Klage auf Gebühren-Rückzahlung:Gerechtigkeit beim Idiotentest

Lesezeit: 2 min

Ein Anwalt klagt gegen ein Gutachten beim Idiotentest. Auf dem Verkehrsgerichtstag bekommt er Unterstützung vom Präsident des Münchner Verwaltungsgerichts.

E. Müller-Jentsch

Wer als Verkehrsteilnehmer am Steuer mit mehr als 1,6 Promille erwischt wird, kommt um den sogenannten Idiotentest nicht herum. Bei einem Münchner Rechtsanwalt genügte dazu schon der Versuch, im Suff auf ein Fahrrad zu steigen - allerdings war er dabei sofort umgekippt. Mit der angeordneten Medizinisch-Psychologischen Untersuchung, kurz MPU genannt, hätte der keineswegs uneinsichtige Jurist leben können. Doch empfand er die Art und Weise der Begutachtung als derartig willkürlich und ungerecht, dass er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschloss: Er klagte gegen das Begutachtungsunternehmen und verlangte die Gebühren zurück.

Wer bei einem Alkoholtest mit mehr als 1,6 Promille erwischt wird, muss einen Idiotentest ablegen. (Foto: Foto: AP)

Der Anwalt steht dazu, dass er Alkoholiker ist - seit sieben Jahren jedoch trocken. Fast trocken jedenfalls, denn 2007 hatte er einen Rückfall. Im Anschluss an diesen Trinkexzess war er dann vor einer Bar samt Radl einer Polizeistreife buchstäblich vor die Füße gekippt. Von diesem Ausrutscher abgesehen, hat der Mann aber sein Leben offensichtlich wieder in den Griff bekommen, führt ein unauffälliges bürgerliches Leben - natürlich strikt abstinent. Dass die Münchner Führerscheinbehörde ihn wegen des Verdachts auf Alkoholmissbrauch zur MPU schickte, findet er okay.

Er legt aber Wert darauf, in 35 Jahren Führerscheinbesitz niemals alkoholisiert am Steuer eines Autos gesessen zu haben - er sei sowieso leidenschaftlicher Radfahrer. Dem Psycho-Gutachter wirft der Anwalt nun vor, Sachverhalte verdreht und Akteninhalte nicht gekannt zu haben. Der Anwalt, der nachweislich einmal Opfer eines Betruges geworden war, wurde vom Gutachter etwa in die Rolle eines Tatverdächtigen gerückt. Im Ergebnis fiel der Anwalt bei dem "Idiotentest" durch. "Der Gutachter hat nahezu jeden gesprochenen Satz in der Exploration falsch oder verzerrt wiedergegeben", klagte der Betroffene. Natürlich habe er die Richtigstellung der Sachverhalte verlangt. Doch der Gutachter weigert sich.

Bedingungslos geeignet

Der Anwalt, der davon überzeugt ist, dass dieses Gutachten sachlich extrem fehlerhaft und damit keinen Pfifferling wert ist, klagte nun vor dem Münchner Amtsgericht auf Rückzahlung der Gebühren. Eine Richterin meinte aber sinngemäß, dass der Inhalt solch einer Exploration nicht so, wie etwa die Vernehmung im Strafprozess, vom Betroffenen mitgetragen werden müsse: "Eine Gutachtenserstellung ist nicht einer Gerichtsverhandlung gleichzustellen." Sie wies die Klage ab.

Der Anwalt war schockiert: "Ein amtlich anerkannter Gutachter darf also nach Ansicht des Amtsgerichts tun und lassen, was er will, und wird dabei auch noch von Behörden und Gerichten geschützt." Bei jeder polizeilichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung werde dem Zeugen oder Beschuldigten ein Aussageprotokoll vorgelegt, um sicherzugehen, dass das Gesagte auch richtig und vollständig wiedergegeben ist - "nur dann kann es später auch vorgehalten werden, nur dann ist es verwertbar", sagt der Anwalt. Übrigens hat ihn in der Zwischenzeit ein anderer Experte begutachtet und bedingungslos als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen befunden.

Nachweis auf Tonband oder Video

Es hegt nicht nur der betroffene Anwalt Zweifel an solchen Gutachten - auch der Präsident des Verwaltungsgerichts München, Harald Geiger, hat nun auf dem 48.Verkehrsgerichtstag in Goslar kritisiert, dass solche MPU-Gutachten den tatsächlichen Ablauf einer Exploration meist nicht richtig wiedergeben. Er regte an, solche Gespräche auf freiwilliger Basis auf Tonband, besser noch auf Video aufzuzeichnen. "Sinn dieser Regelung wäre es, im Zweifelsfall nachweisen zu können, in welcher Weise sich der Betroffene geäußert oder wie er sich in bestimmten Situationen verhalten hat", sagte Geiger.

Werde die Exploration dagegen nur stichwortartig vom Sachverständigen mitgeschrieben, "ist es unumgänglich, dem Betroffenen nach Abschluss des Untersuchungsgesprächs den Inhalt der Aufzeichnung zur Kenntnis zu bringen, ihm Gelegenheit für etwaige Einwendungen zu geben". Erst das mache "die Sache für uns Richter nachvollziehbar und für die Betroffenen auch".

Für den Münchner Rechtsanwalt kommt Geigers Vorstoß allerdings zu spät: Aufgrund des geringen Streitwertes von 300 Euro kann der Jurist keine Berufung gegen das Urteil einlegen - gekostete haben ihn das Gutachten und die Prozesskosten dagegen fast 5000 Euro.

© SZ vom 26.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: