Klassensprecher (6): Mercedes-Benz S-Klasse:Das Luxusschiff

Lesezeit: 4 min

Wer immer weltweit von einer Luxuslimousine träumt, hat die Mercedes S-Klasse im Sinn. Und das schon seit mehr als 30 Jahren - trotz starker Konkurrenz.

Von Stefan Grundhoff

In der Serie "Klassensprecher" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Autos vor, die ihre "Klasse" geprägt haben und sie bis heute beeinflussen.

Rechtsanwälte, Ärzte und Bankvorstände lieben den Über-Benz ebenso wie die Drogenbosse in "Miami Vice" oder Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl. Der Pfälzer ließ auf seine schwer gepanzerten dunkelgrauen S-Klassen der 126er-Baureihe seit Amtsantritt nichts kommen und erledigte seine Staatsgeschäfte nur zu gerne auf der etwas abgewetzten Flockvelour-Rückbank im Fond.

Die Liebe zur S-Klasse ist neu entflammt

Die Schönen, Reichen und Wichtigen dieser Welt setzten seit den siebziger Jahren auf die Stuttgarter Luxuslimousinen. Die längst legendär gewordene Baureihe 116 verzückte lange Jahre nahezu ohne Konkurrenz die oberen Zehntausend zwischen Cannes und Los Angeles, Tokio und München. In den USA-Sonnenstaaten Kalifornien und Florida sieht man bisweilen noch heute einige im Originalzustand befindliche Exemplare in Villeneinfahrten stehen.

In Europa haben viele wieder ihre Liebe zur damals grenzenlos luxuriösen S-Klasse (stand ehemals für Sonderklasse) entdeckt und sie als Oldtimer zu einem zweiten Leben erweckt. Ihre Geschichte begann 1972 und kostete mindestens 23.500 Mark. Heute beginnt die S-Welt bei rund 65.000 Euro.

Das erste "S" bot das seinerzeit Machbare und war mit allem Komfort zu bekommen, nur eines hatte es nicht - eine echte Konkurrenz. Jaguar hatte seine luxuriösen, aber chancenlosen Katzen im Angebot, BMW arbeitete mit Hochdruck am ersten 7er und die Konkurrenz aus Italien, den USA oder Frankreich war kaum als solche zu erkennen.

Der fast fünf Meter lange, elegant gestreckte Viertürer mit allerhand Chrom außen und Holz innen war die wohl schönste S-Klasse, die es je gab und bot ein Motorenspektrum, das vielen Autobauern Tränen in die Augen trieb. Ging es mit dem 185 PS starken 280 S / 280 SE als Handschalter und Automat schon eindrucksvoll los, brachten 350er und 450er das Herz der automobilen Limousinenfans zum Rasen.

Unübertroffenes Luxusmodell war der 450 SEL 6.9, eine fahrdynamische Weiterentwicklung von S600 und 300 SEL 6.3. Der Motor und das Automatikgetriebe des Über-116ers hatten das Leistungspotential eines Sportwagens.

Auch technisch war der 6.9 eine S-Klasse für sich: Statt der üblichen 4,5 Liter Hubraum des 450 SEL hat der Achtzylinder Brennkammern mit einem Gesamtvolumen von grandiosen 6,9 Litern - macht 210 kW / 286 PS und 560 Nm maximales Drehmoment bei 3000 U/min. Seine versprochene Höchstgeschwindigkeit lag bei über 230 km/h.

Als edelste Limousine auf der Welt, wie sich der SEL damals gerne selbst bezeichnete, gab es eine Luxusausstattung vom Feinsten. Nicht der übertriebene Pomp der amerikanischen Gegenüber, sondern eine Mischung aus hölzerner Dekadenz gepaart mit Stuttgarter Bodenständigkeit. Auch der 450 6.9 wusste nur zu gut, aus welchem Stall er kam - dass er sage und schreibe das Doppelte eines 350 SE kostete, schien die Kunden kaum zu stören.

"Die edelste Limousine der Welt": Das ist Verpflichtung und Anspruch

Serienmäßig gab es damals neben dem opulenten Platzangebot und der konkurrenzlosen Sicherheitsausstattung Zentralverriegelung, Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Scheinwerfer-Waschanlage und die obligatorischen Ohrenkopfstützen.

Das alles bot auch die erste S-Klasse mit Dieselmotor. Der müde 300 SD wurde jedoch nur für die USA - und hier insbesondere für den kalifornischen Markt - produziert. Als 450er hielt er dann Einzug bei den Regierungen dieser Welt.

