Hinter den Kulissen der MS Europa:Saubere Sache

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Strenge Regeln und moderne Entsorgungstechnik an Bord von Passagierschiffen sollen die Meere schützen.

Marcus Müller

Es ist ein Schiff, auf dem es zumindest für die Passagiere fast kein Nein gibt: Ausflug mit dem Helikopter, Kaviar und Champagner nach Belieben. An Bord der MS Europa alles kein Problem - die Mannschaft des derzeit weltweit einzigen Fünf-Sterne-Plus-Kreuzfahrtschiffes erfüllt eigentlich jeden Wunsch. Und so lässt sich das Flaggschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten gerne als Königin der Kreuzfahrtschiffe bezeichnen.

Schwimmendes Klärwerk: Hagen Franke ist der Leitende Ingenieur der MS Europa und verantwortlich für die regelgerechte Entsorgung an Bord. (Foto: Foto: Müller)

Aber auch eine Königin muss, nun ja, mal ins Bad. Zwar sind die täglichen Hinterlassenschaften der maximal 408 Passagiere und 275 Mann Besatzung eher gering - verglichen etwa mit der Queen Mary 2, die mehr als 3800 Menschen an Bord hat. Doch 250.000 Liter verbrauchtes Wasser und fünf bis sechs Kubikmeter Müll sind es auch an Bord der Europa - täglich. Und das alles verlangt nach modernster Aufbereitungstechnik.

Längst achten die meisten Kreuzfahrt-Reedereien allein schon des Images wegen auf den sauberen Umgang mit der Umwelt. "Die Branche tendiert dahin, sämtliche Einleitungen ins Wasser mit Ausnahme von Nahrungsmittelresten zu vermeiden", weiß Henning Gramann, Umweltingenieur beim Germanischen Lloyd (GL) in Hamburg, dem deutschen Schiffs-TÜV und Klassifizierer für Seetauglichkeit und Umweltschutz, "es wäre auch nicht sinnvoll, die Passagiere an die schönsten Orte der Welt zu bringen und hinten kommt das Abwasser raus."

"Wirf keinen Müll über Bord", warnt gleich an der Einstiegsluke der MS Europa ein großes Plakat - das sei gegen das Gesetz, heißt es in roten Lettern. Und die Mahnung fasst knapp die Vorschriften des Anhangs Nummer fünf des Marpol-Abkommens zusammen. Das Regelwerk für den Umweltschutz namens Marine Pollution gibt es seit 1973, in Kraft trat es zehn Jahre später und wurde seither mehrmals erweitert und verschärft. Die Marpol-Konvention legt verbindlich fest, was auf der Welt wie von Bord ins Meer oder in die Luft darf und ist eines der wichtigsten Instrumente der Internationalen Schifffahrts-Organisation IMO, einer Unterabteilung der Vereinten Nationen.

Auf der Europa führen die strengen Regelungen dazu, dass sich an Bord nicht nur Hunderte Quadratmeter Kühlräume für Lebensmittel finden. So verfügt das Schiff auch über große Müllräume, die der Hygiene wegen ständig auf zwei Grad Celsius gekühlt werden. Entsprechend der Forderung des Marpol-Plakates neben der Eingangsluke: "Stow it - don't throw it"; verstaue den Müll, wirf ihn nicht über Bord. Allerdings landet längst nicht mehr alles in den Stauräumen, denn auf den modernen Kreuzfahrtschiffen arbeiten tief unter Deck Müllsortieranlagen und Klärmaschinen.

Für den anfallenden festen Müll zum Beispiel aus Abfalleimern bedeutet das aufwendige Handarbeit, erklärt Hagen Franke im Maschinenkontrollraum auf Deck drei der Europa. Franke, der Leitende Ingenieur des Schiffes, stellt dazu ständig zwei Mitarbeiter ab, die Plastik, Aluminium, Batterien und Glas aus dem Abfall fischen. Übrigbleibendes Papier, Pappe oder Holz werden bei hohen Temperaturen verbrannt, um die Entstehung von Stickoxiden zu vermeiden.

Allerdings: Die Verbrennungsanlage darf nur angefahren werden, wenn mindestens zwölf Seemeilen, rund 22 Kilometer, zwischen Schiff und Festland liegen. Glas wird geschreddert und darf ebenfalls nur außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone durch eine Klappe knapp über der Wasseroberfläche von Bord gekippt werden. Ist die Entfernung zum Festland geringer, muss alles im nächsten Hafen, der angelaufen wird, entsorgt werden.

