Ausstellung (2): "Fetisch Auto":Das Sein und das Fahren

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Automobilismus sollte das Thema sein - aber die Schau sieht aus, als habe man in die Archivlisten der Kunstgeschichte einfach den Begriff "Auto" eingegeben und das Gefundene akkumuliert.

Catrin Lorch

Ein Gesang schwebt über der Fahrbahn, eine junge Frau tanzt selbstvergessen durch die Straßen, ab und an senkt sie eine Blume auf die Autos, die am Wegrand parken - doch weil die Blüte aus Beton ist und die Frau mit Wucht zuschlägt, hinterlässt sie Splitter und Scherben, wo sie vorbei springt.

"Jim Clark Baumann, Grosser Preis von England", 1963, Foto von Horst H. Baumann (Foto: 2011 Museum Tinguely, Courtesy of the Artist)

Wer bei dem Video "Ever is Over All" (1997) von Pipilotti Rist mehr auf die Autos, denn auf die Demonstration weiblicher Schlagkraft fokussiert, ist der Idealbesucher der Ausstellung "Fetisch Auto" im Baseler Museum Tinguely.

Mit 160 Exponaten ist dort ein Streifzug durch die Kunstgeschichte zum Thema Auto eingerichtet, der von Giacomo Ballas futuristischen Geschwindigkeitsbildern bis zu den Performances reicht, für die sich Chris Burden auf ein Autodach nageln ließ, um sich so, vor Schmerz schreiend, über Highways fahren zu lassen. (Unser Bild "Jim Clark Baumann, Großer Preis von England", 1963, stammt von Horst H. Baumann; 2011 Museum Tinguely, Courtesy of the Artist.)

Die Schau sieht aus, als habe man in die Archivlisten der Kunstgeschichte den Begriff "Auto" eingegeben und einfach abgewartet, was dann akkumuliert an Blechskulpturen, Filmen, Installationen, Fotos und Leinwänden. Doch ist es überraschend, dass sogar Künstler wie Gerhard Richter oder Jean Dubuffet Autos malten, wo die Dinger doch seit dem Zweiten Weltkrieg wirklich überall herumstehen?

Die Ausstellung ist nicht als Parcours oder Strecke angelegt, sondern als sprechende Architektur, sieht sie doch von oben aus wie ein Rad, dessen Speichen die einzelnen Kämmerchen abteilen. In der Mitte schwebt Damián Ortegas "Cosmic Thing" (2002), ein in seine Einzelteile zerlegter VW Käfer. Die sternförmig von dort abzweigenden Ausstellungskapitel tragen getunte Namen wie "Religiöser Fetisch" oder "Geschwindigkeit".

Der Rundlauf lässt allerdings keine These erkennen, "Fetisch Auto" kreist einfach um sich selbst und es ist zu befürchten, dass ein Chamberlain hier weniger als plastisches Konzept, denn als gruselig gestauchtes Blech bestaunt wird.

Auch wenn das begleitende Film-Programm wenig subtil "Thelma und Louise" an "Lost Highway" reiht, so ist das Autokino, das auf dem bisschen Rasengrün vor dem Museum aufgebaut wurde, indem man es einfach zuparkte, noch die sprechendste Leistung der Kuratoren: Einem auf Geschwindigkeit fixierten Museum, dessen Besucher auf dem Weg zur Bushaltestelle sieben Spuren eines Innenstadt-Rings überwinden müssen, hätte zum Thema Automobilismus etwas mehr einfallen müssen.

"Fetisch Auto. Ich fahre, also bin ich", Museum Tinguely in Basel, bis 9. Oktober. Infos unter www.tinguely.ch

© SZ vom 31.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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