Das Auto und das Öl (6):Freie Fahrt für reiche Bürger

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Der Preis für Erdöl ist explodiert, dasselbe gilt fürs Benzin. Mittlerweile muss man für die Tankfüllung eines normalen Mittelklassewagens schon rund 100 Euro hinblättern. Das wird nicht das Ende sein - die Prognosen der Wissenschaftler.

Christopher Schrader

Der Preisanstieg für Benzin bringt auch Zukunftsforscher in Schwierigkeiten. Da hatten doch die Experten vom Berliner Institut für Mobilitätsforschung Anfang April eine Studie über die Mobilität im Jahr 2025 vorgelegt. Doch nun müssen sie "überlegen, wie lang sich das Verhalten der Menschen noch anpasst, und wann ein plötzlicher Bruch zu erwarten ist", sagt Irene Feige von dem Institut, das zur BMW-Gruppe gehört. Den Grund für die Zweifel zeigt ein Blick ins Kleingedruckte: Die Autoren der Studie stützten sich auf veraltete Zahlen, sie erwarteten einen Ölpreis von 75 Dollar pro Barrel im Jahr 2025. Tatsächlich lag die Marke an diesem Freitag schon bei 125 Dollar.

Das Auto und das Öl
:Wie geht's weiter?

Die drastische Verteuerung des Kraftstoffs in jüngster Zeit wirft die Frage auf, wie sich die Menschen in Zukunft bewegen - und die weltweite Autoindustrie fragt sich noch, wie der Antrieb der Zukunft aussieht.

Nirgendwo steigen die Menschen ganz aus ihren Autos

"Besonders groß ist der Einfluss des Benzinpreises auf das Mobilitätsverhalten nicht. So lange es geht, schichten die Menschen ihren Konsum zugunsten des Verkehrs um", verteidigt Feige dennoch ihre Studie. Diese sah einen Anstieg der Kilometer, die eine Person pro Jahr zurücklegt, um 13 Prozent bis 2025 voraus. Heute liegen die Zahlen zwischen 9200 und 12.300 Kilometern pro Jahr, in knapp zwanzig Jahren erreichen sie 10.400 bis 14.200 - wobei der Anteil der Auto-Kilometer leicht ansteigt. Die Autos der Zukunft verbrauchen der Studie zufolge im Schnitt 5,2 Liter auf 100 Kilometer, was den Effekt des Benzinpreises dämpft: Die Kosten des Autofahrens steigen dann weniger als die für Bus oder Bahn.

Eine ähnliche Entwicklung hatte im Jahr 2006 eine Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ergeben. Allerdings folgt dort auf den Anstieg der Personenkilometer ein Rückgang: Bis 2050 sollten die Zahlen um sechs bis acht Prozent unter aktuelle Werte gefallen sein. "Die steigenden Benzinkosten dürften die Entwicklung beschleunigen", schätzt Frank Zimmermann vom Dresdner Beratungsunternehmen PTV, der an der Studie beteiligt war. "Der Anstieg endet etwas früher, der Abfall wird etwas größer."

Auch die demographische Entwicklung in Deutschland hat gemäß der Studie Folgen für den Verkehr. Einerseits leben mehr ältere Menschen, die ans Autofahren gewöhnt sind, andererseits verlieren ländliche Regionen an Wirtschaftskraft und Bevölkerung, sodass sie kaum noch Bus- oder Bahnverbindungen haben.

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Schon immer suchte die Autoindustrie neue Techniken. Es gab eine Zeit, da war sogar von Atom-, Gasturbinen- und Jetantrieben die Rede. Vor allem die Amerikaner präsentierten regelrechte Space Cars. Eine Erinnerung.

Günther Fischer

Im Rest der Welt erwarten Zukunftsforscher dagegen ein drastisches Wachstum. Die Zahl der Autos dürfte sich bis 2050 auf zwei Milliarden verdreifachen. Allein in China werden sich die Personenkilometer verzwölffachen, schätzt das World Energy Council.

Keine Konvois

Nirgendwo aber steigen die Menschen ganz aus ihren Autos. "In demokratischen Gesellschaften ist die Selbstbeweglichkeit ein hohes Gut", sagt Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. Daher werden auch Versuche, den Autoverkehr einzuschränken, letztendlich nur in Nischen funktionieren. Dass sich mehr Menschen in Carsharing-Systemen die Autos teilen, sieht Knie so wenig als wahrscheinlich an wie Fahrzeuge, die sich auf Durchgangsstraßen oder Autobahnen an einen elektronisch gekoppelten Konvoi hängen. "Fahrer wollen die Kontrolle behalten. Es ist keine Industriemacht zu erkennen, die etwas anderes durchsetzen wollte."

Viele jener Autos haben unter ihren Hauben Verbrennungsmotoren. Vielleicht werden Diesel und Benzin in Zukunft tatsächlich mit weiterentwickelten Biokraftstoffen gestreckt, ohne Lebensmittelpreise in die Höhe zu treiben. Viele andere Wagen werden elektrisch fahren.

Klimaverträglich kann das nur sein, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind oder Erdwärme kommt. Womöglich aber tankt der Kraftfahrer der Zukunft auch Kernenergie: Nuklearforscher sinnieren, wie man mit Reaktoren Wasserstoff für Elektroantriebe erzeugen oder unbrauchbare Ölvorräte zu Benzin veredeln könnte. Ideen gibt es viele für den Antrieb zukünftiger Autos - die hohen Preise machen alternative Kraftstoffe schneller als erwartet konkurrenzfähig.

© SZ vom 31.05.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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