Autodesign:Probieren und kopieren

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Warum sich viele Autos so ähnlich sehen: eine Design-Betrachtung aus Anlass des Genfer Salons.

Jörg Reichle

Autodesigner gelten als besonders kreative Menschen. Was sie offenbar nicht davon abhält, sich immer mal wieder bei der Konkurrenz mit Ideen zu versorgen. Nach dem Motto, "lieber gut kopiert, als schlecht erfunden" ziehen sich auf diese Weise stilprägende Elemente quer durch alle Marken und Modelle ähneln sich am Ende wie ein Ei dem anderen. Auf dem Genfer Salon ist das derzeit gut zu beobachten.

Mit dem Citroën C5 ist dem französischen Hersteller ein Wurf gelungen. (Foto: Foto: Citroën)

Auffallend ist: die grassierende Maulsperre

Nimmt man das kleine gemeinsame Vielfache des zeitgenössischen Autodesigns, so lässt sich das verkürzt so beschreiben: Beginnend hinter den Frontscheinwerfern, die mittlerweile die nach oben ansteigende und schlitzförmig auslaufende Form besitzen, die an die Augen einer multipel gelifteten Schauspielerin erinnert, steigt eine ausgeprägte Seitenlinie von der Höhe des vorderen Radausschnitts steil nach hinten an.

Das soll dynamisch wirken und tut es meist auch. Schade nur, dass auf diese Art die hinteren Seitenscheiben und oft auch das Heckfenster auf das Format von Schießscharten verkümmern und die Sicht von drinnen nach draußen entsprechend armselig ist. Rückwärts einparken ist mit solchen Autos keine Freude. Aktuelle Beispiele sind Mazda2 und Ford Fiesta, aber auch Kia Cee'd und Mercedes M-Klasse.

Besonders augenfällig ist auch die Ähnlichkeit der Radhäuser: Fast keine Neuerscheinung kommt mehr ohne den abgeplatteten Kotflügelfalz daher, manche betonen das Radhaus noch durch einen zweiten Radius im Blech. Man kann das quer durch die Bank beobachten - von der Mercedes M-Klasse über die BMW- und Audi-Palette bis hin zu Neuheiten wie Honda Accord, Citroën C5 oder - ins Extreme (und Eckige) gesteigert - dem Mercedes GLK.

Auffallend ist auch die grassierende Maulsperre. Da die Front eines Autos wesentlich zur Wiedererkennung einer Marke beiträgt, sind viele Designer dazu übergegangen, ein wahres Grill-Fest zu veranstalten. Peugeot ging mit seinem Zahnspangen-Design voraus, Audi riss dann ebenfalls demonstrativ den Rachen auf, inzwischen ist auch Ford mit dem sogenannten Kinetic-Design auf den Zug aufgesprungen, ganz zu schweigen von hierzulande eher exotischen Marken wie Mitsubishi (Lancer). Selbst bei Mercedes, wo man lange auf die identitätsstiftende Wirkung des kleinen Sterns auf der Haube vertraute, ist das Kühlerwachstum in vollem Gang.

Lancia Delta: betont lange, hohe Dachlinie, die am Heck abrupt in einer steilen Heckklappe endet. Das schafft Raum, senkt dabei den Luftwiderstand und reduziert den Verbrauch. (Foto: Foto: Lancia)

Der Citroën C5 gilt schon jetzt als eigenständiger Wurf

Die Ähnlichkeiten zwischen Modellen unterschiedlicher Marken ist natürlich nicht nur ein Ergebnis der Kopierwut von Designern. Massiv greifen EU-Gesetze wie der Fußgängerschutz in die Gestaltung ein. Damit die dadurch immer voluminöseren Fahrzeugfronten nicht zu hässlichen Blechkuchen aufquellen, treten die Scheinwerfer-Einheiten vielerorts ein derart rasantes Wachstum an, dass es nur noch eine Frage der Zeit scheint, bis die ersten bis zur Unterkante der Frontscheibe reichen. Schön ist das nur bedingt, daran ändert auch die ganze Klarglas-Euphorie nichts.

Apropos mächtige Front. Dass lange Überhänge nicht zwangsläufig unansehnlich sein müssen, zeigt der neue Citroën C5, neben dem ein Audi A6 geradezu zierlich wirkt. Dennoch ist den Franzosen mit dem sich nach hinten verschlankenden Mittelklasseauto mit der konkaven Heckscheibe ein Wurf gelungen - ohne sich der gängigen Formensprache zu bedienen. Der C5 ist übrigens auch eines der wenigen Beispiele dafür, dass die Limousine attraktiver ist als der Kombi.

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In Genf ist aber auch ein neuer Trend zu sehen - an so unterschiedlichen Autos wie dem neuen Scirocco von VW (der seine Markenzugehörigkeit noch sucht), der Studie 9-X von Saab oder dem Lancia Delta, der die italienische Traditionsmarke retten soll: eine betont lange, hohe Dachlinie, die am Heck abrupt in einer steilen Heckklappe endet. Das schafft Raum, senkt dabei den Luftwiderstand und reduziert den Verbrauch. Eine höchst willkommene Konsequenz also. Abgesehen davon, dass diese neue Linie in Verbindung mit weit nach hinten gezogenen Glasflächen, oft dunkel eingefärbt, einen besonderen Reiz besitzt.

Dass man aber auch erfolgreich gegen den Strom der Gestaltung schwimmen kann, zeigt in Genf die Seat-Studie Bocanegra. Ob das Serienprodukt, der nächste Ibiza, der im Herbst auf den Markt kommt, die mutige Linienführung behält, wird man sehen, denn einen Flop kann sich kaum ein Hersteller mehr leisten.

Morgan Lifecar: Ein Kleinsthersteller zeigt Mut

Renault ist dafür ein Beispiel. Mit ambitioniert gezeichneten Modellen wie Avantime, Vel Satis aber auch Volumenmodellen wie dem Mégane legte man dort bei den Kunden in den vergangenen Jahren eine klassische Bauchlandung hin. Jetzt wird verzweifelt zurückgerudert. Selbst der einst junge, mutige - und erfolgreiche - Twingo mutierte inzwischen zum Mainstream-Langweiler.

Mut muss man sich leisten können. So wie der britische Kleinsthersteller Morgan. Der zeigt in Genf ein bemerkenswertes Brennstoffzellenauto mit einer Stromlinienform, die an den klassischen Bugatti Atlantik erinnert. Die Daten: 600 Kilo Leergewicht, 30 PS, 145 km/h, null Gramm CO2. Das werden die Fragen sein, auf die Designer künftig gestalterische Antworten geben müssen.

© SZ vom 08.03.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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