Abwasser aus den Toiletten, sogenanntes Schwarzwasser, wird an Bord der MS Europa, wie auf anderen Passagierschiffen auch, desinfiziert und biologisch geklärt, bevor es ins Meer gepumpt wird. Das allerdings darf nach den Marpol-Regeln erst bei mindestens drei Seemeilen von Land entfernt und bei einer Fahrtgeschwindigkeit von mindestens vier Knoten geschehen; viele Fahrtgebiete mit schärferen nationalen Gesetzen verbieten diesen Vorgang ganz.

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Auch das weniger belastete Grauwasser aus Duschen oder Waschbecken wird vor dem Ablassen gereinigt, vorgeschrieben aber ist es nicht. Aus den Küchen dürfen Nahrungsmittelreste generell nur zerkleinert und zwölf Seemeilen vom Land entfernt ins Wasser. Bei allen Marpol-Regeln spielt also die Entfernung vom Festland eine große Rolle; auf der Ostsee führen die Vorschriften beispielsweise dazu, dass dort faktisch fast kein Schiff Müll verbrennen darf. Ergänzt wird das alles durch die Ausweisung besonders geschützter Gebiete wie der Antarktis, wo nichts ein Kreuzfahrtschiff verlassen darf - kein Abwasser, keine Asche, nicht ein Gramm Hummerschale.

Natürlich ist auch der Umgang mit besonders umweltgefährdeten Rückständen exakt geregelt. So ist es strengstens verboten, Plastik auf offener See zu entsorgen; werden solche Reststoffe an Bord verbrannt, darf die Asche nicht ins Wasser geleitet werden. Öl muss abgeschieden und bis zur Entsorgung im nächsten Hafen in Tanks gebunkert werden - dies wird an Bord der Europa oder anderen Kreuzfahrtschiffen automatisch kontrolliert, wenn Flüssigkeiten während der Reise abgelassen werden.

Immerhin können die nationalen Behörden in den Häfen das überprüfen, da an Bord Tagebücher über die Müllbehandlung und Pumpvorgänge geführt werden müssen; Verstöße gegen die Marpol-Regeln können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden. Die Frage nach der Effektivität ihrer Arbeit fasst die IMO selbst in dem schönen Satz zusammen, dass sie "mit ihren 167 Mitgliedsstaaten zwar viele Zähne hat, einige aber nicht zubeißen".

Besondere Aufmerksamkeit gilt auch bei Emissionen: Von 2011 an muss der Stickoxid-Ausstoß je nach Schiff um 15 bis 22 Prozent gesenkt werden. "Hier werden dann bewusst auch ältere Schiffe eingeschlossen und die Regelungen für diese damit verschärft", erklärt GL-Umweltingenieur Reinhard Krapp. Auch der Schwefelgehalt des Brennstoffes soll bis zum Jahr 2020 schrittweise von 4,5 Prozent auf 0,5 Prozent abgesenkt werden; allerdings liegt der Mittelwert des Schwefelanteils aller Brennstoffe jetzt schon bei 2,7 Prozent.

Insgesamt lobt GL-Umweltingenieur Ralf Plump das Problembewusstsein an Bord vieler Schiffe: "Den in Deutschland ansässigen Reedern kann man bescheinigen, dass sie sehr viel für den Umweltschutz tun." Er weiß aber auch, dass es auf den Weltmeeren noch jede Menge schwarze Schafe gibt. Und längst nicht alle Marpol-Regeln sind vorbildlich: So wird von Umweltverbänden kritisiert, dass nicht desinfiziertes, nicht zerkleinertes Schwarzwasser außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone noch immer abgepumpt werden darf, wenn eine "moderate Einleitungsrate" eingehalten wird.

Die rasant steigenden Treibstoffpreise führen unterdessen bei fast allen Schiffen dazu, die Motoren zu drosseln; so gilt für die Europa, 17 Knoten möglichst nicht zu überschreiten. Möglich wären maximal 21 Knoten; allein dieser Unterschied von vier Knoten, etwa 7,5 km/h, lässt den Verbrauch um etwa 30 Prozent steigen. Und das soll dann aber auch bei einem Schiff vermieden werden, auf dem es sonst kaum ein Nein gibt - mit Blick auf die Kosten und damit auch auf die Umwelt.

© SZ vom 06.09.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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