So viel Pomp und so viel Eleganz hatte der Nachfolger der Baureihe 126 nicht mehr zu bieten. Und doch gilt die zweite Generation für viele Fans als die S-Klasse schlechthin: Von 1979 bis 1991 waren 280 S bis 560 SEL das Maß der Dinge.

Elegant, luxuriös und grandios verarbeitet schwören viele auch im Hause des Herstellers bis heute auf ihre wahre S-Klasse. Ein Auto ohne Schwächen, mit allen Extras zu bekommen. Airbags, elektrische und beheizte Sitze vorne und hinten, Klimaautomatik, Autotelefon, Reiserechner und vieles mehr ließen die damaligen Aufpreislisten zu Telefonbuchstärke anschwillen.

Serienmäßig gab es nicht viel mehr als Hausmannskost. Trotz opulenter Preise ließ man sich nahezu jede Schraube extra bezahlen und die potente Kundschaft machte es gern, genoss auch die müden Sechs- und die kraftvollen Achtzylinder.

Kultstatus bekam der 500 SE, bis heute für viele der Inbegriff einer S-Klasse. Keine S-Klasse wurde besser verkauft. In den zwölf Produktionsjahren liefen knapp 820.000 Modelle vom Band.

Anfang der neunziger Jahre wurde die elegante und geradezu filigran und feminin gezeichnete S-Klasse der 126er Baureihe von einem wahren Panzer abgelöst. Mächtige Dimensionen und ein Erscheinungsbild wie aus einem "Transformers"-Streifen brachten den Protz-Benz W140 in die Schlagzeilen.

Bis die elektronische Einparkhilfe das Zeug zur Serienreife hatte, halfen am Heck ausfahrbare Peilstäbe, das kantige Schlachtschiff in Parklücken zu pressen. Auf Deutschlands Möchtegern-Promi-Insel Sylt schlugen die Wellen hoch, als die neue S-Klasse nicht per Bahntransport über den Hindenburgdamm gebracht werden konnte: Die Autowaggons waren schlicht zu klein.

Doch allen Unkenrufen zum Trotz setzte die S-Klasse der neunziger Jahre Maßstäbe. Platzangebot, Verarbeitung, Ausstattung und Pomp kannten keine Grenzen. Hightech-Extras wie Xenonlicht, Navigation und beschlagfreie Doppelglasscheiben hielten Einzug und die Personenschutzfirmen hatten 500 SEL und 600 SEL schnell zu ihren Lieblingsfahrzeugen erkoren.

Bis heute gilt der W140 - egal ob mit langem oder kurzem Radstand - als die perfekteste S-Klasse, die es je gab. Bestens verarbeitet und mit gerade noch überschaubarem Aufwand zu reparieren sind die Fuhrparks vieler Regierungen nach wie vor mit dem gepanzerten B6-/B7-Kantholz der Jahre 1991 bis 1998 ausstaffiert. Unter anderem lässt sich Wladimir Putin bevorzugt mit einem seiner zahlreichen S600 Pullman durch die unsichere Welt chauffieren.

Erstmals war der als S 300 TD oder S 350 TD mit Dieselmotor auch in Europa zu bekommen. Die Schwäche der Motoren führte jedoch nicht in die Herzen der kaufkräftigen Kundschaft. Angesichts eines Leergewichts von rund zwei Tonnen machten 150 bis 170 PS die Selbstzünder-S-Klasse zur Premium-Wanderdüne für Sparfüchse.

Die S-Klasse: immer noch das Stuttgarter Aushängeschild

Nach dem heiß diskutierten W 140 wurde es unspektakulär. Der 1998 vorgestellte Nachfolger W 220 wurde in den verschiedensten Varianten zwischen S 320 CDI und S 600 L angeboten. Die weltweiten Verkaufszahlen unterstrichen, dass das Aushängeschild im Hause Mercedes-Benz in der Luxusklasse trotz verschiedenster Konkurrenzmodelle nach wie vor allein auf weiter Flur steht.

Wenn man dem 220er Modell etwas vorwerfen konnte, war es sein allzu dezenter Auftritt. Denn aufgrund der heftigen Kritik am opulenten Vorgänger hatte man sich in der Folge etwas zu stark am schmächtigen C-Klasse-Modell orientiert.

Die Gegenwart präsentiert sich mit der neuen S-Klasse wieder etwas standesgemäßer. Das im Herbst 2005 vorgestellte Modell (W 221) vereint nach wie vor Eleganz, Luxus und Hightech in sich. Das wichtigste jedoch: Die S-Klasse ist heute wieder das, was sie seit rund 30 Jahren ist: das absolute Aushängeschild der begehrtesten Fahrzeugklasse der Welt.

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