Boom der Billigautos:Preiswert ist gewollt

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Bei uns wird heftig um CO2-Ausstoß, Spritverbrauch und Klimaschädlichkeit der Autos gestritten. Anderswo zählt nur der Preis - und wenn's auf Kosten des Klimas geht.

Günther Fischer

Noch ist es ein gewohntes Bild in Asien und Südamerika: Straßen, verstopft mit tausenden Fahrrädern und Mopeds. Doch dieses Bild wird sich schnell ändern: Die Automobilhersteller liefern sich einen Wettlauf darum, wer den billigsten Wagen an den Start bringen kann, um die Massen für wenige tausend Euro zu motorisieren - mit unabsehbaren Folgen für das Weltklima. Und: Dieser Boom beginnt zu einem Zeitpunkt, an dem vor allem die Traditionsunternehmen in Europa und den USA angesichts des Klimawandels ohnehin in permanenter Erklärungsnot sind.

Gerade eben vom indischen Hersteller Tata an seinem Firmsitz in Pimpri (180 Kilometer nördlich von Mumbai) Tata vorgestellt: der "Magic", ein kleiner und leichter Lieferwagen. (Foto: Foto: Reuters)

Der Bestand an Billigautos wird Experten zufolge um fünf Prozent im Jahr wachsen - also doppelt so schnell wie jedes andere Fahrzeugsegment. Eine Zahl illustriert den irrwitzigen Zuwachs: In Peking werden täglich (!) 1000 Fahrzeuge neu zugelassen. Und doch besitzt bisher erst jeder fünfte Einwohner einen eigenen Wagen.

Das Marktforschungsinstitut Global Insight geht inzwischen davon aus, dass 2010 in Asien über 1,3 Millionen Billigfahrzeuge von den Bändern rollen werden. Das ist mehr als doppelt so viel wie für das laufende Jahr erwartet wird. In Südamerika sollen dann 840.000 (2007: 700.000) Billigautos gebaut werden, in Osteuropa 460.000 (370.000) Stück. Und das Potenzial ist groß, denn noch ist die Fahrzeugdichte in den Schwellenländern gering: In China kamen im vergangenen Jahr gerade einmal 14 Autos auf 1000 Einwohner, in Deutschland waren es 559, im Autoland USA 454.

Renault will jählich eine Million Dacia Logan verkaufen

Der französische Autobauer Renault hat mit dem Logan vorgemacht, wie ein Auto ohne moderne Ausstattung weltweit reißenden Absatz finden kann.

Der seit 2004 in Osteuropa für 5000 Euro angebotene Wagen wird mittlerweile in Indien, Iran, Marokko, Russland, Brasilien und Kolumbien montiert. Das Logan-Stammwerk im rumänischen Pitesti soll bis 2008 auf eine Kapazität von 350.000 Fahrzeugen hochgefahren werden, zuletzt waren es 240.000. Spätestens 2010 will Renault jährlich eine Million Logan verkaufen.

Und es geht noch billiger: Der indische Autobauer Tata Motors plant einen Wagen für 2500 Dollar (1850 Euro).

Ambassador / Morris Oxford
:Indiens Dauerbrenner

Auch wenn kaum Platz auf Indiens Straßen ist, einen Ambassador muss man haben - er beherrscht Indiens Straßenbild.

Möglich sind diese Billigpreise nur durch ein extrem niedriges Lohnniveau - was auch heißt, dass die Autohersteller in einem gewissen Sinn auf ihre Anfänge zurückgeworfen werden: Menschliche Arbeitkraft ist noch billiger als der Einsatz von Industrierobotern - für westliche Maßstäbe fast eine verkehrte Welt. "Die Schweißnaht wird nicht vom Schweißroboter gesetzt, sondern vom Arbeiter, der pro Stunde einschließlich Lohnnebenkosten einen Dollar kostet", sagt Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer.

Verkehrte Welt: Industrieroboter sind zu teuer

Moderne Werke, wie sie Skoda oder Toyota in Osteuropa gebaut haben, scheiden damit sofort aus. "Möglich wird der Autobau in Entwicklungsländern erst, wenn die Fahrzeuge einfach konstruiert sind", erläutert Dudenhöffer.

Es reicht nicht aus, die in Westeuropa und den USA üblichen Kleinwagen für die Märkte in Schwellenländern nur abzuspecken. Darauf weist auch der weltgrößte Autozulieferer Robert Bosch hin. Fahrzeugteile wie Motor oder Abgasanlage müssten einfach zu entwickeln und schnell zu modifizieren sein, so Bosch-Kfz-Technik-Chef Bernd Bohr.

Auf Sicherheitsausstattung wie das elektronische Stabilitätsprogramm ESP und ABS könne aber auch in Schwellenländern nicht verzichtet werden. Schließlich zähle Indien doppelt so viele Verkehrstote wie hochmotorisierte europäische Länder.

Europas Platzhirsch Volkswagen verfolgt mit seinem geplanten Kleinwagen erklärtermaßen auch umweltpolitische Ziele. Das viersitzige Automobil soll in Indien gebaut werden, aber auch in Europa auf den Markt kommen. Der sparsame Zweizylinder könnte den Wolfsburgern damit helfen, die europäischen Klimaschutzvorschriften für den Kohlendioxid-Ausstoß zu erfüllen.

Auch Chrysler den größten Teil der Produktion seiner kleineren Autos nach China verlagern - der chinesische Hersteller Chery wird sie bauen. Kleine und billigere Autos sollen auch Chrysler neue Märkte in den Entwicklungsländern erschließen.

Der Billig-Boom erreicht inzwischen auch die Premium-Zulieferer. Bosch zum Beispiel setzt alles daran, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Marktanteil von 25 Prozent in dem neuen Fahrzeugsegment zu erobern - und in den schwarzen Zahlen zu bleiben. "Kleiner Preis, großes Wachstum", lautet die Umschreibung dafür, dass Bosch Billigautos wohl mit Teilen für bis zu 200 Euro ausstatten wird. In einem Mercedes oder BMW stecken bis zu 2000 Euro teure Teilen des Stuttgarter Elektronikkonzerns.

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