Autohäuser von Audi:Lob des Verweilens

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Wie Audi mit Hilfe der Architektur das gute alte Autohaus zu neuem Leben erweckt - und das gleich weltweit.

Gerhard Matzig

Das Wort "Terminal" bezeichnet im Verkehrswesen eine Art Abfertigungsstelle. Etwa an einem Flughafen oder am Bahnhof, aber auch an einer Fährstelle. Zu Wasser, am Boden und in der Luft ist der Begriff daher so etwas wie ein Leitgedanke einer immer mobiler werdenden Gesellschaft. Denn das Terminal markiert einen transitorischen Zwischenraum, in dem der Homo mobilis einen Teil seiner Lebenszeit verbringt.

Anspruch und Verantwortung: Die neuen Audi-Zentren (hier in Paris) sollen nicht bloß Orte sein, an denen Autos verkauft werden. Sie sollen mitten in der Stadt publikumswirksame Architektur bieten. (Foto: Foto: Audi)

Der Transitraum gewinnt mit den Mitteln der Architektur Aufenthaltsqualität

Schließlich befindet sich die Welt der Moderne seit über einem Jahrhundert im Status des Unterwegsseins von hier nach dort, von A nach B. Wir kommen an und fahren oder fliegen wieder ab. Das Terminal ist aus unserer Zeit nicht mehr wegzudenken. Das soll nun auch für die neue Terminal-Architektur von Audi gelten, die derzeit in aller Welt realisiert wird. Etwa in Kuwait, Paris oder Sydney. Aber auch in München, wo eine erstaunliche Neuinterpretation des guten alten Autohauses gerade eröffnet wurde.

Goethes berühmte Definition des Augenblicks, der so schön ist, dass man sich in seinen Bann schlagen ließe ("Verweile doch . . ."), lässt sich auf das Terminal als solches bislang allerdings eher selten anwenden. Als Raum ist das Terminal oft nur eine funktionale Durchgangsstation, ein Zwischenort, aber gewiss kein Zufluchtspunkt.

Davon erzählt zum Beispiel auch der Film "Terminal" von Steven Spielberg aus dem Jahr 2004. Der Schauspieler Tom Hanks spielt darin einen gewissen Viktor Navorski, der aus dem Phantasieland Krakozia stammt und bei seiner Ankunft in New York aus grotesken ausländerrechtlichen Gründen wochenlang in einem Flughafen-Terminal ausharren muss. Schließlich aber richtet sich Navorski, der vom Baufach ist, häuslich ein: Der gelernte Maurer baut das Terminal um und gestaltet es neu. Aus dem Ort liebloser Unruhe und ungeduldigen Wartens, aus dem Ort der Hast und der Hektik, wird so allmählich ein Platz des Verweilens. Der Transitraum gewinnt mit den Mitteln der Architektur Aufenthaltsqualität. Der Unort der Mobilität wird endlich zum Ort: zur immobilen, räumlich dauerhaft wirksamen Lebensqualität.

Dieser Wandel ist nicht nur einer der Fiktion und der Hollywood-Drehbücher: Die Metamorphose vom Unort zum Ort beschreibt auch eine Architektur-Strategie von Audi. Schon in den letzten Jahren hat Audi seine lokalen Verkaufshäuser in aller Welt nicht lediglich als funktionale Bauwerke im merkantilen Dienst begriffen, als Orte des Kaufens und Verkaufens, sondern auch als architektonisch anspruchsvolle Gebäude.

Die Architekten haben dem Audi-Terminal in München, das sich in seinen Abmessungen nachbarschaftsdienlich verhält und sich in den Stadtzusammenhang einfügt, ein völlig eigenständiges, charaktervolles und räumlich suggestives Gefüge implantiert. (Foto: Foto: Audi)

Zur Statik geronnene Architektur als Teil der Markenkommunikation

So sind Audi-Bauten entstanden, die einen Anspruch geltend machen: den Anspruch einer baukulturellen Verantwortung, der sich nicht auf die ambitionierte Raumgestaltung auf vier Rädern begrenzen lässt. Auch ein Unternehmen, das Mobilität in Form von Autos herstellt, darf, ja muss sich zugleich der Welt der Immobilien verpflichtet fühlen. Gerade Autohäuser haben als publikumsintensive Architekturen die Aufgabe, sich an Ort und Stelle zu bewähren: mitten in der Stadt. Denn die Zeit der vornehmlich wirtschaftlich errichteten Autohaus-Kisten an der Peripherie ist lange vorbei.

Es ist kein Zufall, dass mittlerweile sogar das Phänomen der Carchitecture bekannt ist. Diese Worterfindung besteht aus den Begriffen Car und Architecture - also aus dem mobilen Auto und seinem immobilen Gegenstück, dem Haus. Das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart, die gerade erst eröffnete Münchner BMW-Welt, das Porsche-Zentrum in Leipzig, die Gläserne Manufaktur von VW in Dresden oder die Wolfsburger VW-Autostadt illustrieren, so verschieden sie auch sein mögen, die Verbindung von Auto- und Baukultur auf anschauliche Weise.

