IAA 2007:Das große Reinemachen

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Öko-Versprechungen machen zahlreiche Hersteller - mit ungewissem Ausgang und langen Fristen. Pünktlich zur Messe haben die wenigsten ihre CO2-Hausaufgaben erledigt.

Joachim Becker

Jede IAA ist auch eine Auto-Kirmes. Die Menge drängt und staunt, aus allen Richtungen plärrt Musik und die Hersteller preisen unglaubliche Dinge an, wie Luxuslimousinen, die weniger Sprit verbrauchen als Kleinwagen (Mercedes Forschungsfahrzeug F700).

Forschungsfahrzeug F700: So stellt sich Mercedes die Reiselimousine der Zukunft vor. Das Diesotto-Antriebskonzept soll für einen Verbrauch von 5,3 Litern sorgen. (Foto: Foto: Hersteller)

Doch technisch gesehen wird erst am Ende zusammengezählt und abgerechnet, was bei der Klimabilanz wie viel kostet - der Kunde muss den Fortschritt schließlich bezahlen. Wohl dem, der das CO2-Nahziel von 140 g/km ohne teure Innovationen durch einen hohen Kleinwagenanteil erreicht (Renault, PSA, Ford und Fiat).

Grüne Label wie Ford Econetic, VW BlueMotion oder Opel Ecoflex zeigen, wohin der Trend in dieser Leistungs- und Gewichtsklasse geht: Kleine Diesel oder Turbobenziner, aerodynamischer Feinschliff, lange Getriebeübersetzungen und Leichtlaufreifen genügen, um den CO2-Ausstoß in Richtung 120 g/km zu drücken. Zusätzliches Potential bieten Start-Stopp-Systeme, von denen allein Peugeot und Citroën bis 2011 eine Millionen Stück verkaufen wollen. Auch der Mercedes A 160 CDI kommt mit dem Sparsystem von 2008 an auf einen CO2-Ausstoß von 119 g/km, Hochspannungs-Hybride wird es weder in der Stuttgarter A- noch B-Klasse geben.

Unbeantwortet bleibt auch auf dieser IAA die Frage, wie wir ohne fossile Treibstoffe auskommen können. Mercedes bringt 2010 zwar die nächste Brennstoffzellen-Generation, die B-Klasse F-Cell wird es aber nur in einer Kleinserie von extrem teuren Forschungsfahrzeugen geben.

Kostet fast nichts, aber macht beim Spareffekt viel her

Bis Biosprit der zweiten Generation aus Holzresten, Stroh oder Gras verfügbar ist, scheint Ethanol das Rennen zu machen. Immer mehr Modelle mit dem Schnapsmotor drängen sich an rund hundert deutschen Ethanol-Zapfsäulen. Hersteller wie Ford und Saab bekennen sich damit gerne zu ihrem Umweltgewissen, weil die Umstellung auf E85-Betrieb im Benziner fast nichts kostet, aber viel hermacht. Dass der Biosprit der ersten Generation den Getreidepreis in die Höhe treibt und hierzulande unter anderem mit extrem CO2-haltiger Braunkohle destilliert wird, fällt kaum einem auf.

"In den USA gibt es schon 900 Ethanol-Tankstellen, dort bieten wir auch Mercedes Flexfuel-Fahrzeuge an. In Deutschland halte ich das für überflüssig", sagt Herbert Kohler über den vermeintlichen Bioboom. "Statt die teure Ethanol-Infrastruktur in Deutschland aufzubauen, wäre es sinnvoller, wie beim Biodiesel fünf Prozent dem herkömmlichen Kraftstoff beizumischen", so der Chef der Mercedes-Forschung und -Vorentwicklung.

Mercedes F 700
:Barock in die Zukunft

Mit dem F 700 zeigt Mercedes, wie die Zukunft der S-Klasse aussehen könnte: barocke Kurven, Diesotto-Antrieb und kreative Sitzpositionen.

Die Stuttgarter wollen sich mit derartiger Klimakosmetik nicht mehr abgeben, klotzen statt kleckern heißt das neue Motto: Acht supersaubere Bluetec-Diesel und sieben Hybride in fünf Baureihen sollen in den nächsten zweieinhalb Jahren für eine deutlich bessere Klimabilanz sorgen. Dass die Marke mit dem Stern derzeit auf einen Flottenausstoß von rund 180 g/km kommt und die CO2-Ziele 2008 nicht erreichen wird, gerät angesichts des Premieren-Rummels mit Showgirls und 50-Meter-Bühne leicht in Vergessenheit.

Übersicht der im F700 eingesetzten Verbrauchstechniken (siehe vergrößerte Ansicht). (Foto: Foto: Hersteller)

Das Frankfurter Hightech-Feuerwerk zeigt, wie groß der Leidensdruck bei Mercedes mittlerweile ist: "Das ist das größte Investitionsprogramm für die Umwelt in der Unternehmensgeschichte, ein echter Befreiungsschlag", verkündet Entwicklungsvorstand Thomas Weber.

