Zoologie:Mit Rückenwind

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Der richtige Zeitpunkt für eine Reise kann über Leben und Tod entscheiden, zumindest bei Zug-Fledermäusen. Vor dem Start berechnen sie vieles.

Von Kathrin Blawat

Den richtigen Zeitpunkt für eine Reise zu finden, kann über Leben und Tod entscheiden. Zumindest im Fall von Fledermäusen, die - ähnlich wie viele Vögel - für den Winter in wärmere Gebiete als ihr Sommerquartier ziehen. Dabei machen es sich Fledermäuse alles andere als einfach mit ihrer Entscheidung, wann sie aufbrechen. Vielmehr verrechnen sie zahlreiche Umweltfaktoren wie Windgeschwindigkeit und -richtung sowie den Luftdruck - und setzen das alles zudem in Relation zum Fortschreiten des Frühlings. Das schreibt ein Team um Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell in den Biology Letters.

Zwar warten auch Zugvögel günstige Wind- und Luftdruckbedingungen für ihre Reise ab. Für die meisten von ihnen steht aber noch etwas anderes im Vordergrund: Sie benötigen ein ordentliches Fettpolster vor ihrem Aufbruch. Darauf verzichten die in der Studie untersuchten Großen Abendsegler. Stattdessen verbringen die Fledermäuse unterwegs jeden Abend etwa anderthalb Stunden mit der Jagd auf Insekten, um genug Energie für die kommende Wegstrecke zur Verfügung zu haben.

Entscheidend ist der passende Zeitpunkt der Frühjahrswanderung vor allem für die Fledermaus-Weibchen, die bereits schwanger sind, wenn sie sich auf den Weg machen. Ein möglichst früher Aufbruch im Frühjahr wäre daher günstig - lange Reisen im fortgeschrittenen Stadium einer Schwangerschaft sind nun einmal beschwerlich. Andererseits kann es die werdenden Mütter auch zu stark erschöpfen, wenn sie etwa bei starkem Gegenwind aufbrechen würden, nur um möglichst früh im Sommerquartier anzukommen.

Um herauszufinden, welche Faktoren die Fledermäuse besonders beeinflussen, verfolgten die Forscher 29 Weibchen des Großen Abendseglers, die sie zuvor im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet am Bodensee mit Sendern ausgestattet hatten. Dabei zeigte sich, dass es nicht die eine einzelne Umweltbedingung gibt, die über den Zeitpunkt des Aufbruchs entscheidet, sondern dass die Tiere verschiedene Wind- und Luftdruck-Faktoren miteinander verrechnen. Mehr noch, im Lauf des Frühjahrs gewichten sie die einzelnen Faktoren sogar unterschiedlich. "Anfangs sind Rückenwinde am wichtigsten, die die Abendsegler in ihre Zugrichtung befördern", sagt Co-Autor Teague O'Mara. "Später wollen sie klare Nächte und fliegen ungeachtet der Windverhältnisse, solange nur das Wetter gut ist."

Allzu viele solch detaillierter Erkenntnisse über migrierende Fledermäuse hat die Wissenschaft bislang nicht zusammentragen können. Über ihre Wanderungen ist viel weniger bekannt als über die der Vögel. Frühere Studien haben gezeigt, dass wandernde Fledermausarten wie Großer und Kleiner Abendsegler oder die Rauhautfledermaus im Spätsommer zum Beispiel aus Nordost-Europa Richtung Frankreich aufbrechen. Auf dem Flug ins Winterquartier paaren sich die Tiere. In Frankreich angekommen, fallen sie erst einmal in Winterschlaf, was aufgrund der höheren Temperaturen dort ohne die Gefahr zu erfrieren möglich ist.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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