Blech der Woche (11): Lotus Elite, 1982:Die Hassgeliebte

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Andreas Lotz aus Mainz fährt einen von nur 33 gebauten Lotus Elite - ein Auto mit vielen Tücken. Weswegen sich in die Liebe zur britischen Sportflunder eine gehörige Portion Abneigung mischt.

Mit Andreas Lotz ( 514-AL) Benzingespräche zu führen ist ein Vergnügen: über große Karossen, an denen kleine Jungen gern stehen bleiben und ihre Väter zuweilen auch. Über schwere Gefährte mit Unmengen an PS und rustikalen Motoren, die vor Kraft nur so strotzen - aber nie ein Rennen gewinnen würden. "Ich mache in Baumaschinen", sagt der 47-Jährige aus Mainz. "Bagger, Krane, all so was."

Trägt die Design-Vorstellungen der 70er und 80er Jahre unverblümt zur Schau: Lotus Elite II (Foto: Foto:)

Ausgefallener geht kaum

Andreas Lotz, sagt er selbst, braucht dazu einen Ausgleich. Ein Auto, das das genaue Gegenteil zu den monströsen Maschinen auf dem Betriebshof darstellt, ein spritziges und zugleich elegantes Modell, und dazu noch eines, das nicht jedermann fährt. Die Lotus Elite in seiner Garage ist dieser Wagen.

"Ich war schon als Kind ein großer Fan von Lotus", sagt Lotz. Damals, in den 60er Jahren, entfachte ein Mann Namens Jim Clark zuerst Lotz' Feuer für die Marke aus Norfolk in England. Der Rennfahrer des 1958 gegründeten Teams Lotus gewann 1962 im belgischen Spa sein erstes Formel 1-Rennen, wurde Vizeweltmeister. 1963 holte er den Weltmeistertitel. Auch 1965 ging Clark als Sieger aus der Formel 1 hervor und fuhr vom Indianapolis 500 als Gewinner nach Hause.

Lotz, zu dieser Zeit noch ein kleines Kind, bekam das nur am Rande mit. Doch in den Jahren darauf waren es die Renngrößen Graham Hill, Jochen Rindt, Emerson Fittipaldi und Mario Andretti, die die Weltmeisterschaften für Lotus gewannen, und die legendären Siege von Clark hallten bei dem heutigen Baumaschinenhändler aus Mainz noch lange nach. "Ich weiß noch, dass ich den Rennsport von Lotus und Jim Clark unheimlich aufregend fand", sagt Lotz. "Deshalb war für mich klar, ich müsste einmal einen Wagen dieser Marke fahren."

Lotus Elite
:Blech der Woche (11): Lotus Elite, die Schwierige

Mit ihrer Form gleicht die Kunststoff-Karosse mehr einem italienischen Luxus-Flitzer als einem typisch britischen Sportwagen: die Lotus Elite, ein Wagen der seltenen Art.

Heute hat er ein Auto, wie es ausgefallener gar nicht sein könnte. Ein Wagen, der nichts gemein hat mit den weichen Formen, an die man sonst denkt, wenn jemand von seinem Lotus erzählt. Lotz' Wagen hat keine runden Scheinwerfer in gewölbten Tunneln, keine schmeichelhaften Formen, wie bei dem von 1957 an knapp 1000 Mal gebauten Modellen üblich. Sein Wagen stammt zudem aus dem letzten Baujahr der zweiten Serie, in der zwischen 1974 und 1982 gerade einmal 33 Stück gefertigt wurden. "Das Ding", erzählt Lotz, "war damals ja so teuer wie ein Ferrari. Den konnte sich kaum jemand leisten."

Blech der Woche (10): Rolls Royce Silver Cloud III SJR, 1962
:Der Seltene

Sein voller Name: Rolls Royce Silver Cloud III SJR 555 6250 ccm Continental James Young. Kaum zu merken und klingt adelig. Und es gibt nur drei Exemplare.

Auch in der Form gleicht die Kunststoff-Karosse mehr dem italienischen Luxus-Flitzer als einem typisch britischen Sportwagen: Platt wie eine Flunder, schiebt der Wagen eine lange und eckige Motorpartie vor sich her, die - ähnlich wie beim Porsche 924 - nach vorn spitz abfallend die Design-Vorstellungen der 70er und 80er Jahre unverblümt zur Schau trägt. Sogar von hinten mutet die Lotus Elite für einen Briten merkwürdig geradlinig an: Wer auf das steile Heck des Viersitzers blickt, könnte eher einen flachen Familien-Kombi als einen spritzigen Sportwagen vermuten.

"Man kann sich über das Design streiten, weil es viele Leute gibt, die den Wagen unheimlich hässlich finden", sagt Lotz. "Ich selbst bin aber der Ansicht, dass er von hinten, von vorn und aus der Schrägansicht sehr schön aussieht. Nur diese Seitenlinie: Was hat sich der Designer dabei wohl gedacht?" Wenn er mit dem Wagen herum fahre, sei die Reaktion der Leute entsprechend: "Viele bleiben stehen und sind erstaunt. Die haben so ein Auto noch nie gesehen. Dass es ein Lotus ist, denkt man bei der Form ja gar nicht." Dass quasi jeder Zweite erstmal auf die Suche nach dem Typenschild gehe, sei ihm schon klar, wenn er nur auf einen Parkplatz einbiege, sagt Lotz.

