Das Swath-Prinzip:Auf allen Vieren im Wasser

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Eine neue Schiffbautechnik sorgt jetzt auch bei Privatyachten für Ruhe bei rauem Wasser: Das so genannte Swath-Prinzip lässt nur noch leichtes Schlingern zu.

Klaus Bartels

Darauf haben ganze Generationen von Seeleuten gewartet - auf ein Schiff, das selbst bei starkem Seegang kaum mehr schaukelt. Zu den Glücklichen, für die schlingernde und stampfende Boote längst Vergangenheit sind, gehören mittlerweile auch die Hamburger Elblotsen, für die über Jahrzehnte das Übersteigen auf zu lotsende Schiffe bei schlechtem Wetter ein oft lebensgefährliches Manöver war.

Das Übersteigen auf zu lotsende Schiffe bei schlechtem Wetter war ohne Swath ein lebensgefährliches Manöver. (Foto: Foto: Abeking & Rasmussen)

Die drei Spezialschiffe, die auf der Werft Abeking & Rasmussen (A&R) in Bremen nach dem sogenannten Swath-Prinzip (Small Waterplane Area Twin Hull) gebaut wurden, erleichtern den Lotsen ihren Dienst. Die beiden je 25 Meter langen Versetzboote und das 50 Meter lange Lotsenschiff sehen auf den ersten Blick aus wie Katamarane, allerdings: Unter den Rümpfen befinden sich torpedoartige Schwimmer, die dafür sorgen, dass die Schiffe auch bei 3,50 Meter hohen Wellen und 20 Knoten Geschwindigkeit nur leicht schlingern. "Es sind etwa solche Bewegungen, wie man sie im Gelenkbus kennt, wenn man sich in der Mitte aufhält", freut sich Elblotse Albrecht Kramer - und kann es sich nicht mehr vorstellen, auf herkömmlichen Versetzbooten seiner Arbeit nachzugehen.

Mittlerweile denken auch private Yachteigner zunehmend daran, die Swath-Technik, an der seit rund 30 Jahren weltweit gearbeitet wird, zu nutzen. Die Bremer Werft A&R, die in diesem Jahr 100 Jahre besteht, ist zur Zeit weltweit führend beim Bau solcher Schiffe und hat nun den ersten Privateigner-Auftrag für eine Swath-Yacht bekommen. Nach den positiven Erfahrungen mit den Lotsenbooten geht man bei A&R davon aus, dass sich die Schiffsbewegungen auch in extremen Situationen um mehr als vier Fünftel reduzieren lassen. "Wir können Yachten bauen, auf denen auch bei starkem Sturm niemandem mehr elend zumute sein muss", glaubt Chefkonstrukteur Klaas Spethmann.

Weniger Angriffsfläche für Wellen

Das Prinzip, auf dem die Swath-Technologie basiert, erscheint auf den ersten Blick logisch und simpel gleichermaßen: Je geringer die benetzte Fläche eines Schiffes ist, um so weniger Angriffsfläche haben die Wellen, die es zum Schaukeln bringen. Tatsächlich aber waren für die Realisierung schwierigste Computerberechnungen erforderlich, die nur mit moderner Technik möglich wurden. Bei den drei in der Deutschen Bucht eingesetzten Lotsenbooten sind es jeweils zwei torpedoartige Schwimmer, die im Vergleich zu einem herkömmlichen Rumpf nur einen Bruchteil des Wassers verdrängen.

Das Swath-Prinzip
:Schiffe, die nicht schaukeln

Eine Bremer Traditionswerft baut Lotsenschiffe und Yachten, die den Wellen kaum noch Angriffsfläche bieten.

Durch weniger Fläche im Wasser reduziert sich allerdings im Normalfall auch die Stabilität eines Schiffes. Diese physikalische Gegebenheit haben die Bremer Konstrukteure mit ihren Swath-Schiffen praktisch aufgehoben. Bei der nächsten Generation dieses Schiffstyps, zu der auch die in Auftrag gegebene Privatyacht gehören wird, wollen die Bremer Schiffsbauer die benetzte Fläche noch weiter reduzieren; die beiden 40,50 Meter langen Rümpfe werden dann von vier Schwimmern getragen - jeweils zwei am Bug, zwei am Heck. Dadurch soll nach den Berechnungen der Konstrukteure die Schiffsbewegung noch weiter reduziert werden, ohne dass die Stabilität leidet. Die Schwimmer schlucken die Wasserbewegungen "etwa so, wie es die Einzelradfederung moderner Autos bei schlechter Straße tut", erklärt Klaas Spethmann.

Weiterer Pluspunkt ist der Platz. Für Decks und Aufbauten steht die Fläche von 40,50 Meter Länge und 17,80 Meter Breite zur Verfügung - da ist auch genügend Platz für einen geplanten Hubschrauberlandeplatz. Vorteilhaft gegenüber herkömmlichen Yachten werden auch die in den Schwimmern untergebrachten Maschinen sein, die so vom Wohnbereich getrennt und kaum zu hören sein werden. So spricht man bei A&R auch bereits zuversichtlich von einer "Flüsteryacht". Allerdings gibt es einen nicht unerheblichen Nachteil gegenüber herkömmlichen Yachten in dieser Größenordnung: Mit einem berechneten Tiefgang von immerhin 4,10 Meter wird so manche verträumte Bucht wohl unerreichbar bleiben.

Geplant ist der Einbau von zwei Dieselaggregaten von Caterpillar mit jeweils 820 Kilowatt Leistung; sie sollen die knapp 600 Tonnen verdrängende Swath-Yacht auf 14 Knoten, umgerechnet fast 26 km/h, bringen. Die Tanks werden 64.000 Liter Diesel fassen und so eine Reichweite von rund 3500 Meilen, also fast 6500 Kilometer ermöglichen - damit kann der Atlantik überquert werden und die Yacht von Europa aus in die Karibik fahren. Da die Yacht auf Eignerwunsch zusätzlich mit herkömmlichen Flossenstabilisatoren ausgerüstet werden soll, die man im höheren Geschwindigkeitsbereich aktivieren will, soll es möglich werden, auch in der Atlantikdünung noch Champagner zu servieren, ohne dass etwas aus den Gläsern schwappt.

Das Hotel auf dem Meer

Der ungenannte Eigner und seine zukünftigen Gäste werden die Reise mit der Swath-Yacht also genießen können. Das tun die Elblotsen auf ihrem Lotsenschiff heute schon, wenn sie bei Sturm in der Deutschen Bucht auf Frachter warten, die nach Hamburg gelotst werden sollen. "Der Kaffeebecher bleibt auf dem Tisch", freut sich Lotse Albrecht Kramer. Kein Wunder, dass er und seine Kollegen längst vom "schwimmenden Nordseehotel" sprechen.

© SZ vom 21.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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