IAA:Das Wachstum ist weiblich

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Eine Shell-Studie prognostiziert einen weiteren Anstieg der Auto-Zahl. Vor allem Frauen und Senioren werden mobiler.

Michael Bauchmüller

Die Prognose könnte, wenn sie denn zutrifft, Autoherstellern ein sanftes Lächeln aufs Gesicht zaubern: Die Zahl der Automobile auf Deutschlands Straßen werde bis 2020 von derzeit 43,8 auf bis zu 52 Millionen ansteigen, sagt die jüngste Shell-Pkw-Studie voraus. Eine der großen Sorgen der Industrie ist damit ausgeräumt: Dass die Nachfrage nach neuen Autos stagnieren könnte. "Die nicht nur von Kritikern des Autos vorhergesagten Grenzen des Wachstums sind nicht eingetreten", konstatierte Pieter Berkhout, Chef der Deutschen Shell, am Montag bei der Vorstellung der Zahlen. Eine Sättigung des Marktes sei nicht in Sicht, bei den Zulassungen erreiche die Branche 2002 die Talsohle.

"Frauen sind die Triebfeder der weiteren Motorisierung." (Foto: N/A)

Das Wachstum wird vor allem von Frauen und Senioren angetrieben. Während schon jetzt zwei Drittel aller Männer unter 30 aufs eigene Gaspedal drücken, liegt dieser Wert bei Frauen bei nur 40 Prozent.

Triebfeder der Motorisierung

Der Konzern ahnt ein gewaltiges Aufholpotenzial. "Frauen sind die Triebfeder der weiteren Motorisierung", sagt Bernhard Westinner, der die Studie verfasste. Allein in der besonders mobilen Alterklasse der 45- bis 60-Jährigen werde die Zahl der Zulassungen bis 2020 um 70 Prozent steigen, erwartet er. Unter Senioren ergibt sich ein ähnliches Bild, der Anstieg kann hier bis zu 50 Prozent betragen.

Als wäre das für die Autoindustrie nicht Grund zur Freude genug, sieht die Studie auch einen Trend zu komfortableren und teureren Autos. Vor allem Senioren, ausgestattet mit gesicherter Altersversorgung, legten Wert auf ein leicht zu bedienendes und nicht zu kleines Fahrzeug, sagt Westinner.

Der Hang zum Computer-Auto, der auch auf die diesjährige IAA durchschlägt, stoße bei Senioren allerdings auf Grenzen: "Ältere Kunden verstehen ja die Elektronik in ihrem Auto schon jetzt nicht mehr", sagt Westinner.

Mehr Autos - weniger Verkehr

Werden damit Deutschlands Straßen endgültig dicht sein? Die Autoren winken ab. Eine wachsende Zahl von Autos bedeute noch nicht, dass auch der Verkehr zunehmen müsse. Im Gegenteil: Die Studie geht von einem Rückgang der Fahrleistung je Auto um bis zu 15 Prozent aus. Die Summe aller gefahrenen Kilometer wird - je nach wirtschaftlicher Entwicklung - stagnieren oder nur leicht zulegen.

Umweltschützer sind dennoch unzufrieden. "Das zeigt doch, dass die Fahrzeuge immer schlechter ausgenutzt werden", klagt Tilmann Heuser, verkehrspolitischer Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Man sollte überlegen, wie man Autos, die rumstehen, besser nutzen kann." Zudem werde bei einer steigenden Auto-Nachfrage der Ressourcenverbrauch je Fahrzeug - vom Karosserieblech bis zur Kunststoffkonsole - weiter wachsen. "Das konterkariert alle Versuche, den Verbrauch zu senken."

Nur noch vier Liter Sprit für 100 Kilometer

Und der sinkt tatsächlich. Bis 2020, so die Shell-Studie, werde ein Durchschnittsauto nur noch vier Liter Sprit für hundert Kilometer brauchen. Der Schadstoffausstoß gehe langfristig stark zurück. Diese Entwicklungen werden noch angetrieben durch technologischen Fortschritt und gestiegene Kraftstoffpreise.

Für den Auftraggeber der Studie freilich ein unangenehmer Umstand - die Nachfrage nach Diesel und Benzin sinkt. "Wenn es schon heute zu viele Tankstellen gibt, werden es 2020 erst recht zu viele sein", sagt Shell- Chef Berkhout. "Der Wettbewerb wird härter."

Zugleich wächst die Bedeutung alternativer Kraftstoffe. Zwar räumen die Shell-Manager allenfalls Wasserstoff auf Dauer eine Chance ein. Bis 2020 rechnen sie aber schon mit fünf Millionen alternativ betriebenen Fahrzeugen auf deutschen Straßen. Berkhout sieht weiteres Wachstum: "Wasserstoff hat das Potenzial, der Energieträger des 21. Jahrhunderts zu werden."

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