Auch Audi begreift die zu Statik geronnene Architektur als wichtigen Teil der Markenkommunikation. Daher gehen die Ingolstädter jetzt über die Idee des zentralen Forums konzeptionell hinaus: Die Audi-Filialen werden weltweit unter dem Begriff "Audi terminal" nach einem Entwurf des angesehenen Münchner Architektur-Büros Allmann Sattler Wappner um- oder neugestaltet. Das neue Konzept ist unter anderem der Verdichtung der Innenstädte geschuldet: Audi reagiert damit auf die gestiegenen Anforderungen an das Erscheinungsbild moderner Autohäuser in zweierlei Weise: zum einen architektonisch, zum anderen stadträumlich.

Die Audi-Terminals wurden von den Architekten so konzipiert, dass sie sich in ihre jeweiligen städtischen Umgebungen einfügen können, aber zugleich auch selbstbewusst auf ihr Eigenleben aufmerksam machen. Abseits der Straßen und Autobahnen und abseits der vielen Audi-Botschafter auf vier Rädern, gibt sich das Unternehmen somit ein jederzeit wiedererkennbares Gesicht. Zugleich machen die neuen Repräsentanzen eines deutlich: Sie wollen nicht nur Auto-Schauräume sein, sondern auch den Menschen und der Kommunikation dienen.

Mehr als ein Auto-Schauraum

Zum Beispiel in München. Dort, im innerstädtischen Westen der Stadt gelegen, ist das Audi-Terminal quasi als ästhetisches Hauptquartier vollendet worden. Zwischen Leonrod- und Albrechtstraße illustriert das zweigeschossige, metallisch schimmernde und einladend aufgeglaste Gebäude so unaufdringlich wie souverän die neue Firmen-Haltung auf idealtypische Weise.

Entstanden ist ein rechteckiger Kubus, der von einer fast ebenso ornamental wie technisch präzise sich gebenden Stahl-Glas-Fassade beschirmt wird. Wobei im Gegensatz zu herkömmlichen Autohäusern auf eine vollständige Transparenz verzichtet wurde. Im Gegenteil: Die überlegt platzierten, schwungvoll gerundeten und horizontal betonten Öffnungen, die die Fassade kraftvoll rhythmisieren, dienen eher der Energiebilanz - als der Schaufensterhaftigkeit. Zugleich machen gerade die sparsam gesetzten Öffnungen auf das Innenleben neugierig.

Von zwei Seiten her lässt sich die Münchner Dependance betreten. Im Inneren dominieren die Farben Grau, Silber und Weiß. Der schmale Materialkanon, vor allem Putz, Stahl und Stein, mildert das Getöse der Stadt auf einen Schlag. Man befindet sich in einem großen, lichten Raum von einiger Höhe, in der sogar die lautlos nach oben führende Rolltreppe skulpturale Bedeutung entwickeln kann. Zugleich wirkt die an zwei Gebäudekanten sanft gerundete Grundrisskonfiguration im Zusammenspiel mit zwei sich schräg aufwerfenden Wänden dynamisierend.

Die Architekten haben also einem Gebäude, das sich in seinen Abmessungen nachbarschaftsdienlich verhält und sich in den Stadtzusammenhang einfügt, ein völlig eigenständiges, charaktervolles und räumlich suggestives Gefüge implantiert. Innen wie außen aber stellen die wabenartig durchbrochene, vital wirkende Stahl-Fassade sowie die zurückhaltende Farbigkeit den Bezug zur Marke Audi her. Wenn man diesem Terminal vier Reifen anschrauben würde, ließe sich das Ganze auch als automobile Audi-Innovation auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt feiern. Oder auf der Detroit Motor Show.

Die Botschaft: Verweile doch!

Denn seine Zukunftsfähigkeit bezieht dieser intelligente Gebäudetyp sowohl aus seiner wandelbaren, den unterschiedlichen städtischen Situationen anpassbaren und sogar in der Höhe variablen Ästhetik - wie auch aus seiner fast nachdenklichen Haltung, die auf übertriebene Schauwerte ebenso verzichtet wie auf modische Austauschbarkeit. Entstanden ist auf diese Weise ein Ort in der Welt: eine weithin ausstrahlende, das Unternehmen so nachhaltig wie unaufgeregt repräsentierende Architektur.

Audi: Das ist eine Auto-Marke, zugleich aber auch ein lateinisches Wort, das mit "Hör zu!" übersetzt und als Hommage an den Auto-Pionier und Firmengründer August Horch gedacht werden kann. Die neue Terminal-Architektur legt nun eine weitere Aufforderung innerhalb der bekannten Audi-Philosophie nahe. Audi heißt jetzt außer Horch auch noch "Sieh". Um nicht zu sagen: Verweile doch.

© SZ vom 14.6.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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