Die Öko-Euphorie geht so weit, dass die Stuttgarter ganz im Stil von Toyota zahlreiche Komponenten ihrer ersten Hybrid-Fahrzeuge selbst fertigen: "Es geht um Qualitätsfragen und Know-how, wir können uns bei Schlüsseltechnologien wie Hochleistungsbatterien nicht von Zulieferern abhängig machen", betont Weber.

Gewagte Hybrid-Offensive aus Stuttgart

In der Serienentwicklung befinden sich neben dem leistungsverzweigten Two-Mode-Hybrid ML 450 mit Sechszylinder-Benziner, zwei Elektromotoren und Nickel-Metall-Hydrid-Batterie auch leichtere Parallel-Hybride mit nur einer E-Maschine: Der C 300 Bluetec-Hybrid soll von 2010 an zum Beispiel auf einen Normverbrauch von 4,6 Liter kommen, obwohl hier 204 PS aus einem zweistufig aufgeladenen Vierzylinder-Diesel mit 15 kW elektrischer Leistung und einer Lithium-Ionen-Batterie zusammenspielen. "Ganz schön mutig", nennen Insider wie der Ex-Mercedes-Chef Jürgen Hubbert das Investitionsprogramm.

Auch die Verantwortlichen bei Audi und BMW schütteln angesichts der sündteuren Hybrid-Offensive nur den Kopf - obwohl sie den Antriebsstrang ebenfalls elektrifizieren. BMW präsentiert auf der IAA ein X6 Hybrid Concept, das auf dem gemeinsam mit Mercedes entwickelten Two-Mode-System beruht (siehe Bericht Seite 2). Ein Audi-Exponat zeigt die zweite Hybrid-Generation der Ingolstädter zusammen mit einem neuen 2.0-TFSI-Vierzylinder. Wie beim Mercedes ISG (Integrierter Starter-Generator - unter anderem im C 300 Bluetec-Hybrid) sitzt der Elektromotor statt des Wandlers im Automatikgetriebe: Hier ist es der neue ZF-Acht-Gang-Automat für bis zu 650 Newtonmeter Drehmoment, der nächstes Jahr sowohl bei Audi als auch BMW eingeführt wird. Da die Komponenten inklusive Lithium-Ionen-Batterie nur noch halb so groß und halb so schwer sind, wird die zweite Hybrid-Generation von 2010 an schließlich auch im A6 und A8 Einzug halten.

Zusätzliches Drehmoment durch Elektro-Power - das ist ein Hilfsmittel auf dem Weg zu kleineren, sparsameren und zugleich leistungsstärkeren Verbrennungsmotoren. Dahinter liegt die Erkenntnis aller Premium-Marken, dass sie auch in Zukunft keine Verzichtsautos verkaufen können.

Beim Downsizing, also der Reduzierung der Zylinderzahl oder des Hubraums bei gleicher Leistung, schnüren die Hersteller zumindest beim Benziner unterschiedliche Technik-Pakete. Audi schwört weiterhin auf die Turbo-Aufladung: "Beim Turbo gibt es bis 2010 einen Innovationsschub, weil so viele Hersteller in die Technologie einsteigen. Wir arbeiten an Vierzylinder-Benzinern mit 400 Nm Drehmoment, das bietet viel Raum für weiteres Downsizing und entsprechende Spareffekte", kündigt Axel Eiser an.

Der Leiter Ottomotorenentwicklung bei Audi will auch künftig auf eine Benzindirekteinspritzung mit Schichtladung verzichten, die bei den BMW-Vier- und -Sechszylindern sowie Mercedes CLS und E 350 CGI zum Einsatz kommt. "Saugmotoren mit Magerbetrieb verbrauchen mehr Kraftstoff als unsere neuen Turbo-Direkteinspritzer", betont Eiser und verweist auf den kommenden 2.0 TFSI, der 2008 im neuen Audi A4 und dem A5 Coupé starten wird. Der Motor mit 180 PS oder 210 PS wird ein dieseltypisches Drehmoment von 350 Nm schon bei 1800 Umdrehungen erreichen. Dabei soll der Durchschnittsverbrauch beim schwächeren Aggregat auf 6,9 Liter sinken.

Viele Ankündigungen also, nur bei Aussagen zum CO2-Flottenwert sind die Premiumhersteller eher zurückhaltend. Einzig BMW bekennt sich öffentlich zum Klimaziel für 2008: "Bis Ende nächsten Jahres werden wir unseren Flottenverbrauch um die versprochenen 25 Prozent gegenüber 1995 senken", kündigt BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer an. Noch 2007 wollen die Münchner 400.000 Fahrzeuge unter dem Markenzeichen BMW Efficient Dynamics verkaufen. Bereits jetzt wurden zahlreiche Effizienzmaßnahmen umgesetzt - und zwar serienmäßig.

CO2-Hausaufgaben jetzt erledigen

Ein Beispiel: Das Leistungsplus des BMW 318d von 17 Prozent bei einer Verbrauchssenkung um 18 Prozent wurde in jahrelanger Detailarbeit am ganzen Fahrzeug erreicht. Es wird Zeit, dass auch andere Marken ihre CO2-Hausaufgaben machen, statt allzu weit in die Zukunft zu schauen.

© SZ vom 15.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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