Der Lotus des 47-Jährigen ist aber nicht nur wegen des Designs und der geringen Stückzahl seiner Serie eine Besonderheit. "Ich habe herausgefunden, dass gerade mein Auto früher der Dienstwagen von Mike Kimberley, dem Vorstandsvorsitzenden von Lotus war", sagt der Baumaschinenhändler. "Danach ist er aber noch durch einige Hände gegangen" - und das stellte sich auch direkt nach dem Kauf des Wagens als Problem heraus.

Es war 2001, als Lotz den Lotus bei einem Autohändler stehen sah. "Ein Zufallsfund, direkt um die Ecke", sagt er. "Ich musste ihn einfach haben, weil ich ein totaler Lotus-Fan bin und vorher auch schon einige Lotus' gefahren hatte." Schnell wurde er sich mit dem Verkäufer handelseinig, und gegen Aufpreis verpflichtete der sich, den nicht fahrbereiten Wagen vor Auslieferung noch in Gang zu bringen. "Zum Glück für mich stand der Preis schon fest - an dem Auto hat der Händler bestimmt keinen Gewinn gemacht. Es war das extreme Beispiel für 'außen hui, innen pfui'. Die Vorbesitzer hatten mächtig viel daran verpfuscht."

Eigentlich funktionierte kaum etwas richtig. Die Elektrik war in desolatem Zustand, die Fensterheber waren kaputt, die Lüftung tat es nicht mehr und die Klimaanlage stand mit acht Bar auf der Leitung kurz vor der Explosion. Beim Auswechseln des kaputten Krümmers rissen dann auch noch die rostigen Schrauben ab - der Motor musste raus. "Ich habe den Wagen schließlich erst drei Monate später bekommen", sagt der Mainzer.

Doch noch längst war nicht alles in Ordnung. Was getan war, reichte zwar, um einigermaßen gut von A nach B zu gelangen. Mehr aber auch nicht. Erst, nachdem Lotz' mit der Flunder unter eine Leitplanke gerutscht war und der komplette Aufbau wieder hergestellt werden musste, kam die Grundrestauration. "Das war auch bitter nötig", sagt er. Eine Menge Geld floss noch einmal in das Gefährt, viel Zeit und Arbeit, einiges machte der 47-Jährige selbst. "Vor der Generalüberholung wusste man nie so genau, ob man auch ankam, wo man hin wollte. Ich bin schon das eine oder andere Mal mit dem Wagen stehen geblieben." Deshalb, so Lotz, sei es zwischen ihm und dem vierrädrigen Briten auch so eine Hass-Liebe. Gefragt nach dem schönsten Erlebnis mit seinem Auto, gibt er gern scherzhaft zurück: "Gab es das?"

Aber eigentlich gäbe es sie doch, die schönen Erlebnisse, sagt er schließlich. Dann etwa, wenn er spritzig über die Landstraßen brauste, wenn er schnittig die Kurven nehme, obwohl die Servolenkung etwas schwammig und eigentlich nicht für einen Sportwagen geeignet sei. "Das Tolle ist", so Lotz, "dass man ständig das Gefühl hat, aus der Bahn zu fliegen, aber man tut es einfach nicht."

Vielleicht liegt das auch daran, dass Lotz seine Elite noch nie ausgefahren hat. "Das Auto wird wohl 220 Stundenkilometer laufen", sagt er. "Aber so schnell will man dann doch nicht." Womöglich gebe sie sogar noch ein bisschen mehr her als er vermute, schließlich habe der Vierzylinder neue Rennkolben. 190 bis 200 PS, irgendwo da werde die Elite sich wohl bewegen, sagt der Mainzer.

Bei schönem Wetter ist die Elite "ein sehr, sehr komfortables Auto, ein schneller Reisewagen, der nicht zu hart und nicht zu weich gefedert und absolut wendig ist. Nur die Übersichtlichkeit lässt zu wünschen übrig." Zwei weitere Nachteile: Bei Regen werde es - wie bei alten Sportwagen üblich - schnell unsicher unter den Reifen. Und die Rechtslenkung sei nicht nur gewöhnungsbedürftig, sondern mache auch die Einfahrt in jedes Parkhaus und die Bestellung am Drive-In-Schalter zum Abenteuer.

Da aber, sagt Lotz, halte er auch eigentlich nie. "Ich fahre das Auto ja nicht täglich." Nur ab und zu bei Sonnenschein über die Landstraße oder zu Autotreffen. Alles im Umkreis von 200 Kilometern, weiter nicht, nur so lässt sich der Tachostand passabel halten. Bis jetzt hat der Oldie 60.000 Kilometer auf der Uhr. Außerdem: "Es ist eben eine Hass-Liebe: Täglich mit der Elite zu fahren wäre zu viel."

Lotus Elite II Typ 75, 1974-1982; Zylinder: 4; Hubraum: 1973; Leistung: 160 PS; Höchstgeschwindigkeit: 212 km/h; Verbrauch: ca. 14 Liter/100 km

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