gravierende Nachteile auf sich aufmerksam. Die raumgreifenden Bausteine reduzieren das Platzangebot im Innenraum auf das Niveau der oberen Mittelklasse, die Notlaufreifen müssen mit ihren steifen Flanken Leergewichte von bis zu 2,4 Tonnen abfedern und der Kofferraum fasst mit 330 Liter um 20 Liter weniger als das Gepäckabteil eines VW Golf. Gegen Platzmangel hilft die Version mit langem Radstand, die mit Doppelklima, Hightech-Sitzen und Fondkino protzt. Zu den wenigen lieferbaren Extras gehört das große zweifarbige Rundum-Lederpaket, das wohl nur deshalb auf eine mit Kuhhaut bezogene Tachonadel verzichtet, weil das Instrumentarium bloß elektronisch abgebildet wird. Die Verarbeitung ist top, die Ergonomie weniger: Wer so viele Knöpfe und Tasten befehligt, braucht an sich keinen Führerschein, sondern eine Fluglizenz.

Der Antriebsstrang des LS600h ist hoch komplex. Die Grundversorgung erledigt ein 5,0-Liter-V8-Benziner mit 290 kW (394 PS). Ab hier wird's kompliziert, denn schon schaltet sich der Elektromotor zu, der flüsterleise 165 kW (224 PS) beisteuert. Der Drehmomentverlauf bestätigt die Duplizität der Ereignisse: Fossil werden bis zu 520 Newtonmeter erzeugt, elektrisch stehen bis zu 300 Nm zur Verfügung. Nein, diese Werte kann man nicht ohne weiteres addieren. Die Systemleistung wird mit 327 kW (445 PS) angegeben, das noch nicht endgültig definierte maximale Drehmoment soll bei 700 Newtonmeter liegen. Damit zielt der Hybrid-Lexus ziemlich genau in die Lücke zwischen Mercedes S 500 und S 600. Preislich rangiert er dagegen auf der Höhe eines vollausgestatteten S 320. Keine Frage: Billiger ist grünes Umwelt-Gewissen im Luxus-Segment nirgends zu bekommen.

Und dann doch noch: maßlose Trinksitten

Der 250 km/h schnelle Lexus beschleunigt in 6,3 Sekunden von null auf 100 km/h - ein S 500 schafft das in nur 5,4 Sekunden. Vielleicht hilft ein Druck auf die Hybrid-Power-Taste? Tut es nicht. Damit reagiert die Maschine zwar spontaner auf Gaspedalbefehle und dreht neun Prozent höher, doch an der verfügbaren Leistung ändert sich rein gar nichts.

Der Verbrauch - und damit die Emissionen - hängen auch beim Hybrid stark von den Einsatzbedingungen und der Fahrweise ab. In der Stadt nennt Lexus einen Wert von 11,3 Liter, aber in der Praxis sind es sogar nur zwischen acht und zehn Liter. Als Ansporn dient das Farbdisplay, das jedes Gaswegnehmen und jedes Bremsmanöver, das Energie zurückgewinnt, mit einem gelben Balken belohnt. Den vom Werk genannten Durchschnittsverbrauch von 9,3 Liter schafft man vielleicht bei maximal Tempo 120, doch im wirklichen Leben fließen rund 13 Liter durch die Einspritzdüsen. Ein zum Vergleich mitgeführter S 600 streifte unter gleichen Bedingungen die 20-Liter-Schmerzgrenze. Lexus meint zwar, bis 180 km/h einen Hybrid-Spareffekt nachweisen zu können, doch auf einer freien Autobahn legt auch der LS600h maßlose Trinksitten an den Tag. Wo viel Gewicht, hohe Fahrwiderstände und voller Leistungseinsatz im Spiel sind, sind Verbrauchswunder eben rar.

Das Kernstück des Hybridantriebs ist das sogenannte Power-Split-Modul. Es verteilt die Kraft auf zwei verschiedenen Wegen: mechanisch zu den Rädern und elektrisch zum Generator. Im Sandwich zwischen dem Power-Split-Modul und dem zweistufigen Reduktionsgetriebe sitzt der Elektromotor. Theoretisch kann er das Auto im Alleingang bewegen, praktisch geht ihm freilich schon nach wenigen Metern der Saft aus. Mehr E-Power gibt's erst mit der nächsten Batterie-Generation, die bei Lexus 2009 eingeführt werden soll. Weil viele Kunden durch ein stufenloses Hochschnurren irritiert wären, hat man der CVT-Automatik acht fiktive Schaltpunkte spendiert. Im S-Modus haben die Computer-Spezialisten sogar einen superschnellen Kickdown und eine ausgeprägte Motorbremswirkung in das Räderwerk programmiert.

Überzeugend: der Allradantrieb

Absolut überzeugend ist auch der Allradantrieb, der durch eine katzengleiche Synthese aus Stabilität und Vortrieb beeindruckt. Trotz der Luftfederung ist der Lexus kein Komfort-Wunder. Im Gegenteil: Die Reifen rollen spröde ab, die Reaktion auf kleinere Unebenheiten fällt unwirsch aus, die verstellbare Dämpferkennung enttäuscht ebenso wie die theatralischen Aufbaubewegungen der Langversion, die ohne schaltbare Stabilisatoren auskommen muss. Die Lenkung ist zumindest gewöhnungsbedürftig, denn sie verändert mit der Übersetzung auch die Kennung (von steif bis weich). Außerdem greift sie im Grenzbereich spurkorrigierend ein, was nicht jedermanns Sache ist.

Für rund 95 000 Euro bekommt man eine Über-Limousine im Understatement-Dress. Der LS600h beweist im Kurzstreckenbetrieb echte Öko-Qualitäten und er glänzt mit einer Komplettausstattung, die sogar ein Warnsystem gegen den Sekundenschlaf und eine intelligente Hindernis-Erkennungs-Sensorik beinhaltet. In puncto Komfort, Leistung und Fahrspaß sind die Europäer nach wie vor führend, doch der Vorsprung schmilzt, und die Lexus-Kampfpreise werden Wirkung zeigen.

© SZ vom 5.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Hybrid LS 600h
:Ökoeigenschaften gesucht

Eine Über-Limousine im Understatement-Dress: Öko-Qualitäten kann der Lexus Hybrid LS 600h aber nur im Kurzstreckenbetrieb ausspielen.

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