Klassensprecher (7): Jeep:Hart aber herzlich

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Sobald die Straße schlechter wird, teilt sich die automobile Menschheit in zwei Gruppen: Die einen fahren SUV. Harte Kerle und kernige Weiber fahren Jeep. Und das seit mehr als 60 Jahren.

Von Sebastian Viehmann

In der Serie "Klassensprecher" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Autos vor, die ihre "Klasse" geprägt haben und sie bis heute beeinflussen.

Hätte 1941 ein Werbemanager einen Hochglanz-Prospekt für den "Willys MB" entwerfen müssen - er wäre nicht zu beneiden gewesen. Der Ur-Jeep war ein Militärfahrzeug und hatte nichts anzubieten, was auch nur im Entferntesten dem Komfort seiner Insassen diente. Die Sitze erinnerten an Campingstühle, Türen und Fenster gab es gar nicht. Vor Regen schützte nur ein notdürftiges Klappverdeck. Und die Federung hatte ihren Namen nicht verdient.

Wenn es sein musste, zog man den Jeep mit Muskelkraft aus dem Matsch

Doch die amerikanischen GIs im Zweiten Weltkrieg liebten den Willys-Jeep trotz seiner harten Schale heiß und innig. Denn mit seinem zuschaltbaren Allradantrieb kam das 3,3 Meter kurze und 63 PS starke Wägelchen praktisch überall durch und überwand sogar Steigungen von 60 Prozent. Steckten die GIs doch mal im Matsch fest, konnten sie den Jeep einfach mit Handgriffen an der Karosserie aus dem Dreck ziehen.

Bei einer Ausschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums ging der Entwurf "Willys MA" der Firma Willys Overland als Sieger hervor. Mehr als eine halbe Millionen Jeeps rollten von 1941 bis 1945 in der für die Front überarbeiteten Version "MB" vom Band, ein Teil davon wurde von Ford in Lizenz gebaut.

Wie der Jeep zu seinem Namen kam, dazu gibt es zahlreiche Theorien. Hier seien nur zwei davon beschrieben. Die langweiligere Version: In einem Armeehandbuch wurde der Wagen mit den Buchstaben GP bedacht, der Abkürzung für "General Purpose". Das heißt soviel wie "Allzweck-Charakter". Die GIs verschliffen die Abkürzung GP einfach zu Jeep.

Vom CJ zum Wrangler

Etwas farbenprächtiger ist folgende Variante: Der Name kommt von einer Figur der Comic-Serie Popeye. Der gleichnamige muskelbepackte Held hatte dank eifrigen Spinatkonsums Superkräfte (Generationen von Kindern versuchte man so das grüne Zeug schmackhaft zu machen). Wenn Popeye aber mit seinem Spinat-Latein am Ende war, half ihm das hundeähnliche Super-Wesen "Eugene the Jeep" aus der Patsche. Das konnte prima klettern, sogar durch Wände gehen und war durch nichts aufzuhalten. Ganz so wie der Willys-Geländewagen eben. Darum nannten die Soldaten den Allzweck-Zwerg liebevoll Jeep.

Schon während des Krieges wurde Willys Overland klar: Dieses Auto würde sich auch auf dem nicht-militärischen Markt bestens verkaufen. 1945 war die erste Zivilversion CJ-2A (CJ steht für "Civilian Jeep") zu haben. Die Gelände-Legende wurde so mehr als 40 Jahre lang in verschiedenen Versionen (bis zum CJ-8) gebaut und schließlich vom Wrangler abgelöst.

So heißt der Offroader heute noch, obwohl Jeep längst auch größere und bequemere Geländewagen wie den Grand Cherokee im Programm hat. Auch die zahlreichen Besitzerwechsel der Marke - von Willys über Kaiser-Frazer und AMC bis hin zu Daimler-Chrysler - konnten dem Allrad-Urgestein nichts anhaben. Die Top-Version des Wrangler ist der Rubicon, so benannt nach dem Rubicon Trail in Kalifornien. Der Trail ist eine der härtesten Offroad-Strecken der Welt und sozusagen das Nirvana für "Jeeper".

Auch wenn dem Wrangler die Verwandtschaft zum Urahn sofort anzusehen ist, müssen Jeep-Fahrer heute nicht mehr ganz auf Komfort verzichten. Eine Klimaanlage hat ebenso Einzug gehalten wie Airbags, ESP und bequeme Sitze.

Doch die Jeep-Szene hält eifrig die alten CJs am Leben, oft hemmungslos verbastelt: Riesige Geländereifen, ein aberwitzig hoch gesetztes Fahrwerk, fette Zusatzleuchten und natürlich eine Seilwinde gehören zu den beliebtesten Accessoires.

Freilich können die Allrad-Haudegen nur selten zeigen, was sie auf dem Kastenrahmen haben: So richtig austoben dürfen sie sich nur auf speziellen Offroad-Strecken oder bei Events wie dem berühmten Jeep-Festival, das einmal im Jahr in Gevenich in der Eifel stattfindet.

Die Allrad-Haudegen werden liebevoll gepflegt

Die alten Willys-Jeeps sind heute ein seltener Anblick. Wer eine Fahrt im Original unternimmt, muss hart im Nehmen sein. Jeep-Fan und Kfz-Mechanikerin Sonja Felser hat so ein Ungetüm, hergestellt Anfang der 50er Jahre. Der alte Offroader wird mit einem Fußstarter angelassen und knattert beim Start unwirsch und laut vor sich hin. Man muss mächtig im Getriebe rühren, damit sich die Gänge widerwillig in die vorgesehene Position pressen lassen.

Ohne Türen und Fenster ist man mit Mutter Natur auf Du und Du. Nach einer langen Ausfahrt spürt man alle Knochen im Leib, die Klamotten sind mit Schlamm bespritzt oder mit Dornen gespickt. "Man muss als Jeep-Fan schon ein bisschen verrückt sein", meint Sonja Felser, die zahllose der alten Wagen gefahren, repariert und restauriert hat. "So ein Auto braucht viel Liebe und Aufmerksamkeit. Wenn man es nicht penibel pflegt, wird es bockig, springt nicht an oder macht Ölpfützen unter sich", sagt die Expertin.

Echten Jeepern wird eben nichts geschenkt - außer einem Hauch Abenteuer-Romantik und dem Gefühl, bei Bedarf überall durchzukommen.

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